Bruchstück eines Polissoirs?

Begonnen von rolfpeter, 27. März 2008, 15:52:42

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

rolfpeter

Servus Freunde,

Fundort: Ruraue.
Material: hartes, kompaktes, quarzitisches Felsgestein.
Besondere Kennzeichen: Auf 2 Seiten sind eingeschliffene, glatte, glänzende Mulden mit feinen Riefen erkennbar.
Frage: handelt es sich um Das Bruchstück eines Polissoirs, also eines Schleifsteines, auf dem Feuerstein-Beilklingen geschliffen wurden?









Herzliche Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger


Mehr als wahrscheinlich, würde ich sagen !  :super:

Toller Fund  :winke:

Khamsin

Moin Jungs!

Für den Rest der Welt: Unter einem "Polissoir" versteht man im allgemeinen einen sog. ortsfesten Schleifstein. Dabei handelt es sich in aller Regel um Schleifmulden, manchmal Dutzende und Aberdutzende, auf Ausbissen geologischer Felsgesteinformationen der Sandsteingruppe. Klar gibt es Ausnahmen, sowohl in der Form als auch im Material, aber das ist eine andere Baustelle.

Da es nach meiner Kenntnis im Rheinland keine Polissoirs gibt, dafür andererseits eine riesige Zahl an Schleifwannenbruchstücken und - immer einmal wieder - mehr oder weniger vollständige Schleifwannen, bin ich mir auch in diesem Fall sicher, dass es sich um den Rest einer Schleifwanne handelt.

Um das zu überprüfen, RP, solltest Du Dir mal die Unterseite des Fragmentes anschauen. Sollten dort noch Reste der alten Oberfläche erhalten sein, dann tippe ich mal als Herkunft auf Geröll aus der Rur.

Für Schleifwannen benötigte man grössere Gesteinsstücke, und da die im Rheinland nicht auf den Lösshochflächen lagen und liegen, war man auf die sekundären Vorkommen in den Schotterfluren der Talauen angewiesen. Die stellten eine wahre Fundgrube für die Steinzeitler dar!

Nur das Material für ihre gleichfalls grossdimensionierten Schiebemühlen haben sie nicht aus dem Schotter aufgeklaubt, sondern bergmännisch gewonnen. So jedenfalls kann man seit kurzer Zeit nachlesen in den Proceedings des 8. Internationalen Feuersteinsymposiums 1999 in Bochum. Die Publikation liegt seit Anfang 2007 vor.

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Zitat von: Khamsin in 27. März 2008, 18:55:54
Da es nach meiner Kenntnis im Rheinland keine Polissoirs gibt, dafür andererseits eine riesige Zahl an Schleifwannenbruchstücken und - immer einmal wieder - mehr oder weniger vollständige Schleifwannen, bin ich mir auch in diesem Fall sicher, dass es sich um den Rest einer Schleifwanne handelt.

Um das zu überprüfen, RP, solltest Du Dir mal die Unterseite des Fragmentes anschauen. Sollten dort noch Reste der alten Oberfläche erhalten sein, dann tippe ich mal als Herkunft auf Geröll aus der Rur.

Ja, Du hast natürlich recht. Es ist ein Bruchstück von einer Schleifwanne, die von zwei Seiten benutzt wurde. Ursprünglich wird es ein Geröll gewesen sein, aber das Gestein ist außerordentlich widerstandsfähig, an der Seite ist es nur wenig abgerollt. Ich will damit ausdrücken, daß ein gewaltiger Arbeitsaufwand damit verbunden war, bis die Mulden derart ausgeprägt in den Stein gegraben waren. Hat sowas zum Schleifen der Feuerstein-Beilklingen gedient? Die Oberfläche ist wirklich glatt wie ein Kinderpopo.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger


Wieder was gelern, dachte Polissoir sei das französische Wort für Schleifwanne.  :kopfkratz:

Danke für die Ausführung, Khamsin Ibn Said !  :super:

:winke:

Silex

unglaubliche Oberflächen... mit meinem unbeschliffenen Hintergrund kann ich mir das nur im Zusammenhang mit Flintbearbeitung vorstellen....und das dann für die Endbearbeitung...
annähernd Ähnliches ist hierzulande unbekannt (meines Wissens)
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

#6
Zitat von: agersoe in 27. März 2008, 20:14:29

Wieder was gelern, dachte Polissoir sei das französische Wort für Schleifwanne.  :kopfkratz:


Ja, Du hast prinzipiell natürlich recht. Ich vermute, Khamsin unterscheidet die Schleifwanne mit der relativ flachen Arbeitsfläche von dem Polissoir mit der ausgeprägten tiefen Mulde. Die flachen Schleifsteine werden Meule genannt, wenn ich nicht irre. Hier ist ein Polissoir aus Le Grand Pressigny:



HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Moin und Salaam!

Agersoe, mein "Röde Orm", bin ich nicht seinerzeit mit "Ibn SaUd" auf die Nase gefallen?

RP, nach der französischen prähistorischen Literatur werden die Schleifsteine grundsätzlich "polissoir" genannt, wenn mein Eindruck nicht täuscht. "Meule" dagegen ist zwar möglich, wird aber - und wie ich meine auch sinnvoll - für die Schiebe- und Drehmühlen verwendet.

In diesem Zusammenhang fällt mir folgendes ein: Immer wieder wird, und zwar zu Recht, hier im Steinforum das äusserst empfehlenswerte Buch von P.V. Petersen erwähnt.

Hier möchte ich nun einmal die Gelegenheit wahrnehmen und eine Lanze brechen für ein durchaus vergleichbares Werk aus der Feder eines frankophonen Autors:

J.-L. Piel-Desruisseaux, Outils Préhistoriques. forme - fabrication - utilisation. 2ème édition, Masson, Paris 1990. 

Alle sich hier angesprochen Fühlenden sollten wissen, dass man französische archäologische Literatur natürlich nur an einer Stelle ordert, und zwar bei:

Monique Mergoil, Libraire Archéologique, F Montagnac (mittlerweile mit einer eigenen Internetseite, na klar!).

Das Buch von Piel-Desruisseaux kostet nicht die Welt und ist für alle des Idioms Mächtigen mindestens eine vergleichbare Fundgrube, wie das wirklich wunderschöne und so lehrreiche Buch von Peter Vang!

Vor einigen Jahren habe ich mit Peter Vang gesprochen und ihn gefragt, warum es sein Buch nicht in einer englischen Version gibt. Nun, der Grund ist wie immer eine Melange aus Zeit und Geld. Seien wir also froh, dass es die dänische Originalausgabe noch immer gibt bzw. im Antiquariatshandel erhältlich ist.

RP, mit Deiner Vermutung hast Du Recht! "Polissoirs" zeichnen sich in der Regel durch sehr starke Schleifmulden aus. Nun findet man die auch an mobilen Schleifwannen durchaus respektabler Grösse. Aber das primäre Merkmal eines Polissoirs ist eben, dass er ortsfest ist. Dies wird entweder durch seine Natur als Bestandteil eines Ausbisses von Felsgestein oder durch eine derartige Grösse bestimmt, dass er nicht mehr ohne grösseren Aufwand zu bewegen ist!

Der dem Rheinland nächstgelegene veritable Polissoir ist jener von Slenaken in Niederländisch Limburg. Er befindet sich ungefähr 20 cm von der niederländisch-belgischen Grenze oberhalb eines heute 8-10 m tiefer liegenden Baches (SIC!) an dessen Prallhang!

Vor vielen Jahren hatte ich die Freude, von dem Geologen Werner Felder, Niederländischer Geologischer Dienst in Heerlen und intimer Kenner der Region, dorthin geführt zu werden. Es ist ein einzigartiges Gefühl, nach ca. 6000 Jahren über die Schleifmulden zu streichen, glaub mir!

Das gute Stück ist publiziert von Modderman in dem Katalog von Weisgerber, Slotta & Weiner "5000 Jahre Feuersteinbergbau", Bochum 1980 (korrigierte und erweiterte Auflage Bochum 1999). Ich weiss nicht, ob Du das Buch besitzt, aber für einen auf unserem Gebiet tätigen Rheinländer ist das  ein Muss!   

Wie dem auch sei:,Da - wie mir bekannt ist - Dein "Ampf" dieses einmalige Stück bestens kennt, würde ich den einfach "anhauen" und fragen, ob Ihr nicht einmal eine kleine Exkursion nach Slenaken machen könnt. Alleine würdest Du - und übrigens niemand sonst - das Kerlchen nie finden! Aber unter sachkundiger Führung...

Ich schreibe das, weil ich weiss, dass man an der Aussenstelle Nideggen des RAB die Betreuung von Sammlern sehr ernst nimmt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Sondengänger oder um sog. Privatsammler handelt. Also, RP, fragen kostet bekanntlich nichts!

Ach ja, bezüglich der Schleifwannen: Die sind schon W. Haberey aufgefallen, dem Mitautor der Publikation über Köln-Lindenthal. Und, wie nicht anders zu erwarten, gibt es einen Artikel dazu, den ich nur sehr empfehlen kann:

"Eine Polierwanne für Steinbeile aus Kottenheim, Kreis Mayen", BJB 152, 1952, 17-20.

Wichtig ist, dass der Autor einen kleinen Katalog weiterer rheinischer Schleifwannen zusammengestellt hat, natürlich auf dem Stand 1951!.

Hau auch hier wieder Deinen Ampf an, der besorgt Dir garantiert eine Kopie; könnte ich mir jedenfalls vorstellen, wenn ich bedenke, was er mir schon alles zugänglich gemacht hat!

Herzliche Grüsse und weiterhin spannende Funde KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Zitat von: Khamsin in 28. März 2008, 18:58:07

Ich schreibe das, weil ich weiss, dass man an der Aussenstelle Nideggen des RAB die Betreuung von Sammlern sehr ernst nimmt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Sondengänger oder um sog. Privatsammler handelt.


Das möchte ich auch ausdrücklich unterstreichen! Wer das Hobby wirklich seriös betreiben will, kommt nicht umhin mit den Archäologen vom Amt zusammenzuarbeiten. Und glaubt mir, es macht wirklich Spaß! Den Amtsschimmel haben die schon lange zu Sauerbraten verarbeitet.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert