Klingenkern aus Lousberg-Flint

Begonnen von rolfpeter, 02. Oktober 2007, 17:25:14

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rolfpeter

Servus Freunde,

eigentlich darf es sowas gar nicht geben! Die Fachleute sagen, daß sich Lousberg-Flint nicht zur Klingenproduktion eignet. Dies hier ist aber m.E. eindeutig das Bruchstück eines Klingenkernes. Die Grundform der Planke ist aber für Lousberg auch außergewöhnlich dick: 55 mm zwischen den Cortexresten gemessen. Die Schlagfläche ist präpariert und man kann die herablaufenden Klingenbahnen gut erkennen.
Maße: 67*74*55 mm
Gewicht: 271g
Was meint ihr? ist das der Rest eines Klingenkernes?







Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

psearch

Hallo Rolfpeter,

die Merkmale (Abschlagbahnen, Bulbusnegative, Kiel, Auftreffpunkte) sprechen eindeutig für einen Klingenkern.
:prost: Herzlichen Glückwunsch zu dem Fund.

MFG PSearch

Silex

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

steinsucher

Hallo Rolfpeter,

klar, es handelt sich um einen Restkern von dem Klingen abgebaut worden sind. Es ist auch richtig, dass am Lousberg ein plattiger Feuerstein abgebaut worden ist, der diese Art und Größe von Kern wahrscheinlich nur selten möglich gemacht hat. Die Farbgebung gleicht allerdings eher dem Material, dass ich seit etwa 20 Jahren aus einer Stelle im Raum Geilenkirchen kenne und das nach Vetschau eingeordnet worden ist. Ist ja nicht so weit vom Lousberg entfernt. Von der Homogenität her ist es ähnlich. Es kommen fast alle Brauntöne vor, aber nicht das Violett vom Lousberg. Allerdings gibt es aus dem Stoff längere Klingen und große Restkerne. Meine Stelle stammt aus dem Mesolithikum (Mikrolithen usw.).

Ohne Gewähr,

FR

Silex

Grüße Dich, verblüfft und erfreut,  Steinsucher. Es klingt (etymol.: Klang beim Abtrennen einer Klinge vom Kern) nach mehr!
Bis bald


Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Servus Steinsucher,

ich denke schon, daß es ich um Lousberg handelt. Violettöne hat's zwar keine aber die charakteristische äußere braune Schicht, scharf abgegrenzt zum graubraunen Kern.
Am 3.11. ist das "Arbeitstreffen Steinzeit" im RLMB, da treffe ich J. Weiner, der hat den Lousberg ausgegraben, dem zeige ich dann den Stein. Danach werden wir wohl Gewißheit haben, um was es sich handelt.

Steinsucher, warum stellst Du nicht auch einige Funde von Dir ins Forum? Würde mich wirklich interessieren, was sonst noch hier in der Gegend gefunden wird!

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

steinsucher

Hallo Rolfpeter,

gute Idee, wenn jemand den Lousberg kennt, dann Jürgen Weiner. Ich habe ihn Anfang der 90er kennengelernt und er hat damals die Vetschau-Artefakte begutachtet und mir viel über Feuerstein beigebracht. Da hatte ich überhaupt keine Ahnung, dass es Unterschiede beim Flint gibt. Er hat meine damalige Sammlung durchgesehen, nachdem ich ihn in Bonn mit Fragen gelöchert hatte. Er hat auch ein Objekt von mir in den Bonner Jahrbüchern veröffentlicht. Leider hat es bei mir dann 15 Jahre "gehakt". Ich fange jetzt langsam wieder an Felder abzugehen. Bestell ihm bitte schöne Grüße aus Heinsberg von F. Reinecke.

FR

rolfpeter

Mach ich doch gerne!
Bessere Idee, komm doch persönlich nach Bonn. Ich war im letzten Jahr auch schon dort und es war eine sehr lohnenswerte Veranstaltung!
Schicke mir mal eine email, (der kleine Briefumschlag unter dem traurig dreinschauenden Hund links), dann schicke ich Dir das Programm, bin sicher, daß es Dich interessieren wird!
Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Salaam!

Wenn sich einer mit Lousberg-Flint in diesem Forum auskennt, dann ist das RP. An seiner Materialzuweisung dieses Artefaktes ist nicht zu zweifeln.

Und steinsammler hat´s ja schon richtig pointiert; was sollte das anderes sein, als ein Klingenkern?
Wobei damit zugleich wieder ein schönes Beispiel für die alte Erkenntnis vorliegt, dass die Ausnahme durchaus die Regel bestätigt. Und die Regel ist, dass aus Lousberg-Flint eben keine Klingen hergestellt worden sind. Ich kenne nur einen Lamellenkern aus Lousberg, der von J. Weiner im Jahre 1984 in einem kleinen Katalog zur Ausstellung im Aachener Stadtmuseum Burg Frankenberg beschrieben und abgebildet worden ist.

"Die Fachleute sagen, daß sich Lousberg-Flint nicht zur Klingenproduktion eignet." Dies lässt sich nicht ganz aufrecht erhalten.

Denn, es war H. Löhr, der in seinem noch immer sehr lesenswerten Aufsatz "Zur Verbreitung von Feuerstein aus den Bergwerken in der Umgebung von Maastricht in Deutschland" im 2. Band der Proceedings Intern. Flint Symposium Maasricht 1975, 95-97 schrieb:

"Seine (Lousberg-Flint, KIS) geringe Bedeutung während des donauländischen Neolithikums (d.h. vor allem der LBK, KIS) lässt sich daraus erklären, dass diese hauptsächlich die Erzeugung von Klingen anstreben, die man nur schwer in der gewünschten Grösse aus den Platten gewinnen konnte" (ebd. 96). "Nur schwer...gewinnen" heisst nicht "gar nicht gewinnen können".

Der m.E. ausschlaggebende Grund, warum Lousberg-Flint im Alt- und Mittelneolithikum nicht zur Klingenherstellung verwendet wurde, hängt mit der Herstellungsmethode und -tradition von Klingen in diesen Perioden zusammen. Klingen wurden seinerzeit von Kernen gewonnen, die nachgerade immer eine konische Form aufweisen und natürlich eine gewisse Mindestlänge aufweisen müssen. Gewiss erlauben nicht wenige Platten aus Lousberg-Flint den Abbau von Klingen alt- oder mittelneolithischer Standardmasse. Was sie jedoch nicht erlauben, ist die Präparation von Kernen mit weitestgehend umlaufender Abbaufläche, die als Restkerne dann immer konisch geformt sind. Und das liegt an der relativ geringen Dicke der Lousberg-Platten. Es ist also die Dicke des Ausgangsmateriales, das die LBKler und die Rössener zur Zurückhaltung veranlasst hat. Dagegen erlauben die Dimensionen von Knollen aus Rijckholt- und Rullen-Flint die über Jahrhunderte gepflegte Tradition des Abbaus von konischen Kernen! Ein, wie ich meine schönes Beispiel für den bekannten Grundsatz "Never change a winning team!"

Im anschliessenden Jungneolithikum wurde Lousberg-Flint nicht zur Klingenherstellung verwendet, weil zu dieser Zeit Grossklingen in Mode gekommen waren, die sich in der Tat nicht aus Lousberg-Platten herstellen liessen, weil diese einfach zu klein waren.   

Andererseits ist Lousberg-Flint von seiner Textur her besonders zäh. Dies und seine Form in handlich kraquelierten Platten machten ihn für die Herstellung von Beilklingen extrem geeignet. Das geschah aber erst im spätesten Jungneolithikum (MK), denn vorher wurde Rijckholt-Flint favorisiert. Die Blütezeit des Lousberg-Flints lag im Spätneolithikum.

Auch im Endneolithikum dominieren Grossklingen, so dass auch in dieser Zeit keine Klingen aus Lousberg-Flint hergestellt worden sind.

Der schöne und ausgesprochen seltene Fund von RP zeigt uns aber erneut, dass die sich in der Steinzeit nicht um die Erkenntnisse der heutigen Archäologen geschert haben. Wer weiss, vielleicht haben sich zwei Jungs damals nur einen Spass gemacht, und einer hat zum anderen gesagt: "Weisst du was? Ich mach jetzt mal ein paar Klingen aus diesem Stück Lousberg-Flint. Die Archäologen werden dereinst mal ganz schön blöd aus der Wäsche gucken, was meinst Du?".

@steinsammler: Bei dem von Dir erwähnten, seinerzeit von J. Weiner in den BJB veröffentlichten Stück von Dir sollte es sich um eine langschmale Rijckholtklinge mit Schliff am Ende handeln, oder? Wenn das stimmt, dann solltest Du es mal RP zeigen, den dürfte es mächtig interessieren. Oder mach doch mal ein Bild davon, und stelle es ins Forum ein, zur Freude aller.

Beste Grüsse KIS

"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Servus Freunde,

Dank für die ausführlichen Darlegungen, mein Erkenntnisstand ist wieder ein bisserl größer geworden!
Ich werden den Stein auf jeden Fall mit nach Bonn schleppen und dort erkennungsdienstlich behandeln lassen.

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert