Spitzklinge?

Begonnen von wühlmaus, 21. Dezember 2006, 01:28:56

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wühlmaus

Hi

ich brauche mal wieder Euren geschätzten Expertenrat.  :-D

Bin seit heute Nachmittag glücklicher Finder dieses Gerätes aus hellgrauem, leicht weiß-bläulich patiniertem Flint und habe keinen Plan wie ich es einordnen soll.
Fundort liegt etwa 150m Luftlinie von der Stelle aus dem Thread hier http://www.sucherforum.de/index.php/topic,21521.0.html entfernt.

Bis jetzt ist es ein Einzelfund und wie gesagt ein Unikum für mich. Ich würde es erstmal als Spitzklinge einordnen, wobei die Spitze leider abgebrochen ist  :heul:

Erstmal Dorsal- und Ventralseite

wühlmaus

Einmal Querschnitt von der Schlagfläche aus gesehen
und darunter von der Spitze aus ...

wühlmaus

Seitenansichten (Dorsalfläche oben)

1. "Rücken"
2. Schneide

wühlmaus

Die Schneide ist auf beiden Seiten retuschiert

1. dorsal
2. ventral

wühlmaus

Was die Datierung und die funktionelle Zuordnung angeht steh ich wie gesagt auf dem Schlauch. Neolithikum ist vom Fundgebiet genauso drin wie End-Paläolithikum (Mesolithikum scheidet meiner Meinung nach aus ...) und aussehen tuts wie ein Messer, fühlt sich aber wie eine Speerspitze an  :narr:

Bin für jeden Hinweis dankbar!

:gn
Eure Wühlmaus

PS
Fundgebiet wie immer südlicher, linker Niederrhein

Khamsin

#5
Salaam, noch immer aus Arabien!

Werte Maus, unter "Spitzklinge" versteht man etwas ganz Anderes! Frag mal RP, der kann bestimmt eine Menge dazu sagen.

Wenn mich mein Eindruck von den Bildern nicht täuscht - und da bin ich natürlich ganz besonders sensibilisiert worden durch meinen stunt von vor kurzem - handelt es sich hier um einen Abschlag. Allerdings war der Winkel, unter dem dieser abgetrennt worden ist nicht optimal! Und das wiederum resultierte in dem halbrund auslaufenden Distalende (auf einem Bild auf der rechten Seite). Wegen dieser speziellen Form nennt man solche Enden auch Angelbruch", analog zum Englischen "hinge fracture" oder schlicht "hinge". Die gute bildliche Übereinstimmung dieser Bezeichnung mit einer "Türangel" wird aber erst dann deutlich, wenn man auch die entsprechende Bruchform am Negativ auf dem Kern sieht. Da wird mir agersoe sicher zustimmen.
Allem Anschein nach wurde eine Längskante flach druckretuschiert, um sie als Schneide benutzen zu können. Zeitstellung ist schwierig und ich lege mich nicht fest.

Beste Grüsse an den linken Niederrhein


Ach ja, schon jetzt vorweggenommen, mein verbindlicher Dank an alle Steinadepten, die im Jahr 2006 erneut

- hochinteressante,
- einmalige,
- langweilige,
- schöne,
- hässliche, 

kurzum, jede Menge spannende Steinartefakte ins Forum gestellt haben!

Dank auch dafür, dass Ihr meine Kommentare ertragen habt und für die Kommentare all jener, die an einer konstruktiven Zusammenarbeit im Sinne der Wissensmehrung hier im Forum interessiert sind. Mit anderen Worten mein Dank an ALLE!

Last but not least einen Superdank an unseren Moderator Rämbowwwwwwwwww, der - wenn nötig -
immer das richtige Wort, i.e. den richtigen Ton fand.

Mit einem windigen Gruss

KIS (Danke agersoe, das ist einfach zu gut!)
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

wühlmaus

Hi Khamsin

verunglückter Abschlag kommt gut hin.  :super:
Das Ding hat einen Bulbus wie ein Tumor und ich hatte erstmal Mühe überhaupt ungefähr Schlagfläche, Narbe etc. zu finden ...  :irre:

Bei den Abmessungen gehört das gute Stück schon zu den größeren Wekzeug Kalibern unter meinen Fundstücken, deshalb hatte ich gehofft, dass man es vielleicht typologisch einordnen kann ...

Ich hatte mich heute auch nochmal auf der Fundstelle umgesehen ... direkte Beifunde gabs aber leider keine  :heul:

ciao
das Wühlmäusle

Der Wikinger

Zitat von: Khamsin in 21. Dezember 2006, 19:10:19

Wegen dieser speziellen Form nennt man solche Enden auch Angelbruch", analog zum Englischen "hinge fracture" oder schlicht "hinge". Die gute bildliche Übereinstimmung dieser Bezeichnung mit einer "Türangel" wird aber erst dann deutlich, wenn man auch die entsprechende Bruchform am Negativ auf dem Kern sieht. Da wird mir agersoe sicher zustimmen.
Allem Anschein nach wurde eine Längskante flach druckretuschiert, um sie als Schneide benutzen zu können. Zeitstellung ist schwierig und ich lege mich nicht fest.


Die Analyse ist ganz richtig, bei uns nennt sich das "hængselsbrud".
Sie entstehen oft, wenn der Winkel nicht richtig ist, oder wenn man mit kräftigen Abschlägen versucht in einem grossen Kern zum perfekten Flint in der Mitte hineinzudringen. (können auch bei Frostsprengungen entstehen).
Diese Stücke werden oft als "Abfall" kassiert und nicht verwendet, ab und zu aber werden sie retuschiert. Man muss auch bedenken, dass der Abschlag in sich am unteren Bereich des Abschlags eine retusche-artige Abprallung erzeugen kann, die fast unmöglich von der echten Retuschierung zu unterscheiden ist !!
Was in diesem Fall aber dafür spricht, dass dies am wahrscheinlichsten kein Gerät ist, ist die merkwürdige Doppelspitze, die wohl bemerkt nicht nachgearbeitet ist. Eine Spitzklinge wäre immer zur Spitze hin einzel-spitz gemacht.
Also ein Stück, dass nur vielleicht ein Gerät gewesen ist, und wohl eher nicht.  :heul:

:winke:

Zitat von: Khamsin in 21. Dezember 2006, 19:10:19

KIS (Danke agersoe, das ist einfach zu gut!) 


:narr: :super:

Auch danke an dir, Khamsin Ibn Saud !!  :super:

wühlmaus

Hi agersoe 

bei dem Stück sind sowohl Ober-, wie Unterseite der "Schneide" komplett retuschiert.
Also ein Werkzeug wird es auf jedenfall sein ...  :-D
Aber Spitzklinge scheidet defintiv aus!!!
Hab bei der Doppelspitze schon an ein Käsemesser gedacht ...  :nono:  :irre:  :narr:

Bei all dem darf man nicht vergessen, dass die Fundgegend relativ "flintarm" ist. Stücke in dieser Größe sind da recht selten.
Werd es auf jedenfall dem zuständigen Landesamt in die Finger geben ...

ciao
das Wühlmäusle

rolfpeter

Servus Freunde,

schau doch mal diesen Faden, liebe Wühlmaus.
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,14979.msg81892.html#msg81892
da geht es sich um Spitzklingen.
Wenn es ums Neolithikum im Rheinland geht, empfehle ich immer wieder gerne den guten alten Lutz Fiedler: "Formen und Techniken neolithischer Steingeräte aus dem Rheinland"  Dissertation von 1975, Zusammenfassung in "Rheinische Ausgrabungen 19"
Mir ist nichts besseres auf dem Gebiet bekannt.
Das Buch sollte zumindest antiquarisch noch zu bekommen sein.

Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

wühlmaus

Hallo rolfpeter

danke für die weiteren Hinweise ...

Rheinische Ausgrabungen 19 hab ich jetzt online bestellt. Die Dissertation selbst habe ich als Monographie leider nicht finden können ...

:gn

das Wühlmäusle

Khamsin

Salaam Mäusle!

Was habe ich gesagt, RP ist eben die richtige Adresse!

Die Diss. von L.F. gibt es nicht als separat gedruckte Monographie. Sie ist in den RA 19 publiziert.
Manches ist natürlich überholt, denn seit 1979 hat sich ja einiges getan. Aber ich pflichte RP nur zu gerne bei: Für im Rheinland tätige Steinadepten ist das noch immer die erste Adresse. Und wenn man das noch ergänzt durch das Mitte 2006 erschienene Werk "Urgesch. im Rheinland" (dort vor allem der Beitrag von Meurers, Kalis und Zimmerman zum Neolithikum): herz, was willst Du mehr!

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

wühlmaus

Hi Khamsin

dickes Merci für den weiteren Literaturtip - hab ich eben bei Amazon bestellt - nach einem etwas längeren Blick in meine Brieftasche  :heul:

So langsam werd ich wieder mit den lithischen und sonstigen vorrömischen Epochen warm ...

Nicht, dass ich sie jemals wirklich aus den Augenwinkeln verloren hätte ... aber es ist schon einiges an Jahren her, dass ich gezielt nach ihnen gesucht habe ...

Das hat sich schon seit ein paar Monaten angebahnt. Ich hab einfach bei den Stellen, die ich abgesucht habe immer wieder alle Zeiten Querbeet dringehabt. Es macht einfach keinen Sinn nur auf metalllastige Zeiten wie römisch oder frühe Neuzeit zu gehen. Man verpasst  mindestens 80% der Show, wenn man da stehenbleibt, wo die Ziegelstreuung der Villa Rustica aufhört ... 
Mitlerweile überlege ich jedesmal, wenn ich losfahre ob ich für das anvisierte Gebiet überhaupt einen Detektor mitnehmen soll ...

Ohne jetzt in weihnachtliche Lobhudeleien ausbrechen zu wollen, aber es war zum größtenteil "Schuld" diese Forums, dass ich diese kleinen "Feuersteindinger" wieder liebgewonnen hab. Manchmal muß der Funken, den man in sich hat, eben wieder etwas angeblasen werden ...

rolfpeters Funde und Fachwissen zeigen wunderschön, dass unser Rheinland neben Römern und Steinzeug noch ganz andere Pretiosen zu bieten hat ...
Aber auch:
Rambo, silex, agersoe und auch Dir lieber Khamsin mal nebenbei ein zweimal dickes weihnachtliches Merci für die geballte Ladung Fachwissen, Schau - und Lesestoff des letzten Jahres ...

Ich denke mal, dass es einigen so ging, wie mir. Vieles an Interesse für diese "Steine" und "ömmeligen Scherben" wird erst durch das Wissen über sie und das Begreifen der Zusammenhänge geweckt ...

ciao
das Wühlmäusle


Der Wikinger

#13
Hallo Wühlmaus  :-)

Ich wünsche dir und allen im Forum ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr !!  :super: :winke:

Ich kann dir nur zustimmen, dass dieses Steineforum sehr gut ist, und es "lebt" ja nur, weil Leute wie du die interessanten Funde zeigen.
Ich wünsch dir auch im neuen Jahr gut Fund, damit wir noch viel mehr zu sehen bekommen !!!

:winke: :winke:

rolfpeter

Hallo Mäuse, Agersoes, Edis, Khamsins, Rambos, Käptns, Würste usw usw....

euch allen vielen Dank für das interessante Jahr, für gewonnene Erkenntis und kurzweilige Diskussion,
allen ein besinnliches Weihnachtsfest, ein gutes Neues Jahr, Gesundheit, Erfolg, Finderglück und sauft und freßt nicht zuviel!!

Euer
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

wühlmaus

Keine Sorge RP ... das trainier ich ab 2. Weihnachtstag wieder auf den Äckern ab ...  :-D

fröhliche Weihnachten Euch allen

das Wühlmäusle