Kraquelierter Kratzer?

Begonnen von nox, 23. August 2007, 07:51:10

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nox

Moin,

nach dem ich http://www.sucherforum.de/index.php/topic,25464.0.html gelesen hatte, habe ich mich gewundert, wie sowas denn aussieht. Nun denke ich, selbst ein Werkzeug gefunden zu haben, das im Feuer geglüht hat.

Das Stück ist ein Urlaubsmitbringsel von der Ostsee. Die vermutliche Arbeitskante ist sehr steil und völlig zerbröselt. Ein solches Werkzeug habe ich nirgendwo in der Literatur gefunden. Weiß jemand. was das war, welche Kultur es hergestellt hat und wie es heißt? Danke!

nox

Offa

Moin Nox,
das ist ein Abschlagkratzer.Vollständig ausgeglüht ist das Stück nicht,dann wäre es durchgehend weiß.Aber die rissige Struktur weist darauf hin,das das Stück einen gewissen Grad an Hitze ausgesetzt war.
Die Datierung von Schabern/Kratzern ist ohne Begleitfunde schwierig,da es ein Werkzeugtyp ist,der über die gesamte Steinzeit produziert wurde.
:winke:Offa

nox

Moin Offa,

danke für die schnelle Antwort :-)! Kannst Du sagen, ob die zerbröselte Arbeitskante eine Folge des feuers ist, oder ob sie einfach auf war? Komplett geglüht oder nur sehr heiß geworden - egal. Sieht interessant aus!

Abschlagkratzer is ein prima Stichwort, ich habe damit u.a. die Datei http://dendro.de/Unterwasserarchaeologie/NAU%209/Luebke.pdf gefunden.

An dieser Stelle habe ich noch 2 Werkzeuge/-fragmente und einige Abschläge gefunden (teilweise scharfe Kanten, aber unregelmäßige Form; also bestenfalls das, was mein Archäologe als 'Wegwerfwerkzeug' bezeichnet). Die beiden Werkzeuge hänge ich dran.

Eins ist wohl ein Teil einer Klinge. Auf jeden Fall wirkt die rechte Kante auf beiden Seiten etwas poliert und ist deutlich glatter als auf der anderen Hälfte. Die gerade, kurze Kante ist wohl eine Bruchstelle, und zusammen mit den 'polierten' Flächen sieht das für mich aus, als wäre dieses Stück länger gewesen, als es erstmals benutzt wurde.

Das zweite sieht nur an der linken Längskante retuschiert aus. Scharf ist es da nicht, aber eine Fingerschutz-Retusche ist es auch nicht. Ist das ein Messerchen? Oder ein Messer-Zinken-Stichel-Kombiteil?

Hoffentlich taugen die beiden kleinen zur zeitlichen Einsortierung.

Danke für Kommentare und Infos :winke: .

Offa

Das erste ist ein B-Klingenfragment.Halte das Stück doch mal ins Sonnenlicht,und schaue,ob die von dir beschriebene polierte Kante im Sonnenlicht fettig glänzt.Wenn ja,dann ist es sog. Sichelglanz.Der ensteht beim Schneiden von kieselsäurehaltigem Getreide.
Das zeite Stück ist wohl nur ein Klingenabschlag.
Ansonsten sieht es dem,was ich hier so in Ostseenähe  finde sehr ähnlich.Neolitikum könnte gut zu den Stücken passen.
Vielleicht hat ja noch jemand was zu deinen Stücken anzumerken.
:winke:Offa

nox

Ja, die Kante glänzt etwas fettig. Sichelglanz habe ich schon gesehen, so stark ist es nicht wie bei den Schaustücken, die ich kenne. Sichelglanz würde Landwirtschaft und damit Neolithikum bedeuten? Was ist eine B-Klinge, bzw. ein B-Klingenfragment? Ein Stück minderer Qualität? Ich habe die Kamera gewechselt und füge ein Detailfoto bei. Übrigens glänzt der ganze Bulbus auf der Rückseite auch etwas - das spricht dann wohl gegen einen Sichel-Einsatz?

Sind Klingenabschläge nachträglich bearbeitet? Ich füge auch hier ein mit einer andere Kamera produziertes Detailfoto bei. Diese Kante sieht für mich retuschiert aus. Die ganze Oberfläche glänzt auch etwas stärker als die der auch für mich eindeutigen Abschläge und Zufallsprodukte.

Offa

Es gibt A,-und B-Klingen das hat aber nichts mit der Qualität zu tun.Auf einer A-Klinge hast du einen Mittelgrad und zwei Abschlagnegativbahnen.Auf einer B-Klinge sind zwei Mittelgrade mit 3 Abschlagnegativbahnen zu sehen.Der Glanz kann ja auch Windschliff sein.
Klingen wurden auf vielfältige Weise retuschiert,es gibt Klingen mit partieller Retusche,Rückenretusche,gerader,schräger und konkaver Endretusche und es gibt auch noch Klingenkratzer meist aus großen B-Klingen.
Ob ein Bulbus gegen einen Sicheleinsatz spricht,kann ich nicht sagen.Ich selbst habe erst einen Sicheleinsatz ohne Bulbus gefunden.
Das Detailfoto zeigt eindeutig Retuschen.
:winke:Offa

Silex

Servus, nox und offa,
Die oben beim Kratzer sich zeigende bröselige Zerfallserscheinung ist auch bei meinen getemperten Fundstücken  üblicherweise zu sehen.
Offa hat schon vieles geklärt...
Die Detailaufnahme der Superretusche stammt wohl von der als "Stichel" genannten Klinge?
Jedoch kann ich  vom Foto her nicht erkennen ob es  eine kratzerähnliche, Fingerschutz-, oder Einsatz-Retuschierung ist (Kratzer, Messer, oder Sicheleinsatz).
RP und agersoe  haben da mehr Ahnung und werden die SACHE schon einkreisen
Danke für die schönen Funde,

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo Leute  :-)

Erstmals zum Klingenfragment.
Mir sieht das sehr wie ein Sicheleinsatz aus. Die Gesammtlänge wird wohl, als er ganz war, so etwa 5-6 cm gewesen sein, typisch für kleine Sichelklingen, Erntemesser.
Der Sichelglanz (Gloss) finde ich auch ausgeprägt genug, um diese Behauptung zu untermauern.

Beim zweiten Abschlag würde ich mal bessere Detailaufnahmen benötigen, um etwas definitives sagen zu können.

Der Abschlagskratzer mit Feuereinwirkung ist, wie Offa ganz richtig sagt, schwierig zu datieren, jedoch würde die Tatsache, das keine Kantenretuschen vorhanden sind, eine frühe Datierung andeuten. Spätmesolithikum oder eher Frühneolithikum.

:winke:

rolfpeter

Servus  :winke:

Es ist eigentlich schon alles gesagt.
Ganz klar ist das proximale Klingenbruchstück ein Erntemessereinsatz. Die winzigen Ausbrüche ergeben sich bei der Schneidearbeit, sind also nicht intentionell hergestellt. Wenn man mit dem Finger längs über die Kante fährt, spürt man bei Kanten mit Sichelglanz die im Mikrobereich verrundete Form. Um eines klarzustellen: Das allerbesten schneidet eine frisch geschlagene Klinge. Ich habe auch noch keinen Erntemessereinsatz gesehen, bei dem nachretuschiert wurde. Bei den endneolithischen Sicheln, die in meiner Gegend äußerst selten sind, ist das anders. Das sind in ihrer Ursprungsform wirklich sichelförmige Geräte. Und die wurden bei Bedarf bis zum Gehtnichtmehr nachretuschiert.
Beim retuschierten Gerät auf dem 2. Bild kann ich auch nicht weiterhelfen! Es gibt zwar Fachleute, die in jeden retuschierten Abschlag eine Bedeutung hineininterpretieren, ich als Laie bin da vorsichtiger. Bin weder urgeschichtlicher Bauer, noch Fischer, bestimmt auch kein Jäger. Allerdings wäre es für mich durchaus nachvollziehbar, daß ein Mensch für eine bestimmte Aufgabe ein "Ad hoc - Gerät" bastelt. Mache ich nämlich auch so! Material war genug da, der Retuschierstab war im Beutelchen und in 3 Minuten ist das Dingsbums fertig.

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

nox

Hallo  :-),

Abschlagskratzer mit Feuereinwirkung: Danke für den Datierungsversuch - das klingt interessant. - Aus dem Zustand der Arbeitskante läßt sich also nicht schließen, in welchem Zustand er war, als er Feuer ausgesetzt war?

Klinge: Ich hatte gedacht, ein ganz polierter Bulbus spräche gegen einen Sicheleinsatz, weil dann ja ein Teil in dem Holz verschwunden sein müßte, in das er eingesetzt war und somit keinen Sichelglanz abbekommen hätte. Ansonsten ist der Unterschied zwischen polierter und rauher Fläche wirklich sehr deutlich. A/B-Klinge  - ahjetztja :-).

Abschlag / Stichel / Klinge: Ja, daher stammt die Detailaufnahme der Retusche oben. Ich habe nochmal ganz neue Bilder gemacht. Ganz links eine Draufsicht auf die vermutlich retuschierte Kante. Es ist die gradere Lateralkante, die Retusche läuft über die obere Hälfte (auf allen Fotos oben). Sie steht in einem Winkel von etwa 45° zur rückseitigen Fläche, eher etwas weniger. Sie ist so spitz, daß ich nicht an eine Fingerschutzretusche glauben kann. Kommt eine stumpf gegnaddelte Schneide in Betracht? - Gewundert hatte ich mich auch über die 'Nase' rechts unten und dachte, daß das etwas zinkenartiges sein könnte.
(Als ich das oben geschreibene abschicken wollte, hat rolfpeter noch geantwortet. Klingt logisch, Dein Beitrag :)

Danke an Euch vier  :cool1: .

Silex

Schön..wie das hier "zugeht"...
Das letzte Stück verwundert mich mit seiner seltsamen Basis..die mich sehr an die einer Pfeilspitze erinnert...vielleicht eine Sonderform....die Größe würde auch passen...aber das sind Phantastereien...
Am ehesten nachvollziehbar (bezüglich meines beschränkten, lokalen  Silexhorizontes) wäre eine Klinge mit  Fingerschutzretusche.
Eine Art Rückenmesser...????
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

nox

Moin,

dann phantasiere ich auch noch ein bißchen ... so eine Basis mit den beiden 'Dellen' habe ich irgendwo schon mal gesehen, fiel mir gerade ein (als Schäftungsbasis für ein dünnes, vorher mittig gebrochenes Beil). Ob das ein geschäftetes Messer war? Das würde auch die merkwürdige Zunge rechts unten erklären (würde auf jeden Fall das Festbinden erleichtern). Die retuschierte Kante ist zu steil, um als Fingerschutzretusche durchzugehen, denke ich. Eher eine stumpf gewordene Messerschneide.