black is beautiful - schwarzer Kratzer

Begonnen von StoneMan, 01. März 2012, 21:54:19

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StoneMan

Moin

dieser Löffelschaber (?) oder Löffelkratzer (?), war ursprünglich mal etwas länger.

Mit einem klassischen Angelbruch hat sich ein Teil des Schäftungsende verabschiedet.
Die Schäftung war offensichtlich ellipsoid, der "Löffelstiel" verjüngte sich in der Breite, und wurde
allerdings dicker gelassen, als der Kratzer selber.

Das Artefakt ist vollständig flächenretuschiert.

Fundort - der selbe Acker in SH wie diese Teile: Schöne Kratzerkappe + Bohrer oder Natur?

Ich würde ihn ins Endneolitikum stellen.


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Kelten111

Schönes Stück und schöne Fotos nur den Bruch hast nicht abgelichtet  :glotz:
Das Material  :Danke2:
Mfg Fredi  :winke:

Siebenpapagei

Hallo Jürgen, :winke:

jetzt hab ich das erst richtig erkannt, der ist ja beidseitig flächig retuschiert :staun:
Super seltener Fund :super: Habe ich so noch nicht gesehen. Schaber wurden ja normalerweise aus Scheiben hergestellt.
Kann man bei dem Fund vermuten, dass er aus einem bifaciellen Artefakt hergestellt wurde? Dolch? Also ein Recycling-Stück?! :glotz:
Für mich sieht das fast so aus. Vermutlich Übergang vom Dolchgriff zum Blatt.

LG

Ralf

StoneMan

#3
Zitat von: Siebenpapagei in 01. März 2012, 22:09:11
---
jetzt hab ich das erst richtig erkannt, der ist ja beidseitig flächig retuschiert :staun:
...

Moin Ralf,

ja bifacial retuschiert. Dabei habe ich mir so viel Mühe gegben  :heul:, nee im ernst, das Teil
hat mich fototechnisch echt gefordert.

Alles glänzt, alles schwarz, Schatten auch schwarz... :nono: selbst die Farbe schwarz/grau/anthrazit ist nur
mühselig hin zu bekommen.

>> bifaciellen Artefakt...Recycling<< Interessanter Ansatz Ralf, ich kann es jedoch nicht bestätigen aber auch
nicht widersprechen - Tendenz eher nicht. Der Buckel vor der Kratzerkappe lässt mich daran zweifeln.


@ Fredi, hier der Angelbruch - hatte ich vergessen  :prost:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry

Wutach

Hallo Jürgen,

etwas vergleichbares ist mir auch nicht bekannt. Bifacielle Flächenretusche bei einem Kratzer ist schon aussergewöhnlich. Schön immer mal wieder was neues zu sehen!

LG Marc.

steinwanderer

Moin Jürgen,
mit Endneolithikum liegst Du richtig. Genauer gesagt in der Stein.- Bronzezeit treten solche Kratzer an und ab mal auf.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

queque

Hallo Jürgen,

das ist wirklich eine schönes Stück. Auf den Fotos wirkt es so, als könnte es getempert sein. Ist das möglich?

LG
Bastl

StoneMan

Moin,

danke euch dreien für die Anmerkungen.

Zitat von: Wutach in 02. März 2012, 01:35:07
...
etwas vergleichbares ist mir auch nicht bekannt. Bifacielle Flächenretusche bei einem Kratzer ist schon aussergewöhnlich...
@ Marc, das hört sich gut an.
Den Ansatz von 7P (Dolch-Recycling) muss man dann doch mehr in Betracht ziehen (?).
Vielleicht ja auch während der Fertigung zerbrochen und mit "Plan B" weiter gemacht...


Zitat von: steinwanderer in 02. März 2012, 06:46:07
...
... Genauer gesagt in der Stein.- Bronzezeit treten solche Kratzer an und ab mal auf.
@ Klaus, wäre fein, wenn Du Beispiele hast? Egal ob eigene oder auch publizierte.


Zitat von: queque in 02. März 2012, 08:40:18
...
Auf den Fotos wirkt es so, als könnte es getempert sein. Ist das möglich?
...
@ Bastl, zu getemperter Ware fehlt mir einfach Wissen/Erfahrung. Verbranntes kann ich ja
meist erkennen, aber Temperware...
Mein Kratzer wirkt insgesamt wie eingewachst - Seidenglanz. Die Farbe ist durchgehend schwarz,
wie man auf der Bruchfläche sieht. Denn wenn getempert, dann doch vor dem Bruch.

Oder geht eine farbliche Veränderung durch Tempern tief in den Flint? Wie verändert
sich die Oberfläche? Vielleicht kann jemand helfen?

Der schwarze Flint an sich, ist ja im Norden nichts ungewöhnliches.
Hier einmal zwei Beispiele von schwarzem Flint.

Gruß

Jürgen



Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

queque

Zitat von: StoneMan in 02. März 2012, 11:04:24

Mein Kratzer wirkt insgesamt wie eingewachst - Seidenglanz. Die Farbe ist durchgehend schwarz,
wie man auf der Bruchfläche sieht. Denn wenn getempert, dann doch vor dem Bruch.

Oder geht eine farbliche Veränderung durch Tempern tief in den Flint? Wie verändert
sich die Oberfläche? Vielleicht kann jemand helfen?


Hier im Rheinland sind getemperte Artefakte ja eher Mangelware, deshalb ist meine Kenntnis auch beschränkt:
Der seidige Glanz auf den Negativen wäre ein typisches Zeichen für eine Temperung, natürlich vor der Zurichtung (hätte ja sonst auch keinen Sinnn). Die Farbliche Veränderungen kommen auf den Mineralgehalt des Steins an: viel Eisen rötet, viel Mangan "graut" bzw. schwärzt.

Viele Grüße
Bastl

StoneMan

Zitat von: queque in 02. März 2012, 11:16:50
...
...Die Farbliche Veränderungen kommen auf den Mineralgehalt des Steins an: viel Eisen rötet, viel Mangan "graut" bzw. schwärzt.
...
Moin Bastl,

da müssten also geologische Kenntnisse her, die ich nicht habe. Werde
selber auch mal suchen - schade das der Mark77 nichts mehr einbringt.

Danke schomma  :winke:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry

fuchs

Hallo miteinander,

schönes Stück, Sekundärnutzung ist recht wahrscheinlich, da eine bifacielle Bearbeitung bei neolithischen Kratzern so nicht üblich ist.

Temperung ist wohl auszuschließen:

- Nordischer Flint ist sehr gut spaltbar, Tempern würde nicht zu besseren Ergebnissen führen und ist daher überflüssig.

- Es liegen kaum Belege für Temperung im deutschen Neolithikum vor, anders als im französischen Chasséen.

- Nach dem Tempern abgetrennte Abschläge hinterlassen fettig-glänzende Negative, Fettglanz, kein Seidenglanz. Wären die Abschläge vor einer Temperung abgetrennt worden, wären die Negative matt, ohne Glanz.

queque

Zitat von: fuchs in 02. März 2012, 12:15:48
Hallo miteinander,

schönes Stück, Sekundärnutzung ist recht wahrscheinlich, da eine bifacielle Bearbeitung bei neolithischen Kratzern so nicht üblich ist.

Temperung ist wohl auszuschließen:

- Nordischer Flint ist sehr gut spaltbar, Tempern würde nicht zu besseren Ergebnissen führen und ist daher überflüssig.

- Es liegen kaum Belege für Temperung im deutschen Neolithikum vor, anders als im französischen Chasséen.

- Nach dem Tempern abgetrennte Abschläge hinterlassen fettig-glänzende Negative, Fettglanz, kein Seidenglanz. Wären die Abschläge vor einer Temperung abgetrennt worden, wären die Negative matt, ohne Glanz.


Wieder etwas gelernt: Danke  :super:
Gruß
Bastl

StoneMan

Zitat von: fuchs in 02. März 2012, 12:15:48
...
- Es liegen kaum Belege für Temperung im deutschen Neolithikum vor, anders als im französischen Chasséen.
...
Moin Christian,

das wusste ich auch nicht, dass es da oben rar ist mit Temperware.   :super:
Wie gut das Zeugs spaltbar ist war mir schon klar.

Dem nordischen Flint (oder allgemein?) wird ja auch nachgesagt, dass er "bergfrisch", also
feucht, die besseren Eigenschaften zur Verarbeitung hatte. Ob das heute noch vor der Fachwelt
Gültigkeit hat, weiß ich nicht.

Ich selber habe einmal Versuche mit ~ frischem, feuchten Flint gemacht und kann zumindest vom
Gefühl her bestätigen, das er sich sehr gut (auch anders) verhält, als der ausgetrocknete Flint.
Allerdings glaube ich mich zu erinnern, dass Manfred (Marienbad), der sehr viel mehr Erfahrung hat,
diese Meinung/Erfahrung nicht teilt.

Klar war mir nicht, dass Tempern auschließlich (?) vor dem Bearbeiten/Zurichten angewendet wurde.
Aus meiner neuzeitlichen Schaffenszeit kenne ich Tempern lediglich zur Nachbehandlung, um bestimmte
Eigenschaften zu verbessern.

Danke Christian

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

fuchs

Zitat von: StoneMan in 02. März 2012, 13:34:30
Dem nordischen Flint (oder allgemein?) wird ja auch nachgesagt, dass er "bergfrisch", also
feucht, die besseren Eigenschaften zur Verarbeitung hatte. Ob das heute noch vor der Fachwelt
Gültigkeit hat, weiß ich nicht.


Klar war mir nicht, dass Tempern auschließlich (?) vor dem Bearbeiten/Zurichten angewendet wurde.
Aus meiner neuzeitlichen Schaffenszeit kenne ich Tempern lediglich zur Nachbehandlung, um bestimmte
Eigenschaften zu verbessern.

Das Tempern soll die Spaltbarkeit verbessern, deshalb wurde ausschließlich vor der Bearbeitung getempert.

Und jetzt noch was zu "bergfrisch":

Bergfrisch bedeutet bergmännisch gewonnen, also aus primärer Lagerstätte. Das hat nix mit dem Wassergehalt zu schaffen. Sekundär verlagerte Feuersteine sind oft mit Mikrorissen versetzt, durch Gletschertransport, Flusstransport oder andere Bestoßungen (Tertiärmeer). Das wirkt sich auf die Nutzbarkeit aus, manche Knollen zerbröseln regelrecht. Bergmännisch gewonnener Feuerstein hat diese Probleme nicht, deshalb ist er (noch) besser.

Ist aber keine Belehrung, nur eine Richtigstellung. :winke:



StoneMan

Zitat von: fuchs in 02. März 2012, 13:54:42
...
Ist aber keine Belehrung, nur eine Richtigstellung. :winke:
...
:prost: Du darfst mich aber auch gerne Belehren  :winke:

Ich hatte ja auch vorsichtigeweise von  "... ~ frischem, feuchten Flint", geschrieben.

Kurz zu meinem "frischen Flint". Wenn man so wie ich über Jahrzehnte nach Møn fährt, muss man
auch leider erleben, wie Wind und Meer immer mal etwas von der Insel abknabbert.
Da fallen dann schon mal einige Tonnen Erdreich mit riesigen Flintplatten auf den Strand.
Plötzlich liegen da also Flintknollen die bisher unter mehreren Metern Erdreich lagen (20 - 50 m habe ich erlebt).

Das mit dem Wassergehalt muss ich dann doch noch einmal in meiner spärlichen (veralteten) Literatur nachsehen.
Ich meine Flint wurde bergmännisch gewonnen:
1. wenn keine Oberflächen-Ressourcen vorhanden waren
2. auch wenn Oberflächen-Ressourcen vorhanden waren, wegen der besseren (auch feuchten) Qualität. 

Knollen die zerbröseln habe ich auf Møn noch nicht gefunden.

Nun muss ich mit Sina raus - bye.

Gruß

Jürgen
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Antoine de Saint-Exupéry

StoneMan

Moin schon wieder,

Sina ist zufrieden und ich habe gelesen. Ich komme aber nicht mit erhobenem Zeigefinger,
sondern mit zwei Zitaten aus meiner veralteten (?) Literatur.

Zitat 1 aus: Es begann mit der Technik, von Pierre Honoré

Hunderttausende von Jahren begnügte sich der Mensch mit dem Feuerstein, den er
an der Oberfläche fand. [...] Werkzeuge ...mißlangen oft, weil der ausgetrocknete Oberflächenflint
trotz seiner Spaltbarkeit ein schlechter Rohstoff ist.
[...]
Erst als der Mensch den bergfrischen, nicht ausgetrockneten Feuerstein in der Kreide fand, hatte er einen
idealen Rohstoff... ...der sich bedeutend und besser und leichter schlagen läßt...
[...]
Als der Mensch dann in der Kreide den Plattenfeuerstein fand, lebte er im Feuersteinparadies.

Zitat Ende


Zitat 2 aus: Technik der Steinzeit, von Rudolf Feustel

[...]
Je homogener ein Mineral oder Gestein ist, desto besser läßt es sich in alle Richtungen spalten.
Ideal sind ...die amorphren vulkanischen Gläser (Obsidian), aber auch Flint...
[...]
Aus Flüssen und aus der Tiefe [...] oder gar bergmännisch gewonnene Steine lassen sich im allgemeinen
besser bearbeiten ...; jene sind oft noch "bergfeucht", waren keinen schroffen Temperaturschwankungen 
ausgesetzt und sind deshalb von weniger Sprüngen durchzogen.

Zitat Ende

Anmerkung von StoneMan: der Begriff "bergfeucht" ist im Original ebenfalls mit Anführungszeichen hervorgehoben.

Ich könnte mir denken es gibt andere Meinungen/Literatur zu diesem Thema. Ich bin jedoch pflegeleicht
und selbst mit 111y noch lernfähig  :zwinker:

Bitte nicht den schwarzen Kratzer über das Thema vergessen. Da sind ja noch
mehr Fragen offen.


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

steinwanderer

Moin Jürgen,
anscheinend hast Du meine Beiträge über Flintknapping nicht richtig verfolgt, sonst wüßtest du, daß sich nur aus bergfrischem, sei es nun aus der frischen Abbruchkannte, gute Klingen schlagen lassen oder wie bei Deinem Stück die Flächenretusche. Und in diesem ist Wasser gebunden, daß bemerkte ich selbst an den von mir geschlagenen Klingen, als auf der Fläche der Stücke nach einer Weile Flüssigkeit austrat.
Anbei noch ein Bild und die Erläuterung Deines Stückes.
Gruß Klaus 
Lewer duad üs Slav

StoneMan

Zitat von: steinwanderer in 02. März 2012, 18:59:49
Moin Jürgen,
anscheinend hast Du meine Beiträge über Flintknapping nicht richtig verfolgt, sonst wüßtest du, daß sich nur aus bergfrischem...
Moin Klaus,

nun hast Du mich erwischt  :schaem: Aber  :belehr: ich wusste es doch bereits aus meinem Gedächtnis,
dass ich es vor ~ 25 Jahren mal gelesen habe.
:friede:

Aber erst mal sehen, ob meiner Quellenangabe allgemeine Anerkennung zukommt. Welche Publikation
ist denn Deine Wissensquelle - außer Deiner eigenen Erfahrung.

Den zungenförmigen Skeskraber 49 (Flint fra ...) kenne ich, aber aus dem Text geht eine bifacielle Bearbeitung nicht hervor?
So sehr viel dänisch kann ich nicht.

Danke fürs rauskramen und einstellen.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Siebenpapagei

Guten Abend,

interessante Diskussion :-)

Zitat von: StoneMan in 01. März 2012, 22:58:30
ja bifacial retuschiert. Dabei habe ich mir so viel Mühe gegben  :heul:, nee im ernst, das Teil
hat mich fototechnisch echt gefordert.
Ist ja auch wirklich gut gelungen, es lag auch eher an meiner Schußelligkeit, hatte nicht genau hingeguckt :glotz:
Zitat von: StoneMan in 01. März 2012, 22:58:30
>> bifaciellen Artefakt...Recycling<< Interessanter Ansatz Ralf, ich kann es jedoch nicht bestätigen aber auch
nicht widersprechen - Tendenz eher nicht. Der Buckel vor der Kratzerkappe lässt mich daran zweifeln.
Die Erhöhung an der Schaberkappe sieht nach einem Steckenbleiber aus. Daher ist das Stück in dem Bereich verdickt. Einen Schlagbulbus kann ich dort nicht erkennen.

Gruß

Ralf :winke:

Kelten111

Zitat von: Siebenpapagei in 02. März 2012, 21:37:47
Guten Abend,

interessante Diskussion :-)
Ist ja auch wirklich gut gelungen, es lag auch eher an meiner Schußelligkeit, hatte nicht genau hingeguckt :glotz:Die Erhöhung an der Schaberkappe sieht nach einem Steckenbleiber aus. Daher ist das Stück in dem Bereich verdickt. Einen Schlagbulbus kann ich dort nicht erkennen.

Gruß

Ralf :winke:

Kratzer  :smoke:
Mfg Fredi :winke:

dagmar.st


Hallo Jürgen,

Du hast gefragt, ob jemand noch etwas zur Temperung sagen kann....

nicht viel...aber ich weiß, dass z. B. Hornstein zwischen 350 ° und 400 ° erhitzt wurde

und zwar schon im Jungpaläolithikum ( wenn es nicht stimmt, dürft Ihr jetzt gerne über mich

herfallen !!!) und ich besitze einen wunderschönen, getemperten und bearbeiteten

Kernstein, den ich als Beispiel zeigen möchte.

L.G.

Dagmar  :smoke:

thovalo

#21
 :staun:

Jawoll,
der ist premiumgetempert und küss die Hand gnä´ Frau für diesen tollen Anblick!


Glänzend im wahrsten und in jedem Sinne!    :super:



Zum Tempern von Feuerstein aus Wikipedia:

"Tempern von Feuerstein beschreibt die thermische Behandlung (Tempern) von Feuerstein, insbesondere Hornstein.

In der Ur- und Frühgeschichte wird der Begriff des Temperns für die gezielte Erhitzung von Feuerstein-Rohstoffen verwendet, um die Bearbeitungseigenschaften oder die Farbe des Gesteins[1] zu verbessern. Sie bewirkt eine Veränderung der Gesteinsstruktur und ist an Farbe und Oberflächenbeschaffenheit zu erkennen. Die Spaltbarkeit des Minerals wird insofern beträchtlich erhöht, als bei gleichem Kraftaufwand nach einer thermischen Behandlung die Bewegungsenergie (sog. kinetische Energie) im Gestein längere Strecken durchläuft als im unbehandelten Gestein, so dass größere Negativflächen entstehen. Alternativ könnte man formulieren, dass Tempern einen deutlich reduzierten Kraftaufwand zulässt und trotzdem hinreichend große Negativflächen angelegt werden können.

Wird Hornstein, z. B. unter einer Sandabdeckung, einige Zeit auf Temperaturen um 350 °C erhitzt, tritt eine Gefügeveränderung ein. Durch die experimentelle Archäologie wurde die Möglichkeit einer solche Gefügeveränderung für Artefakte ab dem mittleren Jungpaläolithikum (Solutréen), im Mesolithikum Süddeutschlands (Beuronien) und im französischen Jungneolithikum aufgezeigt.

Besonders charakteristisches Merkmal des Tempern ist ein seidenmatter Glanz, der jedoch ausschließlich auf Zurichtungsnegativen vorhanden ist, die nach der Hitzebehandlung angelegt worden sind. Die Farbvariationen von rot, rosa bis zu grau hängen von der Mineralzusammensetzung ab. Je höher der Eisengehalt im Stein ist, desto größer ist die Rötung. Enthält der Stein mehr Mangan, so spielt seine Farbe ins Graue.

Durch Hitze weiß-gebrannter und strukturell zerrütteter Feuerstein wird von den Archäologen als kalzinierter Flint bezeichnet.
Aus Funden der späteren Metallzeiten ist auch ein Tempern von Metallen bekannt.
"


Anmerkung: Die Glanzbildung an Feuerstein ist gegenüber Hornstein ausdrücklich als "fettig glänzend" bzw. als "Fettglanz" zu beschreiben! Dagmars toller Kern zeigt ebenfalls einen intensiven Fettglanz!


In diesem Zusammenhang noch zur "Spaltbarkeit":

"Als Spaltbarkeit wird bei Mineralien und Kristallen die Tendenz bezeichnet, an bestimmten parallelen Ebenen im Kristallgitter zu brechen. Die Spaltbarkeit ist demnach eine besondere Art eines Bruchs. Vorrangig als technisch-handwerklicher Begriff findet das Wort bei Gesteinen Verwendung. Eine Spaltbarkeitsebene der Minerale ist eine glatte Fläche, die das Licht gut reflektiert. Spaltbarkeiten können bei verschiedenen Mineralen unterschiedlich gut ausgebildet sein, unterscheiden sich in den resultierenden Spaltbarkeitsflächen/-ebenen und in der Güte ihrer Ausbildung. Sie dient damit nicht nur zur Klassifizierung von Mineralien, sondern lässt über die Winkel der Spaltbarkeitsebenen auch Rückschlüsse auf das Kristallgitter zu. Paul Ramdohr, Hugo Strunz: Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Ferdinand Enke Verlag 1978, ISBN 3-432-82986-8 (S. 222 bis 224) Günther Mehling (Hrsg.): Naturstein-Lexikon. 4. Auflage."


glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: dagmar.st in 03. März 2012, 20:02:16
Hallo Jürgen,

Du hast gefragt, ob jemand noch etwas zur Temperung sagen kann...
nicht viel...aber ich weiß, dass z. B. Hornstein zwischen 350 ° und 400 ° erhitzt wurde
und zwar schon im Jungpaläolithikum ....und ich besitze einen wunderschönen,
getemperten und bearbeiteten Kernstein, den ich als Beispiel zeigen möchte.

L.G.

Dagmar  :smoke:
Moin Dagmar, moin miteinander,

ja genau, danach hatte ich gefragt Dagmar, eigene Beispiele oder eben auch Fachpublikation.

Bisweilen hatte ich mich ja mit dem Tempern nicht beschäftigt, warum nur nicht  :kopfkratz: Christian Fuchs hat
die Erklärung dazu geliefert:
Zitat von: fuchs in 02. März 2012, 12:15:48
...

- Nordischer Flint ist sehr gut spaltbar, Tempern würde nicht zu besseren Ergebnissen führen und ist daher überflüssig.

- Es liegen kaum Belege für Temperung im deutschen Neolithikum vor,
anders als im französischen Chasséen.
...
Vielleicht kommen zum Tempern ja noch Tipps von euch zu Quellen/Veröffentlichungen (freie PDFs).

Und (!) Dagmar, Dein getemperter Kern ist ganz hervorragend, und auch sehr viel deutlicher fotografiert als hier >klick<  :super:
damals konnte ich den nicht als Kern einschätzen, und zum Tempern konnte ich e nix sagen.

Auf das es sich bald ändert, nur zu, bin erfreut über die rege Beteiligung - danke an alle.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Storkianer


StoneMan

Moin,

zum Nachtrag zur Vervollständigung gibt es nicht viel Neues.

So schön wie das Fundstück für mich ist, so nüchtern war die Archivierung (Okt. 2015) vom Amt:

Datierung: Spätneolithikum bis frühe Bronzezeit

Fragment eines Löffelschabers, der Schaft ist abgebrochen, das Blatt ist beidseitig retuschiert.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um die Umarbeitung und Sekundärverwendung eines Dolches handelt.
[...]


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry