Schaftglätter, Schaber und Konsorten?

Begonnen von Grenzton, 27. April 2007, 23:02:31

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Grenzton

Ein weiteres kleines Stück erregte meine Aufmerksamkeit am "Bandscheibenwochenende"
Habe Ihn mal nachgefertigt und angewendet. Damit lässt sich sehr leicht frische Rinde von Ästen entfernen.
Ähnliche Teile habe ich hier auch schon mal gesehehn.

Gruß,  Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

könnte dies ein Kratzer oder eine Pfeilspitze sein?
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

Und diese Klingen.
Soweit ich mich bisher informieren konnte, dürften die Sedimente aus dem Spätpaläolithikum/Mesoltihikum (Saale-Postglazial).
Vielleicht hat da noch jemand einen Tip.
Hat jemand weiter Informationen über das südliche Münsterland?

Gruß,  Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Silex

Servus Grenzton,
Es gibt trotz langjähriger Forschung wenige Geräte der Steinzeit deren genauer Verwendungszweck  explizit nachempfunden werden kann. Das fängt beim Faustkeil an und endet irgendwo bei seltsamen , scheinbar erforschten, Spezialgeräten. Die retuschierte Bucht kann je nach Ausformung und Radius  Pflanzenfasern, Äste, Fingernägel , Horn, Knochen ,vielleicht sogar Haare und Bart gestylt haben.
Bei Kulturen mit derartiger Kontinuität sind uns viele  (fast alle) Deutungsmöglichkeiten quasi von Grund auf  "versperrt".
Töten, Kratzen, Schaben, Schmirgeln,  Entrinden, Spitzen, Kürzen, Schleifen, Polieren, Schneiden, Aufrauhen, Sticheln...etc.   und das für  hunderte von verschiedenen Materialien... das erforderte eine enorme, potenzierte Vielfalt an Geräten.  Vielleicht ist ja auch mal ein Zeckenentferner dabei..... den hätte ich heute gebraucht.....
Wenn wir genau wüssten was das alles ist..... würden wir vermutlich gar nicht suchen.... es sind eben Spuren aus einer sehr fernen Welt....
Vielleicht ein  Astglätter..... wenn er funktioniert....  und für sonst nichts Besseres.
je länger ich mich mit dieser "Welt" beschäftige desto geheimnisvoller wird sie.
Meint
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Salaam!

Wie gut kann ich mich noch an Zeiten erinnern, in denen randlich aufgereihte Absplissnegative an Flintstücken, egal welcher Grösse, vor allem aber in Buchtform, für mich selbstverständlich Belege für intentionelle Retuschierung waren. Und wie viele spitzovale oder dreieckige Flintstücke mussten - nachgerade zwanghaft - als Pfeilspitzen herhalten! Natürlich die kleineren, denn die grossen waren alle Faustkeile, was sonst?!

Und natürlich machte ich mir Gedanken über die Verwendungszwecke dieser Funde, unter denen übrigens auch nicht selten richtige Artefakte waren. Und da ich noch keinerlei Ahnung von prähistorischen Pfeilschäften und einfachsten Möglichkeiten dieselben z.B. zu entrinden hatte, stolperte ich selbstredend in diese einfache Interpretationsfalle.

Damals hatte ich von sog. Schlagmerkmalen (besser Zurichtungsmerkmalen) und vor allem deren Kombinationen auf Artefakten keinen blassen Schimmer. Und wie war ich sauer, wenn jemand mit skeptischer Mine meine damaligen Ausführungen auch nur im Entferntesten zu bezweifeln wagte!

Dies war meine "Fred Feuerstein-Phase", unschluldig, nach Kräften bemüht und gefangen in mir selbst! Es könnte sogar sein, dass ich in dieser Phase von der Gleichzeitigkeit von Sauerier und Menschen überzeugt war.
Zu allem Unglück stolperte ich dann eines Tages über ein Buch von Alfred Rust, Über Waffen- und Werkzeugtechnik des Altmenschen (Neumünster 1965), in dem es von Nasenschabern und ähnlichen Konstrukten nur so wimmelte. Und etliche davon hatte der berühmte Rust auf Sylt gefunden, vor meiner Haustüre. Ich also raus ans Weisse Kliff, und hast Du nicht gesehen, schon kullerte mir mein erster Nasenotto vor die Füsse. Weitere sollten folgen, und zwar links- und rechtshändige - nach Rust!
Das mussten uralte menschliche Werkzeuge sein, zum Entrinden etc., und Rust beschrieb auch, wie die seinerzeit gehalten wurden, in haarigen groben Händen, mal rechts, mal links!

Sicher, was mir zu dieser Zeit nicht klar war: Rust befand sich schon im Stadium der Altersstarrheit später Jahre, war mittlerweile völlig abgedreht und tickte nur noch in Richtung "Archäolithen". Das hatte nichts mehr mit seinen bis heute bahnbrechenden Ausgrabungen und Untersuchungen in Yabrud in Syrien zu tun!

Dann aber, in den späten 1960er wurde ich zufällig mit einem anderen Buch konfrontiert, Francois Bordes, Faustkeil und Mammut (1968). Und natürlich suchte ich die Nasenklamotten - vergeblich!
Statt dessen fand ich eine umwerfende Fülle von anderen Steinartefakten, und zwar zeitlich gegliedert und wunderbar beschrieben.
Heute weiss ich, dass mich dieser Zufall davor bewahrt hat, Mitglied der gar nicht so kleinen und der archäologischen Realität völlig entrückten Gruppe von Gläubigen, nicht aber Wissenden zu werden. Wem auch immer da oben, mein verbindlicher Dank!

Was das mit den hier geposteten Funden von Grenzton zu tun hat? Nun, es ist wieder mal ein Plädoyer fürs Studium der richtigen Literatur, nicht mehr und nicht weniger. Dies unbeschadet der wunderbaren Möglichkeit, sich hier im Forum mit Informationen zu versorgen. Mehrgleisig ist immer gut!

Das erste Stück zeigt Aussplitterungen, ob intentionell oder natürlich steht m.E. dahin.
Das zweite Stück erinnert mich schwer an einen mittelpaläolithischen Abschlag (Patina).
Das dritte Stück könnte evtl. ein intentioneller Abschlag sein, kann aber auch natürlich sein (was ich eher glaube). Eine Pfeilspitze ist es gewiss nicht.
Die weiteren Stücke könnten spätpaläolithisch sein.

Grenzton, verständlicherweise bist Du z.T. noch in der Fred-Feuerstein-Phase. Überhaupt kein Problem, das ging wahrscheinlich den meisten von uns so (s.o.). Viel wichtiger ist, und das zeigt Dein nicht nachlassendes Interesse, dass Du auf dem richtigen Weg bist. Das ist die Hauptsache.

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

psearch

Hallo Khamsin,

dieses Ding mit den rechts- und linkshändigen Artefakten hatten wir bei einigen unserer Heimatforschern auch .... da war wohl der Wunsch, die Heimatforschung mit steinzeitlichen
Artefakten zu beglücken, Vater des Gedanken, und offensichtliche Geofakte wurden in den Stand der Artefakte erhoben .... . Auch die Mär mit dem "schwer spalt- und bearbeitbaren" Rohmaterial musste herhalten. Aber Schlagbuckel, Wallnerlinien, Radialstrahlen, Schlagflächen treten auch bei solchen Materialien auf (wie ich durch eigene Experimente feststellen konnte), zwar nicht so schon wie beim Feuerstein, aber immerhin. Bezüglich den Retuschen muss ich sagen, das die Pflüge hier reine Meister sind, beim Abschläge machen auch.
Da hilft nur die Beurteilung der Oberfläche weiter .... . Letzten sagte ein Landwirt zu mir : "Ja, da drüben habe ich Stücke gesehen, die gut in der Hand liegen".  Ich glaube es liegt in der Natur von Steinen, gut in der Hand zu liegen. Darum ist ja auch die Steinzeit die längste der bisherhigen Zeitalter  :irre:  :irre:  :irre: :narr: .

MFG Psearch (auch auf Regen hoffend, bei dem Staub sieht ja man nichts)

rolfpeter

Danke KIS,
Du schreibst mir ja sowas aus der Seele! Das mußte mal gesagt bzw. geschrieben werden.
Nochmal verbindlichen Dank
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

wühlmaus

Ja dem Rust seine linksdrehenden Quarzit-Nasenlochschaber ... Von denen hab ich vor einigen Monaten, beim Umzug meiner Eltern, noch eine ganze Apfelsinenkiste voll entsorgt ....  :narr:
Ich bin froh, dass ich nicht in einem der klassischen Flintgebiete Zuhause bin. Bei uns gibt es nur eine Sorte natürlich anstehenden Flint und der ist relativ "anfängersicher", dh. Pseudogeräte sind, aufgrund der Form unserer "Maaseier" fast unmöglich ...

Allerdings muß ich auch sagen, dass ich als Laie den Zugang über die Fachliteratur nur sehr schwer gefunden habe. Das kann ich heute (und ich bin nun wirklich kein Experte, aber immerhin ein "Erfahrener") immer noch gut nachvollziehen. In der Welt der Publikationen überwiegen einfach die Zeichnungen der "Rosinchen aus dem großen Kuchen". Abgebildet werden meist 100% sichere Geräte, bzw. Kerne. Aber welchen Prozentsatz machen die beim wirklichen Fundgut aus? Ich glaube ihr merkt schon worauf ich hinaus will: Die Realität auf den Äckern sieht einfach anders aus. Wenn wir nach Artefakten suchen kann es gut passieren, dass wir mit zwei dutzend sicher menschlich bearbeiteten Steinen nach Hause kommen, aber keins davon ist ein sicheres Gerät. Das kann am Anfang massiv irritieren... und wenn man dann auf einen Terminus wie Gebrauchsretusche stößt, ist die Verwirrung perfekt ...  :irre:

Was mir persönlich sehr geholfen hat, waren (damals gabs noch keine PCs geschweige denn Internet) Gespräche mit Archäologen und einem sehr versierten Sammler. Die waren einfach unbezahlbar.
Heute weiß ich, dass die Geduld, die diese Menschen für mich aufbrachten, zu einem Teil darin begründet war, dass sie selbst wußten, wie schwierig der Einstieg in die Materie ist und zum anderen darin wurzelte, dass sie bei mir ein klares "lernen und verstehen wollen" erkannten. Die Beschäftigung mit so fernen Zeiten, wie der Steinzeit, ist eigentlich ein einziger Erkenntnisweg, der beim Anfänger mit kleinen Schritten beginnt und niemals aufhört (auch nicht bei den Experten!). Deshalb bin ich froh, dass es zB dieses Forum hier gibt, denn es gibt immer einen Grund zum gegenseitigen Austausch.

:winke:
Gerd

Grenzton

Hallo liebe Forumsgemeinde.


Um zuerst mal auf den Herrn Rust zu kommen; das waren in der Tat meine ersten Bestimmungsbücher und ich wunderte mich schnell über den Monolg der "Nasenschaber" da ich sie sonst nirgens wiederfinden konnte.
Zum Thema das nicht gleich ein Stück Flint ein Artefakt ist das man findet; ich bin seit fast 40 Jahren Fossiliensammler und kenne mich in diesem Bereich ganz gut aus, Beifunde von Mineralien oder die Sachen aus der Karibik (hatte ich an anderer Stelle hier schon mal gepostet) habe nie liegen lassen. Seit ich nun von diesem hochinteressanten Thema bewegt bin auch nach Artefakte zu suchen, stellt mich das vor das selbe Problem wie beim Fossilien suchen. Das Wo?
Naklar, auf'm Acker... nee nee das habe ich schnell eingesehen da dort schon seit Generationen des Bauers Pflug seine Bahnen zieht.
Also muss der Blick tiefer gehen, Baustellen! Da ich aus dem Ruhrgebiet bin und auch hier sicher jeder Kubikzentimeter min. schon dreimal umgegraben worden ist, von den Bombardements des 2. Weltkrieges mal ganz abgesehen, schweift der Blick ins Umland.
So und da kommen dann die wenigen Bücher zum Einsatz die man dank Internet erwerben kann. Fundstellen hier, Fundstätten dort, bishin zum Weltkulturerbe.
Wie durch Zufall erfahre ich von einer riesen Baustelle im südlichen Münsterland, so zwischen Münster, Haltern und Warendorf. bei jedem versierten dürfte jetzt ein Licht aufgehen!
Das wäre doch sicher eine gute Gegend um mal nach Artefakten zu suchen, das vorhandensein eines Flusses in der nähe macht die Geschichte noch interessanter.
Also ab ins Auto und die 40km gefahren, und was finde ich dort, riesige Flächen die gänzlich vom Mutterboden befreit sind.
Recherchen ergeben das es sich um Kreidesedimente im Untergrund handelt, auf deren Oberfläche gut gerundetes Kreidekonglomerat zu finden ist was auf eine Aufarbeitung durch Erosion hinweist.
Darauf abgelagert Sande mit Kiesen und Findlingen aus Skandinavien, je höher ich ins Profil schaue umso feiner wird der Boden bis er in die obere Krume ausstreicht. Was für mich den Schluss erlaubt nacheiszeitlichen Boden vor mir zu haben. Da die letzte Vereisung die min. bis in diese Gegend reichte das Saaleglazial war, gehe ich von Sedimenten aus dem Mittelpaläolithikum aus, die seit etwa 125000 Jahren hier ihre letzte Ruhe fanden.
Nun habe ich eine zeitliche Untergrenze, da die "Jetztzeit" bis in ca. 50-80 tiefe abgebaggert worden ist, finde ich meines Erachtens eine zeitlich eng eingegrenzte Epoche vor mir, die mal abgesehen von den Baggern schon lange unberührt im Boden liegt.
Somit wäre das in meinen Augen erstmal der richtige Boden.
Nun kommt ein Feuersteinstück nach dem anderen hevor, jedes wird aufgehoben mehrmals umgedreht, systematisch gehe ich Teilbereiche der Flächen auf und ab, sortiere sichere "Nichtartefakte" aus die ich auf kleine Häufchen ablege damit ich sie nicht nocheinmal aufhebe. So vergeht ein ganzer Tag an dem ich sicher 6-800 Flinte aufhebe und wieder ablege, und vielleicht 5 oder 10 nehme ich mit nach hause wo ich dann sicher mehr als zwei-drittel nochmals aussortiere, und das was dann übrig bleibt zeige ich Euch hier denn wem soll ich sie sonst zeigen, der gewillt wäre mir eine Antwort zu geben.
Sicher, vielleicht ist nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Häufigkeit von Geofakten die nur zufällig Artefaktcharakter haben oder haben könnten geringer als 0.5%, und ich habe nun eine kleine Sammlung von natürlich entstandenen Steinen...
Scheinbar sind unsere Archäologen in den Museen in meiner Ungebung nicht daran interessiert mit mir in eine Konversation zu treten da ich auf mehrere Anfragen nicht eine einzige Antwort bekommen habe.
Einmal drückte man mir ein Formular in die Hand mit der Aufforderung es ausgefüllt mit meinen Funden an ein Institut zu versenden. 

Sicher ist aber das ich in den Sanden immer wieder auch Knochenfragmente auflesen konnte, bis hin zu zwei komplett erhaltenen Fußknochen eines Equus ferus.
Diese Knochen können aber, auch wegen des geringen Alters der Sedimente, als Fossil angesehen werden, da es einen simplen Test gibt den man auch schon an Ort und Stelle durchführen kann.
Es ist nicht so einfach mit den Artefakten wie bei den Fossilien, und darum bin ich dem Initiator dieses Forums dankbar.
Hier findet ein "Anfänger" Gehör, kann sich austauschen und Erfahrungen sammeln, und muss sich auch schon mal Meinungen anhören die bitter sind.
Aber das bestärkt mich nur darin weiterzusuchen bis auch ich die nötige Erfahrung und ein geschultes Auge habe um selbst ein echtes Artefakt zu erkennen. 

Allen hier beteiligten möchte ich an dieser Stelle mal danken.

Gruß,  Kalle   

Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Khamsin

Salaam und danke Jungs!

Da sieht mans wieder: Klar sucht man Literatur, und zwar heute im Internet. Verständlich, dass man nicht viel bezahlen will, und da stösst man über kurz oder lang auf sowas wie das Alfred "Nassenotto" Rust-Buch. Und da das seinerzeit in nicht geringer Auflage veröffentlich wurde und das über 40 Jahre her ist, kostet das Machwerk vergleichsweise wenig (rd. Euro 20,00)! Ergo, in den Warenkorb!

Hier noch eine weitere dringende Warnung in Sachen Literatur. Sie dürfte vor allem die süd- und südwestdeutschen Steinadepten betreffen, gilt aber auch vorbehaltlos für den Rest der Republik. Es ist ebenfalls ein vergleichsweise preiswertes Buch, das man jederzeit im Internet finden und bestellen kann (rd. Euro 25,00).

Im Jahre 1983 veröffentlichte Stefan Unser in Freiburg im Breisgau sein Lebenswerk mit dem Titel

"Die Feuerstein-Technologie der Steinzeit. Funde von der Werkstatt des Neandertalers und seiner Urahnen aus der "Regio" (Markgräflerland) als Lehrmodell. Ketzerische, doch fruchtbare und wegweisende Gedanken eines neuzeitlichen Steinschlägers zu Irrtümern in der Fachliteratur. 

Was meint Ihr, ein gerade im Untertitel anspruchsvolles Werk, oder?


Weit gefehlt! Es ist die Veröffentlichung eines von der Fachwelt nach seinem Eindruck nicht ernstgenommenen alten Mannes, der nun im hohen Alter und unter Nennung von bestimmten Namen bestimmter Archäologen versucht, sich an denen sein Mütchen zu kühlen!
Das mehr als Bedenkliche an diesem Machwerk ist nun, dass sich Unser bei der Herstellung von Steingeräten in einem Geflecht zwanghafter persönlicher Erfahrungen verstrickt. So behauptet er allen Ernstes, es gäbe keine "direkt weiche" Schlagtechnik. Und die Begründung ist köstlich: Er habe Jahrzehnte ausschliesslich mit Schlagsteinen und der "direkt harten Schlagtechnik" sehr erfolgreich gearbeitet, und so sähe er vor diesem Hintergrund keinerlei Notwendigkeit einer direkten weichen Schlagtechnik. Putzig, nicht!
Am schönsten aber ist das einleitende Kapitel "Wie ich Steinschläger wurde". Dort vor allem die Passagen, in denen er beschreibt, wie zu Beginn das Blut in Strömen floss und er wahrlich ausgesehen habe wie der Gekreuzigte!

Also, dieses Buch ist nur etwas für Fachleute, die an der Forschungsgeschichte zur Steingeräteherstellung bzw. zur Experimentellen Archäologie in Deutschland interessiert sind! Ansonsten: Hände weg, trotz des niedrigen Preises!

Was ich statt dessen - cum grano salis - empfehlen kann, ist folgendes preiswerte Buch (Euro 6,00):

Pierre Honoré, Es began mit der Technik (Stuttgart 1969).

Agersoe würde sich freuen, denn dort sind im Kapitel Steingeräteherstellung zahlreiche Fotos von Händen eines Mannes bei der Arbeit zu sehen, der in Dänemark - neben dem berühmten Nilsson und dem Kammerherrn Sehested - als der Vater der experimentellen Steinarchäologie gilt, Anders Kragh.

Nun mag man über die diversen Bearbeitungsgeräte unterschiedlicher Meinung sein, aber der Grundgedanke kommt gut rüber, gerade was die Drucktechnik betrifft!

Sicher gäbe es in diesem Zusammenhang noch viel zu sagen, aber ich belasse es erstmal dabei.

Beste Grüsse KIS   
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

wühlmaus

Hi Grenzton  :winke:

ZitatDas Wo?
Naklar, auf'm Acker... nee nee das habe ich schnell eingesehen da dort schon seit Generationen des Bauers Pflug seine Bahnen zieht.
Also muss der Blick tiefer gehen, Baustellen!

Doch, doch! Es sind die Äcker!
Schau mal hier und lies dann einfach weiter, bis zum Ende:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,21331.msg123556.html#msg123556

Klar sind alt- und mittelpaläolithische Funde eher in Kieswerken oder in Baustellenaushüben zu erwarten, da sie über die Jahrzehntausende mit mächtigen Sedimentpackungen bedeckt wurden ... Aber es gibt sie auch, in einer nicht unerheblichen Zahl, als verlagerte Oberflächenfunde in erodierten Bereichen ...

Die große Masse der steinzeitlichen Funde sind jedoch schlichtweg Ackerfunde und es ist gerade die intensive, landwirtschaftliche Nutzung, die sie durch Pflug und Erosion zu Tage bringt ....
In unseren Breiten sind sie stellenweise so dicht unter der Oberfläche, dass sie beim Abschieben des ersten Meters weg wären, darunter findet sich nur Sand und Kies als sedimentäre Gabe unseres "Alten Mannes mit den Spendierhosen", dem guten Vater Rhein ... Ein Absuchen wäre zwecklos.

Es ist wirklich so einfach:
Such Dir den erstbesten, leicht erhöhten Acker in bachnaher Lage und ab die Post. Wenn es auf dem nicht klappen sollte, dann geh auf den nächsten usw. Manchmal braucht es ein bißchen Geduld. Aber die zahlt sich am Ende immer aus ...

:winke:
Gerd

Grenzton

Hallo.
Heute habe ich mal wieder gesucht.
Ich war gerade aus dem Wagen gestiegen und ein paar Schritte auf den Acker gegangen, als mich da ein herrlich weiß patinierter Klingenkratzer von der Oberfläche anlächelte.
Nebenan steht der Tippelsberg, den schon im Neolithikum die Bandkeramiker nutzten, denn von hier aus hat man einen guten Ausblick von NO links herum bis in Südliche Richtung.
Ganz in der Nähe sind mehrere Siedlungen aus der Bandkeramik gefunden worden. Aus diesem Grund glaube ich das dieser Klingenkratzer von der Zeitstellung aus dem Neolithikum ist.

@Gerd. Wie recht Du doch hast!!!
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Grenzton

...und noch zwei Ansichten.

Gruß,  Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

Silex

Danke Grenzton , für die exquisite Debatte die Du hier angestoßen hast. Das letzte Gerät(?) müssen die einschätzen die mehr von Deiner lokalen Fundlandschaft wissen- für mich schauts ein wenig älter aus....und wäre, hier bei uns, kein Klingenkratzer.
Ich hoffe dass es nicht  vergessen wird was Khamsin über das Zweite Stückgeschrieben hat. Denn diese Stücke sind sehr rar und werden jeden Archäologen sehr interessieren.  Ein Neandertalerabschlag mit  Präparationen das ist schon ein absoluter Glückstreffer..... und diese Fundstelle gehörte sich genauer unter die Lupe genommen.
Also schleppe es mal ins "Amt" und  gib uns bitte Bescheid was rausgekommen ist
Danke vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo Leute !  :-)

In dieser Debatte werden sehr wichtige Aspekte unter die Luppe genommen !!  :belehr:

Besonders die wichtigen Pointen unseres Sohnes aus dem Land der Sandstürme sind hier zu beachten !!

Interessant ist es ja die alten Bücher der Archäologen und Forscher, und auch RAUBGRÄBER der vergangenen 150 Jahren zu studieren.

Schon unser König Frederik der 7., der Mitte des 19. Jhr. regierte, war ein leidenschaftlicher Sammler. Er reiste durchs Land und hat die Grabhügel "untersucht".
Das heisst, er hat Soldaten und Bauern dafür bezahlt, die Hügel zu graben. Keine wissenschaftliche erkenntnisse wurden verzeichnet. Nur die Artefakte für seine Sammlung zählten. Eine Katastrophe würde man das heute nennen.  :heul:

Nun, viele seiner "Funde" sind heute Bestandteil des Nationalmuseums in Kopenhagen.

Wir müssen es aber so sehen: Damals wussten sie nicht besser.  :belehr:
Wenn die Väter der Achäologie hier in Dänemark ein Gerät einen Namen gaben, von dem wir heute nur grinzen können, ja, dann ist wieder die Antwort, sie wussten nicht besser. :belehr:

Ein interessantes Aspekt in diesem Zusammenhang ist: Was werden die Archäologen in 200 Jahren über unsere Gedanken, über die Bezeichnungen, Artikel und die wissenschaftlichen Arbeiten von heute sagen ??? ........................  :zwinker: JAAA, in einigen Fällen werden sie sagen: Sie wussten nicht besser.  :-D

Noch amüssanter / interessanter wird es, wenn man mit dem Gedanken spielt, dass der Steinzeit-Mensch uns hören könnte.

Der würde sich mit Sicherheit totlachen und sich fragen, sollten sich diese Leute eigentlich nicht mit etwas Vernünftiges beschäftigen, so wie z.B. Essen für ihren Familien besorgen ??  :platt:

Seine Konklusion wäre sicherlich, wenn er das alles hier und in den Büchern lesen könnte: ......nein, die tuns ja weil es sie interessiert.

Er würde wohl auch sagen: .....tja, die schreiben ja nur so, weil ....... sie es eben nicht besser wissen !!!!!

:winke: :winke: :winke:

wühlmaus

Hi Grenzton  :winke:

... sag ich doch!  :engel:

Edi hat ganz Recht, das von Khamsin als mittelpaläolithisch angesetzte Teil würde ich auf jedenfall einem zuständigen Archäologen zeigen. Das wäre bytheway auch ein guter Aufhänger um Kontakte zur lokalen "Fachwelt" zu knüpfen.
... und was seine Einschätzung über dein zuletzt gepostetes Stück angeht: Die kann ich nur aufrichtig teilen!
Ich würde es als spät-altsteinzeitliches Klingenfragment ansprechen. (Hier mal zum Vergleich: http://www.sucherforum.de/index.php/topic,9603.msg49377.html#msg49377)

:winke:
Gerd  

Grenzton

Hallo nochmal!
So, nur um eine Verwechselung zu vermeiden. Von welchem Mittelpaläolithischen Gerät sprechen wir? Das von mir als Schaber bezeichnete?
Wie habe ich dann den Hinweis von Khasim auf die Patina zu verstehen?
Die Patina lässt meines Wissens doch kaum Rückschlüsse auf das alter bzw. Lagerungsumstände ziehen.
Sicher gebe ich zu, das ich auch einige unabhängig von der Form, mehr wegen der schönen Färbung der Patina aufgelesen habe, die eigentlich nur eine Bronzeschale zieren sollten.
Sollten sich darunter etwa noch weitere Geräte verbergen.
Ich traue mich kaum noch was weg zu werfen oder wie ich schon im Threat "Experimentelle Archäologie" erwähnte als Übungsstücke zur Klingenherstellung zu zerschroten, da sich doch das eine oder andere größere Stück in meiner Kiste findet.

Greuß, und vielen Dank nochmal,

Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

wühlmaus

Hi  :winke:

Yep, er meinte den "Schaber".

Hier nochmal kurz Khamsin Zuordnungen zu deinen Bildern:
ZitatDas erste Stück zeigt Aussplitterungen, ob intentionell oder natürlich steht m.E. dahin.
= Schaftgl retusche.jpg + Schaftgl rückseite.jpg
ZitatDas zweite Stück erinnert mich schwer an einen mittelpaläolithischen Abschlag (Patina).
= Schaber.front.jpg + Schaber.vorn.jpg + Schaber.rückseite.jpg
ZitatDas dritte Stück könnte evtl. ein intentioneller Abschlag sein, kann aber auch natürlich sein (was ich eher glaube). Eine Pfeilspitze ist es gewiss nicht.
= Kratzerretusche.jpg + Kratzerrückseite.jpg
ZitatDie weiteren Stücke könnten spätpaläolithisch sein
= Klingen.jpg + Klingen.rückseite.jpg

Die Frage nach der Patina kann man mit einem entschiedenen Jein! beantworten ...
Primär taugt die Patinierung nicht zu einer Altersbestimmung. Dazu ist sie zu sehr abhängig von den speziellen Bodenverhältnissen, Verwitterungsbedigungen etc. etc.  :belehr: http://www.sucherforum.de/index.php/topic,15834.0.html  :belehr:

Andererseits gibt es jedoch nicht von der Hand zu weisende regionale Übereistimmungen in der Patinierung etwa gleichzeitiger Stücke (zB bei uns bläulich weiße Patina bei end-paläolithischen Stücken bzw. grüne und gelb bis braune Patina bei mesolithischen Stücken ...
Was aber nicht heißen muß, dass je älter ein Stück ist, desto eher ist es patiniert ...

Das gleich gilt aber auch für frostgesprungenen Scherbenflint ... Wenn der ein bis zwei Eiszeiten erlebt hat, kann der alles mögliche an Patina - oder eben nicht -  aufweisen  :platt:

:winke:
Gerd

Khamsin

Salaam!

@Grenzton: Das ist kein Klingenkratzer, denn diese zeichnen sich durch ein konvexes Funktionsende aus, die sog. Kratzerkappe, und da seh ich keine! Im übrigen wäre das Artefakt bei einer LBK-Zeitstellung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht patiniert.

@alle: Wie spricht mir agersoe aus dem Herzen, und ich lege nochmals die Lektüre seines Beitrages dringend ans Herz! Es gibt ein - leider schon seit Jahrzehnten vergriffenes - Büchlein von Laurent, dem berühtem französischen Zeichner archäologischer Steingeräte aus Bordeaux mit dem Titel "Heureuse Préhistoire". Dort sieht man Comics von Steinzeitmenschen, u.a. einen, wo mehrere Neandertaler ums Feuer sitzen und Steingeräte herstellen. Einer fragt in die Runde: "Na Jungs, was machen wir denn heute mal für die Archäologen, einen "Quina-Schaber" oder eine "Limace" (gekielte Doppelspitze)?".

Beste Grüsse KIS


"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Der Wikinger

Zitat von: Khamsin in 30. April 2007, 13:33:13

@alle: Wie spricht mir agersoe aus dem Herzen, und ich lege nochmals die Lektüre seines Beitrages dringend ans Herz! Es gibt ein - leider schon seit Jahrzehnten vergriffenes - Büchlein von Laurent, dem berühtem französischen Zeichner archäologischer Steingeräte aus Bordeaux mit dem Titel "Heureuse Préhistoire". Dort sieht man Comics von Steinzeitmenschen, u.a. einen, wo mehrere Neandertaler ums Feuer sitzen und Steingeräte herstellen. Einer fragt in die Runde: "Na Jungs, was machen wir denn heute mal für die Archäologen, einen "Quina-Schaber" oder eine "Limace" (gekielte Doppelspitze)?".
Beste Grüsse KIS


:narr: :narr: :narr: