Rijckholtklinge als Dechselklinge?

Begonnen von steinsucher, 05. Oktober 2007, 20:32:45

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steinsucher

Hallo Forum.

Es ist nun wirklich nicht meine Absicht mit meinem ersten Beitrag hier im Forum anzugeben. Es kommen bestimmt noch eine Menge dummer Fragen. Nachdem aber Khamsin dazu angeregt hat (er kennt wohl das Teil?) stelle ich es hier gerne vor.

Die Klinge wurde bereits im Sommer 1986 gefunden. Sie stammt aus der Teverener Heide (bei Geilenkirchen/Rheinland) aus einem nicht öffentlich zugänglichen Gelände (für mich seit drei Jahren auch nicht mehr).

Die Klinge ist 11,6 cm lang, 3,5 cm breit, 1,1 cm hoch und ca. 60 g schwer. Das besondere an der Klinge ist, dass der abgerundete "Schneiden"-Bereich geschliffen ist. Er ist auch heute noch ziemlich scharf.

Das Artefakt wurde im BJB Band 190 (1990) auf Seite 437 ausführlich vorgestellt. Der Autor geht davon aus, dass das Stück wohl in Form einer Querbeilschäftung in einem sog. Knickholm geschäftet worden war. Auf Grund aller Fakten ordnet er das Gerät in das Jungneolithikum (in die Michelsberger Kultur) ein.

Hoffentlich gefällt's.

insurgent

Hallo steinesucher  :winke:

Ein wirklich außergewöhnliches Stück :super:

Danke für's Zeigen, um mit Silex Worten zu sprechen :engel:

Schöne Grüße vom Insurgenten
Meine Bodenfunde werden gemeldet

Silex

Danke auch von mir, steinsucher. Den Schliff kann ich zwar nicht richtig erkennen ....
wurde vom "Weiner" auch eine Theorie zur Anwendungsweise angedacht (Zimmermannswerkzeug, Bootsbau...etc.)?
Ich hab mal einen Artikel von IHM gelesen ...über ein Steinbeil das hier in der Nähe gefunden wurde...und ich war baff was er noch aus so einem Stück herausdokumentiert.
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

steinsucher

Hallo,

fototechnisch ist der Beweis des Schliffs nicht ganz gelungen. Mal sehen ob es noch besser geht. Das ist für einen begabten Zeichner sicher einfacher hervorzuheben.

Ich werde mich mal mit den Menschen, die das "Kopierrecht" für den Artikel im BJB haben, in Verbindung setzen. Vielleicht darf ich dann den Text der Veröffentlichung als PDF-File hier zur Verfügung stellen. Sollte Jemand lauschen und mir das "Go" geben wollen - Email reicht.

FR

Khamsin

Salaam!

Also das hat ja wohl mit "Angeben" nichts zu tun! Ist doch ein in mancherlei Hinsicht hochinteressantes Stück, das man nun wirklich nicht jeden Tag sieht, Gratulation!

Und klar kenne ich das Stück. Jeder, der an Steinen Interesse hat, so auch an solchen aus dem Rheinland und der dann, wie ich, die BJB abonniert hat und die Fundberichte auch liest, sollte das Stück kennen. Allerdings eben nur als Zeichnung und nicht im Original.
Deshalb meinen verbindlichen Dank für die Bilder, FR!

@edi: Die Funktion, Schäftung, Datierung etc. solcher "Dechselklingen aus Feuersteingrundformen" wurden von J. Weiner in einem Aufsatz zusammenfassend präsentiert, der in der Festschrift für B. Gramsch zu dessen 65. Geburtstag im Jahre 1999 erschienen ist. Dort werden rd. 40 Exemplare aus Deutschland, den Niederlanden und Frankreich vorgestellt, darunter auch das hier von FR präsentierte Stück. Der Aufsatz ist ein kleiner Archäologie-Krimi.

Denn tatsächlich hat der Autor fast 20 Jahre lang solche Funde in rheinischen Museen, bei rheinischen Sammlern und schliesslich in der Literatur gefunden und dokumentiert. Dabei wurde ihm anscheinend klar, dass es sich um eine eigenständige Artefaktkategorie handelt, die noch nie geschlossen der Fachwelt vorgestellt worden war. Mittlerweile ist diese Geräteklasse etabliert, und es werden immer wieder Exemplare gefunden.

So auch von unserem RP, dessen Exemplar in "Arch. im Rheinland" vor einigen Jahren vorgestellt worden ist (hab diese Reihe auch abonniert; kann man nur empfehlen).

Zur Funktion: Die Stücke sind alle recht klein, so dass sie nur für relativ leichte Holzarbeiten in Frage kamen.

@FR: Vermutlich dürfte Dich der o.g. Aufsatz interessieren. Setz Dich doch mal mit J. Weiner in Verbindung (Adresse über RP). Der wird sich nach so langer Zeit bestimmt freuen, von Dir zu hören und Dir sicher gerne eine Kopie des Aufsatzes schicken; könnte mich mir jedenfalls gut vorstellen.

Also, nochmal Dank für die eindrucksvollen Bilder und beste Empfehlung KIS 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Servus Jungs!

Dat is ja 'n Dingen! Ihr werdet es kaum glauben, aber in meinem Zimmer hängt die Zeichnung von Steinsuchers schöner Dechselklinge seit einigen Jahren an der Wand. Und das kam so: wie der Sohn der Wüste weiter oben schrieb, sollte eine von mir aufgelesene Dechselklinge veröffentlicht werden, die hatten aber gerade keinen Steinezeichner beim RLMB. Also habe ich mich dran vergangen und als Vorbild die wirklich meisterhaft ausgeführte Zeichnung von Steinsuchers Fund aus den BJ als Vorbild genommen. Und jetzt sieht man das Stück in Live und Stereo!
Gratulation zu dem wirklich bemerkenswerten Fund! Ein solch fragiles Gerät in unbeschädigtem Zustand zu finden, grenzt an ein Wunder. Wie war die Fundstelle? Teverner Heide hört sich nicht nach Acker oder Lößboden an.
Das Ding sieht nach MK reinster Ausprägung aus. Gab es Beifunde? Bei meinen Aufsammlungen von MK-Artefakten habe ich noch nirgendwo einen Siedlungsschwerpunkt oder die typ. MK-Keramik mit "lederartiger" Oberfläche finden können. Es kommt mir vor wie ein weitmaschiges Netz über Quadratkilometer, wo an den Knotenpunkten ein MK-Gerät abgelegt wurde. Keine Fundhäufung in Tälern oder auf Hochebenen, einfach ein Fundschleier über dem Land.
Frech wie ich bin, habe ich die Zeichnung noch mal gescannt und stelle sie wie immer unautorisiert rein. Da kann man auch die Schliffpartien erkennen.



Noch mal Danke fürs Zeigen, beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Grenzton

Hallo.
Ist das nicht herrlich?
Der eine hat die Zeichnung und nach Jahren kommt der andere hinzu der das Original behütet.

Würde mir mal jemand verraten was "BJB" bedeutet?
Das hört sich nach einem Iinteressanten Magazin an...

Einen schönen Sonntagsgruß,  Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

steinsucher

#7
Zitat von: rolfpeter in 07. Oktober 2007, 09:53:53

Wie war die Fundstelle? Teverner Heide hört sich nicht nach Acker oder Lößboden an.
Das Ding sieht nach MK reinster Ausprägung aus. Gab es Beifunde?



Hallo Allerseits,

ein paar Bemerkungen zu den Fundumständen. Der Fundort befindet sich in kiesig-sandigem Gelände. Dort fällt das Gelände von einer Art Plateau (95m ü.NN.) in ein kleines Bachtal auf 82m ü.NN. ab. 1986 war der Hang frei und mit Heide bewachsen. Die Bundeswehr benutzte das Gelände zur Fahrausbildung mit teilweise grösseren Fahrzeugen. Solch eine tief ausgefahrene Spur zog sich nur einige Meter vom Fundort den Hang hinab (oder herauf?). In der Nähe befinden sich mesolithische Fundstellen, die, vor dem Schliessen des Geländes für die Allgemeinheit, ausgegraben wurden. Deshalb habe ich damals das weitere Umfeld des öfteren während der Mittagspause durchsucht. Als ich ca. 5m unterhalb des Plateaus zwei kleine Flint-Absplisse fand, habe ich mich dort hingesetzt. An der Oberfläche liegen auf dem ganzen Areal  graue Felsgesteinsbrocken herum. Einer schaute kaum aus dem Boden heraus. Als ich ihn anfasste, rutschte er weg. Das wars - war gar kein Felsgestein.

Weitere neolithische Funde sind mir nicht bekannt. Ich habe so lange dort nachgesucht, bis der Hang praktisch umgepflügt und mit Bäumen bepflanzt wurde. Man hat dann einen Zaun darum gezogen. Einige hundert Meter entfernt, ausserhalb des abgesperrten Geländes, befinden sich allerdings mehrere Fundstellen, aus denen einige Beilfragmente, eine Spitzklinge und ein wenig Michelsberger Keramik stammt.

Ausserdem wurden im direkten Umfeld wohl noch Anfang des vorigen Jahrhunderts neolithische Grabhügel beobachtet bzw ergraben (siehe: "Archäologie im Kreis Heinsberg I", Wilhelm Piepers, Karte Seite 422, Nr. 12 und 27).

Nachdem RP die Zeichnung des Objekts beigetragen hat und dieses Forum nicht total offen ist, stelle ich mal im Vertrauen darauf, dass das so in Ordnung geht, den dazugehörigen Artikel als PDF File zur Verfügung. Ich weise aber darauf hin, dass ein Nachdruck verboten ist und alle Rechte beim Rheinland-Verlag GmbH, Köln liegen.

Übrigens, "BJB" steht für "Bonner Jahrbücher"

Bis dann, FR

rolfpeter

Zitat von: steinsucher in 07. Oktober 2007, 13:59:11

Nachdem RP die Zeichnung des Objekts beigetragen hat und dieses Forum nicht total offen ist, stelle ich mal im Vertrauen darauf, dass das so in Ordnung geht, den dazugehörigen Artikel als PDF File zur Verfügung. Ich weise aber darauf hin, dass ein Nachdruck verboten ist und alle Rechte beim Rheinland-Verlag GmbH, Köln liegen.


Ich glaube schon, daß das so i.O. ist. Bin zwar kein Urheberrechtsexperte, aber wir nehmen, indem wir ab und an eine Seite mit Quellenverweis hier reinstellen, keinem Autor das ehrlich verdiente Brot. Vielleicht haben wir mit Grenzton sogar einen neuen Käufer für BJ gefunden.
Wer's anders sieht, möge mich belehren, ich bin trotz gehobenen Alters noch anpassungsfähig.  :prost:

beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Grenzton

Hallo Steinesucher.

Also die Teverner Heide ist ja echt ein Schmuckstück! :super:

Ich habe heute spontan mit meiner Frau einen Ausflug dorthin gestartet. Mit Rucksack und Picknick in der wunderschönen Heidelandschaft.
Ich konnte dort eine Reihe von Flintknollen aufsammeln die ich zur weiteren Verarbeitung gut gebrauchen kann (experimentelle Archäologie).
Mal sehen ob dieses Material besser als das Munsterländer ist.
In der nahegelegenen Sandgrube konnte ich einen 3x6 cm großen Abschlag, ein Pseudobeil und einen Feuerstein-Seeigel der "Marke" Hemipneustes sp. aus dem Maastricht der Oberkreide aufgesammelt.
Aber Dein Stück ist wirklich schön!!


@Rolfpeter.

Ja vielleicht!
Ich würde mir diese Jahrbücher nur gerne vorher einmal ansehen bevor ich sie erwerbe.


Gruß,  Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

rolfpeter

Servus Kalle,

die "Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums Bonn und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande", ja so fett ist der komplette Titel und so fett sind such die Bücher, kauft man vorzugsweise antiquarisch, weil neu ca 100 Euros teuer. Das sind noch richtig gebundene Bücher, hochqualitativ in Volleinen gebunden, Kundtdruckpapier, jeweils ca 700 Seiten stark. Wenn Du im Rheinland wohnst und Dich für Steinzeit interessierst, wäre als Einstieg z.B. der Band 179 von 1979 geeignet, da ist ein Doppelbericht über die neolithische Besiedlung der Aldenhovener Platte drin.
Im Internet suchst Du beispielsweise bei ZBAV.com, das ist eine Antiquariats-Datenbank, nach den Bonner Jahrbüchern. Wenn Du Glück hast, bist Du mit 25 bis 30 € dabei. Der Preis ist wirklich ein "Schnäppchenpreis". Vielleicht findest Du in ZVAB auch ein Antiquariatsgeschäft in Deiner Nähe, dann kannt Du Dir das Buch ja vorher anschauen.

Das Pseudobeil ist m.E. wirklich Pseudo  :zwinker:

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Grenzton

Danke RP für den Hinweis zum ZBAV,
darüber habe ich mir schon ab und zu mal Bücher bestellt, mir war nur der Begriff BJB nicht bekannt.
Ich komme aus dem Ruhrgebiet und fahre gern auch mal ein paar Kilometer, wenn's was zu finden gibt.
Und da ist die Aldenhovener Platte nicht allzuweit weg.
Die Felder in meiner Umgebung geben kaum, um nicht zu sagen, nichts her. :heul:
Das Münsterland ist zwar mit Feldern reicht ausgestattet, und es liegen Myriarden von Geschiebeflinte auf und in Ihnen, doch was handfestes wie bei Euch gibt es sehr selten.

Ja das Pseudo ist ein Geofakt, aber es war außergewöhnlich genug, um den Weg in meinen Rucksack zu finden.

Gruß,  Kalle

Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Der Wikinger

Hallo Leute  :-)

Das ist schon ein sehr, sehr interessanter Fund !!  :super:

Glückwunsch !!  :prost:

Erstaunlich auch, dass ich hier in DK einen morphologisch ähnlichen Fund gemacht habe.

Es handelt sich um einen sogenannten "dolkstav" Dolchstab, der in ein Beil umgearbeitet wurde, u.a. durch eine Schleifung, und zwar in der ganzen länge der Breitseiten.
Dolkstav ist glaube ich eine antiquerte Bezeichnung, und heute würde man es als Vorarbeit, oder Bruchstück eines grossen Dolches bezeichnen.
Das Stück hat eine Länge von 12,5 cm.
Die Schneide ist mit Sicherheit, wie auf deinem Stück rundlich gewesen ist aber beschädigt worden und nachher schräg geschärft.

Die Datierung ist Endneolithikum.

Hier einige Bilder davon:







:winke:


Silex

Zu eurer Spezialdebatte kann ich leider nichts beitragen....jedoch fühle ich mich bemüßigt agersoes Prachtstück auch meine außerordentliche Bewunderung zu zollen!!!
(Du hast ja richtig gewerkelt agersoe....am Ansatz des kleinen Fingers, noch im Handteller, ist deutlich eine Arbeitsschwiele zu erkennen...bei deutschen Lehrern ein seltenes Hautereignis)
schön , dass Du wieder da bist .... ferner Steinbeseelter
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Zitat von: Silex in 16. Oktober 2007, 20:36:58
Zu eurer Spezialdebatte kann ich leider nichts beitragen....jedoch fühle ich mich bemüßigt agersoes Prachtstück auch meine außerordentliche Bewunderung zu zollen!!!
(Du hast ja richtig gewerkelt agersoe....am Ansatz des kleinen Fingers, noch im Handteller, ist deutlich eine Arbeitsschwiele zu erkennen...bei deutschen Lehrern ein seltenes Hautereignis)
schön , dass Du wieder da bist .... ferner Steinbeseelter
Bis bald
Edi

------  :-D

... und danke, Edi !!  :winke: 

steinsucher

Hallo agersoe,

danke für Deine Bilder. Ich glaube. ich habe so ein komplettes Gerät aus dem Norden sogar schon einmal gesehen. Im "Germanischen Nationalmuseum" in Nürnberg liegt eine Sammlung aus dem Norddeutschen Ostseeraum, die wärend des "Dritten Reiches" dorthin befohlen wurde. Sie enthält eine große Anzahl großer Flintgeräte, Fischschwanzdolche, Sicheln usw. und dort habe ich, ziemlich sicher, schon mal so etwas aus dem Bereich gesehen.

Ist schon faszinierend, tschüssing,

Fritz

rolfpeter

Das ist aber auch ein sehr schönes Stück Agersoe!
Ist das Gerät auch aus einer geschlagenen Flintklinge hergestellt? Bei Steinsuchers Fund sieht man ja noch deutlich die gebogene Grundform mit dem hinterschliffenen Bulbus zu einer "aufgewippten" Schneide gearbeitet. Sowas läßt sich nur als Dechsel verwenden.
Dein Fundstück ist dagegen ziemlich gerade und könnte vielleicht auch parallel geschäftet gewesen sein - oder irre ich mich?.

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert