VERLORENES !?

Begonnen von agersoe, 09. April 2007, 21:58:11

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Der Wikinger

Hallo Leute  :-)

Zu Ostern habe ich ein paar Mal einen Acker besucht, um dort zu sondeln.
Da gab es einige Beifunde aus Flint.

Auf dem Acker gibt es keine Stein- / Bronzezeitsiedlung, jedoch gibt es etwa 2 Km davon eine recht grosse. 1 ha.
Die Funde sind also fast mit Sicherheit "verlorene" Sachen.
Dieses Aspekt ist eigentlich hier bei mir immer zu beachten. Wir sagen oft, dass man über keinen Acker gehen kann ohne Spuren der Steinzeit zu finden.
Die Kunst ist es aber dann zu erkennen, wann eine Siedlung dort ist, und wann es verlorenes ist.
In den meisten Fällen zeigt ja die Menge der Funde, dass man eine Siedlung gefunden hat.

Kennt ihr auch solche Fundorte, wo Sachen liegen, aber keine Siedlung ist ??

Hier dann die Sachen:

Links ein steilkantiger Scheibenschaber, dann 2 Sichelklingen (die erste fragm.) könnten auch Bronzezeitlich sein, noch eine (fragm.), die aber auch ein Messer sein könnte, und zuletzt ein kleiner Bohrer / Pfriem.






Hier die steile Kante des Schabers


Retuschierte Kante der Sichelklinge / des Messers.


Spuren von Sichelglanz (Gloss) auf einer der Sichelklingen


:winke:

Silex

Danke agersoe für´s Zeigen.
Zu Deiner Frage über Verlust- oder Siedlungsfund hab ich nachgedacht..... und bin gleich auf diverse räumliche Unterschiede in der Terminologie  sowie der Lebensweise in unseren weitentfernten Landstrichen  in der Steinzeit gestoßen.
So gab es hier bei uns  vermutlich nur mesolithische  Jagdlager. Manchmal längerfristig , aber saisonal begrenzt, manchmal  nur als kurzfristige Jagdkanzel genutzt......in jedem Falle nicht so dauerhaft wie in Deiner Heimat
Im Neolithikum waren hier vermutlich nur Händler und Hirten unterwegs...was jeden Fund  auch als Verlustfund erklären lässt.....
Aber ganz,ganz selten stößt man auf ein vereinzeltes Projektil   , ein versprengtes Gerät in einer ansonsten absolut fundleeren Kleinregion...die dann aber schon arg von der Natur vernachlässigt sein musste.....
In der Tat ein schwieriges Problem für Sucher. Verloren? Weggeworfen? Peripherer Siedlungsplatz? Und noch viele, viele Möglichkeiten die bleiben

Gute Nacht, Freund, morgen aufstehen, Ostern war schön
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Servus Agersoe  :winke:

Das Problem mit den verstreuten Funden ist hier meine alltägliche Praxis auf vermeintlich jungneolithischen Fundstellen. Ich finde über Quadratkilometer verstreute Funde, teils auch gut erhaltene Sachen, aber eine Siedlungsstelle habe ich trotz meiner aufwendigen Kartierung nicht ausmachen können.
Neuwertige Beile, große Klingenmesser, die wahrscheinlich erst in der Neuzeit zerbrochen sind oder 1a Kratzer verliert man nicht. Ich glaube an Depots oder eher noch an Grabbeilagen. Über die Bestattungssitten der MK weiß ich auch nicht recht bescheid. In der LBK legte man ja oft große Gräberfelder an, hier häufen sich auch die Funde von Grabbeilagen. Vielleicht haben die MKs ihre Toten ja in der Landschaft verstreut oder Luftgräber wie die Zaratustra-Anbeter genutzt.

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, daß die Schwerpunkte schon von Sammlern, die ihre Funde nicht melden, abgegriffen wurden  :smoke:

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger


Hallo Jungs !!  :-)

Danke Euch für eure Überlegungen !!  :super: :winke:

Khamsin

Salaam!

"Fundorte, wo Sachen liegen, aber keine Siedlung ist". Ehrlich gesagt, mit der Feststellung "...aber keine Siedlung ist", habe ich so meine Zweifel, steht doch danach fest, dass dort wirklich keine Siedlung existiert. Woher weiss man das sicher?

Ich nehme eher an, unser agersoe meint folgendes: Fundorte, wo Sachen liegen, aber bislang keine Hinweise auf eine Siedlung gefunden worden sind. Und so, denke ich, wird ein Schuh draus. Klar, das Problem ist ja jedem Sammler bestens bekannt, und RP hats auch nochmals für seine MK-Plätze geschildert.

Aber halten wir doch einmal fest, dass es "Sachen", also Artefakte gibt, die eindeutig auf Siedlungstätigkeit hinweisen, die berühmten sog. Siedlungsanzeiger, wie Keramik, Mahlsteine, Klopfer, Hämatitstücke (zumeist mit Schliff), Agglomerationen von Grundformen, darunter natürlich Kerne und sonstige Präparationsstücke, klassische Werkzeugformen wie Stichel, Bohrer, Kratzer, Sichel(glanz)klingen.
Na gut, Stichel, Bohrer und Kratzer sind diskutabel; da kommt es dann auf die Häufigkeit an.

Ganz sicher ein veritabler Siedlungsanzeiger sind die - leider - gar nicht so seltenen und immer wieder berichteten, bei Schräglicht nach dem Pflügen sich wundervoll auf Äckern abzeichnenden rausgepflügten Grubenfüllungen; denn wer gräbt schon Gruben z.T. erstaunlicher Dimensionen und ehemals - bedenkt man die Erosion - grösserer Tiefe in der Pampa?

Absolut keine Siedlungsanzeiger, gewiss nicht als Einzelfund, sind Pfeilspitzen, wie Edi es angedeutet hat. Und eine Häufung von Kernen in der Pampa deutet mit ziemlicher Sicherheit auf einen Hortfund hin (danke RP). Wobei es andererseits auch Hortfunde in Siedlungen gibt. Aber dann findet man auf dem Fundort der Kerne entsprechende Siedlungsanzeiger!

Wie man sieht, kann man also aus irgendwo in der Pampa angetroffenen Einzelfunde, die mal hier, mal da aufgelesen werden und nicht direkt auf eine Siedlung schliessen lassen, vermuten, es gäbe am Fundort keine Siedlung. Vielmehr kommt es auf die Natur der Artefakte an. Ich schliesse mich auch gerne RP in der Meinung an, dass zumindest die Werkzeuge kaum als verloren zu betrachten sind. Gut, wenn man im Bergland eine Pfeilspitze oder eine LBK/MN-Dechselklinge fände, dann wären die mit ziemlicher Sicherheit sog. Verlustfunde. Und natürlich wäre es dumm zu behaupten, man habe seinerzeit nicht auch einmal ein Artefakt verloren. Aber fragen wir uns doch einfach, wie oft wir z.B. in den letzten 30 Jahren unseren Hausschlüssel oder ein Werkzeug verloren haben... Gut, es mag ja Menschen geben, die gerne verlieren oder Weltmeister darin sind. Aber ich glaube doch, dass die Häufigkeit des Verlierens eher gering ist.

Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass DER Siedlungsanzeiger comme il faut - Keramik - extrem schlechte Erhaltungsbedingungen gewärtigt; frisch ausgepflügte neolithische Keramik fliesst nach einigen Tagen Bodenfrost, und den gibt es selbst in den heutigen Wintern, nach einsetzendem Tauwetter schlicht als dicker Brei auseinander. Ganz zu schweigen von den schönen Spielzeugen der Landwirte: Grubbern, Kreiseleggen etc.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass viele Siedlungsspuren von einer kolluvialen Deckschicht abgedeckt werden und nur diejenigen Artefakte in den Pflughorizont gelangen, die während des Erosionsvorganges selbst ins Kolluvium geraten sind!

Ausserdem ist die topographische Lage einer Fundstelle vor dem Hintergrund unseres Wissens zur topographischen Präferenz, z.B. von LBK oder MN Siedlungen ins Kalkül Siedlung: Ja oder nein? zu ziehen. So sind etwa LBK Einzelfunde in klassischer Korridorlage ziemlich sicher ein Hinweis auf einen Siedlungsplatz. Aber seit der Entdeckung eines LBK-Platzes südlich von Erkelenz, der mehrere Kilometer vom nächsten Oberflächengewässer entfernt liegt, ist auch hier Vorsicht geboten. Es muss wesentlich mehr LBK-Siedlungsplätze auf Lösshochflächen geben als sich die meisten Archäologen vorstellen können oder wollen!

Das Thema arrondierend, steht für mich schon lange fest, dass die Siedlungsdichte wesentlich grösser ist als allgemein vermutet. Um im Sinne des von agersoe dankenswerterweise angeschnittenen Themas hier Klarheit zu schaffen, hilft nur eines: Genau solche Fundstellen intensiv und regelmässig und über lange Zeit zu begehen.

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Silex

Danke Khamsin , für Deine   Einlassungen!
Wir sind hier ein, räumlich, bunt zusammengewürfelter Haufen. Von Nord- und Ostsee bis jenseits der Alpen. Fast von Maas bis an die Memel.
Agersoes Gefilde, RP´s Sammelrevier , die Fundlandschaften etlicher Leidensgenossen hier, mein Naab- und Regental sind grundlegend voneinander verschieden. Was uns alle hier eint ist das systematische Einkreisen von Einzelartefakten.

Es gibt hier Äcker die lieferten vor 20 Jahren - nach jahrelangem Absuchen meines "Vorgängers"  -  neben vieler MA , weniger UK- Keramik , ein einziges schnödes Abschlagsfizzelchen welches auf eine mesolithische Begehung hindeutete und von den Archäologen höchstens als peripherer , kurzfristiger Lagerplatz  in Erwägung gezogen wurde. Bei den wenigen Begehungen die ich vor einigen Jahren machen konnte- bis der Platz wegplaniert wurde- fanden sich zahlreiche Mikrolithen die den Platz jetzt in ganz anderes Licht setzen (hier im Sucherforum).
Dabei hatte der Bauer hartnäckig  und glaubwürdig behauptet dass seit 30 Jahren nicht mehr so tief gepflügt werde. als ehedem.
Die Hänge fließen und erodieren eben mehr als man glauben mag.
Wenn ich eine einzelne Pfeilspitze an einem (bisher) weitabgelegenen Mittelgebirgsgipfel finde, der zudem eine dominante Weitsicht über einen Naturraum bietet, durch  noch nicht entdeckte , aber markante Altwege und Rohstoffvorkommen glänzen könnte, dann denke ich anfangs auch an einen Verlustfund- an etwas Verlorenes. Wenn ich jedoch weiss, dass 40 km weiter , in Tschechien,  sich eine neolithische- frühbronzezeitliche Höhensiedlung an die andere reiht- und dies auch in scheinbar ungünstigen Siedlungslagen- dann muss man trotz des   Fehlens diesbezüglicher Befunde  hier, unbedingt an der Stelle dranbleiben. Bisher war ich an diesem Areal zwar erfolglos, aber ein Erkundungsluftbildflug des LfD ergab signifikante Hinweise. Und ich finde die "Erste" Höhenbefestigung!!!!!!
Wenn man diese Lunte der Beständigkeit gerochen hat , die nötige Geduld hat, dann kann man vielleicht (manchmal eben nur die Nachfolger) irgendwann sagen: Einzel-Verlustfund
oder man kann sagen : Ich hab da was entdeckt was etwas Elementares über unsere Vorgeschichte  hinzufügt.
Ansonsten ist ein Fund erstmal ein Fund  ist ein Fund....

Manchmal ernüchternd ist das...aber immer spannend
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

ZitatDas Thema arrondierend, steht für mich schon lange fest, dass die Siedlungsdichte wesentlich grösser ist als allgemein vermutet. Um im Sinne des von agersoe dankenswerterweise angeschnittenen Themas hier Klarheit zu schaffen, hilft nur eines: Genau solche Fundstellen intensiv und regelmässig und über lange Zeit zu begehen.
:super: :super:

Da kann ich Khamsin nur zustimmen!
Ich selbst hab ein Fundareal unter meinen Fittichen, dass unter ganz ähnlichen Gesichtspunkten zu betrachten ist. Eine große, langgestreckte Sanddüne direkt am Rhein (ca 2000x500m). Etwa die Hälfte der Fläche wird beackert und von mir seit 2,5 Jahren intensiv begangen. Eigentlich ist das ganze Gebiet mit römischem Zivisilationsschrott verseucht  (welcher ja auch der eigentliche Grund meiner Suche war) :smoke: aber es kommen auch neolithische bzw metallzeitliche Funde raus ...
Anfangs ging ich auch von unscheinbaren Verlustfunden aus. Zuerst kam eine vereinzelte Klinge, dann 300m weiter ein vereinzelter klingenförmiger Abschlag. Mitlerweile haben sich die prähistorischen "Einzelfunde" dermaßen summiert, dass sich tatsächlich eine deutliche Siedlungszone nachweisen läßt ...  :-D
Da mein Rücken mitlerweile wieder ok ist (xxxx-Bückerei beim Fotografieren  :wuetend:) hab ich in den nächsten Wochen die Herkules Arbeit vor mir, eben jenes Fundmaterial für die Weitergabe ans Amt vorzubearbeiten ...
Bis jetzt sind die Funde alle zwar schon gesäubert und ordentlich nach jedem Suchgang von mir eingetütet worden, aber ich habe mich noch an keine "Gesamtbearbeitung" gewagt. Nach zweieinhalb Jahren Sammelei ist da ordentlich was zusammengekommen! Ich bin jetzt schon gespannt welche Vorabergebnisse ich allein durch die komplette Sichtung erzielen werde...
Auf jedenfall werde ich hier einiges im Forum zur Besprechung posten, das weiß ich jetzt schon ...  :engel:

Alles in allem hat mich diese Fundstelle (und auch einige andere Plätze) davon überzeugt, mir über kurz oder lang ein GPS Gerät zuzulegen...

:winke:
Gerd