Facettierter Sandstein

Begonnen von rolfpeter, 08. Juni 2007, 21:40:23

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rolfpeter

Servus Freunde,

diesen Stein habe ich auf einer vermutlich altneolithischen Siedlungsstelle aufgelesen. Das Material ist Sandstein, wie er auch für die Schiebermühlen verwandt wird. Es ist leider schwierig zu fotografieren, aber mit etwas gutem Willen kann man erkennen, daß die gesamte Oberfläche aus plangeschliffenen Fazetten besteht. Wer schon einmal einen neolithischen Hämatitstein gesehen hat, wird die Ähnlichkeit bemerken.
Vom Roteisenstein ist bekannt, daß ihn unsere Vorfahren auf Reibsteinen zermahlen haben, um daraus Farbe, Schminke, Sonnenschutz, Zauberpulver oder was auch immer zu gewinnen. Aber was könnte der Grund sein, einen gewöhnlichen Sandsteinbrocken zu auf diese Art zurechtzuschleifen?
Ihr wißt es bestimmt, ihr Steinmeier!

Die Bilder:







Besten Dank für alle sachdienlichen Hinweise!
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

da muss ich leider die Flügel strecken,  mein treuer  und beständiger RP.  Also phantasiere ich ein wenig:
Facetten könnten höchstens zur willentlichen Veränderung der Gesamtform angedacht werden- oder wenn das Material inhomogen wäre um dadurch an bestimmte   Gesteinsmehle (Magerungsmittel etc.- wie Du schon aufgezählt hast-  in Hinsicht auf Hämatit) zu gelangen.
Oder  um durch die Formgebung an bestimmte Stellen besser hinzukommen.
Denkbar wäre auch eine differenzierte  Körnung an den verschiedenen Oberflächenplana.
Also ein 100 er 200 er und 500er Abrasionsfaktor.
Man müsste das Teil in der Hand halten um an den Kanten eine Nach- und Nachbenutzung  oder eine Gleichzeitigkeit erahnen zu können.

Wenn Du die Flächeninhalte der Facetten berechnest und in den ursprünglich, prähistorisch angedachten Zusammenhang bringen kannst bist Du vielleicht im Besitz der Weltformel. Der "Stein der Weisen"?
Ein erster Spielwürfel?
Nichts ist zu blöd um an Geheimnisse heranzukommen....hab ich gelernt....
Zumindest ein denkwürdiges Teil
Mich würde  dieFunktion auch brennend interessieren.
Wenn Du was weisst... ich bin dankbarer Entgegennehmer
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Salaam Ihr Aufrechten!

LBK-Herkunft völlig ok. Kennt man durchaus, aber nicht unbedingt häufig. Die Stücke sind immer "handlich", und Ihr wisst, wie vorsichtig ich bei solchen Bezeichnungen bin, aber hier ist sie angebracht. Die Form erklärt sich leicht, wenn man sich nach der Entstehung der Facetten fragt.

Selbstverständlich hat hier niemand versucht, einen "Rohdiamanten" zu facettieren; intentionelle Formgebung ist auszuschliessen. Die Form ist das Ergebnis der reibenden Tätigkeit mit dem Ding. Von daher ist es terminologisch als "Reibstein" zu bezeichnen. Dabei muss die Oberfläche längeren und intensiven Kontakt (stärkerer Druck) mit einem ebenfalls steinernen "Unterlieger"/Reibschale gehabt haben, denn sonst wäre es nicht durch die Abrasion zur Facettenbildung gekommen.

Was man damit gerieben hat? Keine Ahnung, aber eines ist z.B. gewiss: Hämatit war sehr beliebt und wurde ständig benutzt. Schliesslich nutzten auch dickste Brocken - und es gibt welche mit mehreren Kilogramm Gewicht - ab, und sie wurden immer kleiner und unhandlicher, um sie mit blosser Hand abzuschleifen. Ergo gibt es die Hypothese, dass man z.B. solch kleine, aber noch immer wertvolle, weil brauchbare Roteisensteinbröckchen in einer Art Mörser unter Nutzung eines Reibsteines pulverisiert hat.
Klar kann man auch andere Materialien damit zermahlen, z.B. Grus von Muschelschalen für die Gewinnung weisser Paste zur Inkrustation... Im Gegensatz zu den roten Hämatitspuren, die sich an Reibsteinen erhalten können, haben kalkhaltige Spuren im enthalkten Lösslehm keinerlei Chance, auf uns zu kommen.

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Danke für die ausführlichen Erklärungen!

Die Fundstelle habe ich vor 2 Wochen entdeckt. Das Inventar sieht in der Tat recht LBK-verdächtig aus: Mahlsteinbruchstücke, Klopfkugeln aus Feuerstein, Kernsteinreste, Kratzer, unverzierte Keramik, Abschläge - aber nicht der geringste Rest eines Dechsels aus Felsgestein! Die Stelle, vermutlich in der Nähe eines ehemaligen Bachbettes ist reich an Eisenoxyd. Auf manchen Steinen finden sich Eisenausfällungen, der Feuerstein ist überwiegend von dunkelbrauner (patinierter?) Farbe. Ich habe ein Klingenbruchstück durchbrochen, der gesamte Körper ist braun eingefärbt.
Kann es sein, daß sich der Feuerstein milieubedingt in den vielleicht 7000 Jahren vollständig braun gefärbt hat?
Gibt es frühneolithische Kulturen, die keine Felsgesteindechsel benutzt haben?
Hier sind einige ausgewählte Artefakte, um einen Eindruck des Inventares zu vermitteln:

Handelt es sich bei den unteren mittleren Steinen vielleicht un Pfeilspitzen? Die braune Spitze ist basal retuschiert und die hellere hat randliche Retuschen am Distalende. Beide Stücke sind aus kleinen Abschlägen hergestellt, allerdings in der Dicke nicht reduziert, also noch 7mm dick.







Denkt doch bitte noch mal drüber nach.

Dank und beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert