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Lesefunde => Steinartefakte => Thema gestartet von: Silex in 08. Dezember 2007, 23:26:31

Titel: Klingenkratzer mit seltsamer "Basis"
Beitrag von: Silex in 08. Dezember 2007, 23:26:31
Die Archäologen sagen dass das Ding ca. 10- 12000 Jahre alt ist. Aber auch,  dass diese Retuschierung die der Kratzerkante gegenüberliegt absolut ungewöhnlich sei.
Könnte es sich um eine Schäftungsretusche handeln oder rühren die Abschläge noch von der ehemaligen Kernfunktion des Ursprungsteiles-  bevor dieser Abschlag getätigt wurde?
Das Material ist übrigens wieder der exquisite, berühmte Arnhofener Hornstein, (an dieser Fundstelle  im Endpaläolithikum vornehmlich für Stichel und längere Kratzer verwendet).
Danke und schönen Sonntag wünscht
Edi
Titel: Re: Klingenkratzer mit seltsamer "Basis"
Beitrag von: Der Wikinger in 09. Dezember 2007, 00:02:51
Hallo Edi  :-)

Wieder scheint mir eine irritierende Diskrepans zwischen Zeichnung und Foto zu sein  :irre: , das verwirrt leider.

Nun, ich fühle mich ganz überzeugt, wie du auch andeutest, dass es sich hier um eine Kantenpreparation des ehemaligen Kerns handelt.
Das sieht man schon öfter.
Der Kratzer ist ja ganz deutlich aus einem Abschlag von einem Kern gemacht worden.

Hast du vielleicht fotos von der Bulbusseite, und von einem Seitenansicht ?

Sehr schönes Stück ist das !!

Titel: Re: Klingenkratzer mit seltsamer "Basis"
Beitrag von: Silex in 09. Dezember 2007, 00:23:59
Danke , agersoe,
der Zeichner , es ist ein neuer...er kann Zeichnen...aber nicht das was ist!
Das Gerät ruht  in den Untiefen meiner Beutelsammlung.
Ich schau mal ob ichs wiederfinde wenn der Urlaub mit Frost einhergeht.
Ich hatte mir die "Frage" selbst erst nach dem "Archivieren" gestellt als ich  das Foto wieder gesehen hatte.

Bis bald treuer Gefährte
und Findeglück (sonst auch) wünscht
Edi

Titel: Re: Klingenkratzer mit seltsamer "Basis"
Beitrag von: Khamsin in 09. Dezember 2007, 12:49:32
Salaam Edi, Steen!

Grundsätzlich: Zitat Edi: "der Zeichner , es ist ein neuer...er kann Zeichnen...aber nicht das was ist!". Mein Kommentar: Faszinierend, aber so kann´s im Öffentlichen Dienst wirklich sein...!

Was tatsächlich an "diese(r) Retuschierung die der Kratzerkante gegenüberliegt absolut ungewöhnlich sei(n)" soll, wird wohl das Geheimnis der begutachtenden Archäologen bleiben. Not our problem, though!

Ihr habt es beide ja schon klar erkannt. Die feine Retuschierung der sog. Abbaukante vornehmlich an Klingen wurde schon vor vielen Jahren als sog. Dorsalflächenreduktion beschrieben. Sie geht im übrigen nicht selten einher mit einer zusätzlichen intentionellen Verrundung, dem sog. edge abrading.

Beides, Dorsalflächenreduktion und edge abrading sind eindeutige Merkmale für die Anwendung der sog. direkten weichen Schlagtechnik, sei es mit einem Geweihschlägel oder einem Schlagstein aus "weichem" Gestein. Das reicht sicher vom Jung- über das Spätpaläolithikum bis zum Mesolithikum.

Der Grund für diese Präparationsmassnahme ist, die durch frühere Grundformabtrennung(en) zu beiden Seiten des Schlagpunktes entstandenen sog. Überhänge der Schlagfläche zu entfernen und dadurch wieder einen korrekten Abtrennwinkel, im Klartext eine in Längsrichtung gewölbte proximale Abbaufläche, zu schaffen (siehe Seitenansicht mit deutlicher Wölbung dieser Partie bis zu einem winzigen Absatz an der Linie, dort, wo die Präparationsnegativchen enden!). Ohne diese Präparation ist eine Abtrennung in direkter weicher Schlagtechnik zum Scheitern verdammt, und es kommt unweigerlich zu sog. Steckenbleibern, i.e. sog. hinge fractures.

Im Gegensatz dazu ist eine vergleichbare Präparation bei der Anwendung der sog. Zwischenstücktechnik, i.e. sog. Punchtechnik, nicht erforderlich. Das wird ja sowohl an z.B. alt- und mittelneolithischen Klingen als auch an entsprechenden Restkernen deutlich. Das wiederum liegt daran, das die kinetische Energie nicht auf die Kante (wie bei der direkten weichen Schlagtechnik), sondern immer an einem Punkt dahinter auf der Schlagfläche einwirkt. Dadurch wiederum ist die Gefahr von hinge fractures ausgeschlossen.

@Edi: Unbeschadet des zackigen Verlaufes der Abbaukante auf der Zeichnung: Gibt es eventuell fühlbare Verrundung dort?

Schala gaschle KIS

 



Titel: Re: Klingenkratzer mit seltsamer "Basis"
Beitrag von: rolfpeter in 09. Dezember 2007, 18:19:33
Ich sag's doch schon immer: der Khamsin kennt sich aus! Was helfen die tollsten Theorien, wenn man sie nicht nachvollziehen kann.
Oder frei nach Lenin: Die Theorie wird zur Praxis wenn die Masse sie begreift.
Danke für den lehrreichen Beitrag.

Herzliche Grüße
RP
Titel: Re: Klingenkratzer mit seltsamer "Basis"
Beitrag von: Silex in 09. Dezember 2007, 19:44:56
Vielen Dank Leute....es ist immer wieder erhebend eine schlüssige, logisch aufgebaute, ....und die eventuellen Fragen der Wissenwollenden gleichmiteinschließende,  Antwort wie die von Khamsin  mehrfach durchzuackern und  abzuspeichern.
Abrasionen waren keine, Khamsin....soweit ich mich erinnere.....denn die Enden beäuge ich immer ziemlich genau.

Danke nochmals.... ich bin schon wieder etwas weiter durch Euch....
schönes Restwochenende noch

Edi