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Lesefunde => Steinartefakte => Thema gestartet von: thovalo in 06. August 2025, 22:39:08

Titel: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: thovalo in 06. August 2025, 22:39:08

Moin!


Dieser Fund wirkt auf den ersten Blick sehr unspektakulär. Wer in einer Region mit eiszeitlichen Geschiebefeuertein lebt und sucht, kennt solche Stücke zur Genüge.

Gefunden wure der rezent beschädigte Beleg im Bereich eines spätaltsteinzeitlichen Lagerplatzes an einem verlandeten Altarm des wilden Rheins (als er noch in keiner Weise vom Menschen beeinflußt war).

Das Fundareal liegt außerhalb der Verbreitung des nordischen Geschiebefeuersteins, außerhalb der Verbreitung des Maasschotterfeuersteins, sowie aller primären Lagerstätten von Feuerstein, die erst ab Aachen bis weit in das Maasgebiet hinein auftreten. Lediglich rundliche Maaseier sind durch gewaltige Verlagerungen aus dem Gebiet der Maasregion bis hierher verlagert worden.

Dieses Stück Geschiebefeuerstein muss daher von einem anderen Ort her eingetragen worden sein. Das nächst gelegene obertägige Vorkommen liegt zwei Ort weiter, etwa 9 km entfernt. Dort sind exakt solche Formate von Geschiebefeuersteinstücken in gebrauichsfähigen Zustand anzutreffen.

Ob die Menschen tatsächlich auch dort dieses Material aufgelsen hatten, das lässt sich heute nicht sicher belegen.

Tatsächlich war es erst auf dem zweiten Blick zu erkennen, aber an dieser Knolle wurde ein Schlagplateau angelegt von dem aus dann eine Klingenbahn geschlagen worden ist. In dem weißlichen Gekrissel war das erst gar nicht erkennbar. Die Abtrennung erfolgte exakt entlang der Kernkante, die dafür nicht gesondert präpariert worden war.

Von der Qualität des Stücks überzeugt, blieb die Knolle mit anderen solcher Stücke im Bereich des Lagerplatzes zurück, wo sie vermutlich als Manuporte, bzw. kurz angeschlagene Gesteine, dienen sollten, als zurückgelassene Vorratsstücke für den Gebrauch bei einer späteren Wiederkehr.


Die Knolle war der einzige Fundbeleg im Zeitraum von knapp zwei Stunden systematischer Prospeltion auf abgeernteter aber noch nicht neu bearbeiteter Feldflur.

Die geplante Grabungskampagne für dieses Jahr ist abgesagt worden, da der neue Pächter der Flur die Genehmigung dafür der offiziellen Archäologie nicht erteilt hat. Bei meinem heutigen Gespräch bei ihm konnte ich leider keine Änderung erreichen. Manchmal ist so eine persönliche Intervention ganz hilfreich.

Immerhin habe ich die Zustimmung erhalten, dass ich die systematischen Prospektionen weiterführen und damit auch die Dokumentation der Funde des Platzes weiterführen kann.

Es ist schon kurios daß, wenn schon Gelder und Personal für eine Grabung bereit stehen, es dann letztendlich noch am Desinteresse und der Verweigerung des Landwirts scheitert.

Noch kann ich, mit meinen gesundheitlihen Einschränkungen, einigermaßen kontinuierlich Begehungen durchführen und freue mich darüber, dass ich dieses "Vergnügen" weiter haben kann.


lG Thomas  :winke:
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Jondalar in 06. August 2025, 23:06:00
Hallo Thomas,

vielen Dank für die spannende 'Geschichte' aus dem spätpaläolithischen Kontext. Selbst die Klingenbahn hätte ich nur mit Mühe erkannt... Und den Begriff 'Manuport' -die Rechtschreibekorrektur will 'Kanusport' daraus machen- kannte ich bisher nicht...
Mögen Dir auch an diesem Platz noch viele 'sprechende' Funde vergönnt sein!

Jondalar
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Steinkopf in 07. August 2025, 12:34:21
Moin Thomas,
Danke für diesen Beitrag mit einer Schlagbahn als Überraschung.
Eingebettet in die regionalen Gegebenheiten werden aus den gefundenen Steinen
Kronzeugen des vergangenen Treibens. Immer wieder interessant!

LG
Jan

Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: thovalo in 07. August 2025, 13:44:38
Zitat von: Steinkopf in 07. August 2025, 12:34:21Moin Thomas,
Danke für diesen Beitrag mit einer Schlagbahn als Überraschung.
Eingebettet in die regionalen Gegebenheiten werden aus den gefundenen Steinen
Kronzeugen des vergangenen Treibens. Immer wieder interessant!

LG
Jan




Ganz genau so ist das in diesem speziellen Fall!  :super:
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: thovalo in 07. August 2025, 14:08:28
Zitat von: Jondalar in 06. August 2025, 23:06:00Hallo Thomas,

vielen Dank für die spannende 'Geschichte' aus dem spätpaläolithischen Kontext. Selbst die Klingenbahn hätte ich nur mit Mühe erkannt... Und den Begriff 'Manuport' -die Rechtschreibekorrektur will 'Kanusport' daraus machen- kannte ich bisher nicht...
Mögen Dir auch an diesem Platz noch viele 'sprechende' Funde vergönnt sein!

Jondalar

Moin Jondalar!

Die vergangenen Woche habe ich von der zuständigen Denkmalpflege die Rückmeldung erhalten, dass der Landwirt, der die Fläche pachtet, nicht auf die mehrfachen Anfragen zur Durchführung einer Grabung auf dem Gelände geantwortet hatte.

Gestern habe ich den Landwirt besucht und mit ihm die Dinge besprochen. Er hat nicht geantwortet, weil er keine archäologischen Maßnahmen auf seinem gepachteten Boden haben möchte, "weil es ihn einfach nicht interessiert"!

Ich habe angeboten, ihm gerne die Geschichte der Funde und die Fundgeschichte anhand von Originalfunden zu erzählen und darzulegen. Auch da sagte er freundlich Nein, das interessiere ihn nicht. Sie hätten als Familie andere Interessen.

Das habe ich der Denkmalpfelge dann genau so zurückgemeldet, die ja Finanzen und Personal für die Grabung vorgehalten hat. Die zeigte sich sehr enttäuscht. Der Platz ist von weit überregionaler Bedeutung und ich hatte gedacht, das man, wenn man so enttäuscht ist, die Grabung ja auch per gesetzlicher Bestimmungen durchsetzen kann. Das wird man aber nicht tun, weil man den Konflikt scheut.

Mir persönlich ist das gleichgültig, denn ich habe trotz des klaren Neins zur Grabung die Erlaubnis, daß ich den Platz weiterhin sytematische prospektieren und durch Einmessungen dokumentieren kann. Da ich aktuell nicht so ideal mobil bin, ist es für mich auch gut so dort weiter meine ruhigen Bahnen ziehen zu können und einzumessen was sich finden wird.

Zudem hat derselbe Landwirt hier im Ort noch eine Feldflur gepachtet, auf der eine noch nicht publizierte und gleichfalls überregional bedeutende Fundstelle des Mesolithikums liegt, die ich seit drei Jahrzehnten für den LVR im Blick halte und dokumentiere.


Damit ist mein Prospektions"tableau" für das, was ich relaistisch schaffen kann, auch voll genug.

Drumherum beschäftige ich mich dann weiter mit der hier produzierten mittelalterlichen Keramik und anderen Aufgaben.

Mit den Vertretern der Stadtarchäologie in Düsseldorf prospektiere und übergebe ich am Montag einen weiteren Platz am Rhein, den ich nicht mehr schaffe. Dem folgen dann alle weiteren Plätze in diesem  Zuständigkeitsbereich.

Es fühlt sich gut an Vieles geschafft zu haben und Vieles loslassen zu können.


lG Thomas   :winke:
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Jondalar in 07. August 2025, 20:40:10
Hallo Thomas,

vielen Dank für Deine weitergehenden 'einbettenden' Erläuterungen. Meine Erfahrungen was Ämter oder öffentliche Institutionen im Bereich der Paläontologie anbetrifft, ist, dass es nicht so ganz einfach wird, sobald Schwierigkeiten oder Anstrengungen zu erwarten sind  ;)  Aber das ist sicherlich auch sehr von der jeweiligen Person abhängig...
 
Was die 'Überzeugungsarbeit' bei Grundstückseigentümern hinsichtlich Ausgrabungen anbetrifft, kann ich nicht sonderlich viel dazu beitragen, da ich kein großer Fossilien- oder sonstiger 'Gräber' bin. Von einem Bekannten weiß ich jedoch, dass er einen hübschen Ordner mit vorher-nachher-Fotos angelegt hat, um zu dokumentieren, dass es am Ende selbst großflächiger Grabungen wieder so aussieht wie vorher und das auch der zur Seite gelegte Mutterboden wieder da ist, wo er sein soll. Das ist wohl sehr zielführend, vielleicht allerdings auch wegen einer kleinen (finanziellen) Zuwendung an den Besitzer...  ;)
Wünsche Dir weiterhin viel Freude an Deinen verbliebenen Arealen und die körperliche Konstitution die Kilometer zu laufen. Denn, um die Beitragsunterschriften der verstorbenen Gabi 'Wiesenläufer' zu zitieren, 'Wer viel läuft, findet viel!'   ;)

Jondalar
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Nanoflitter in 07. August 2025, 20:57:27
Von Professor Fiedler gab es beim letzten Treffen der AG eine interessante Anmerkung zu Feuerstein, wo er eigentlich nicht sein sollte. Er macht dafür u.a. den früheren Einsatz von Torf aus dem Norden als Dünger verantwortlich, der wohl oftmals auch Feuersteine enthielt. Trifft nun auf dein Beispiel nicht zu, da es ja Bearbeitungsmerkmale enthält, aber allgemein eine interessante Theorie. LG
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Wiedehopf in 07. August 2025, 21:05:51
ZitatGestern habe ich den Landwirt besucht und mit ihm die Dinge besprochen. Er hat nicht geantwortet, weil er keine archäologischen Maßnahmen auf seinem gepachteten Boden haben möchte, "weil es ihn einfach nicht interessiert"!

Ich habe angeboten, ihm gerne die Geschichte der Funde und die Fundgeschichte anhand von Originalfunden zu erzählen und darzulegen. Auch da sagte er freundlich Nein, das interessiere ihn nicht. Sie hätten als Familie andere Interessen.

Du hast meiner Meinung nach alles mögliche getan. Sei froh, dass du einen Kompromiss bzgl. der Begehungen erreicht hast. Für den Landwirt gehts vielleicht um die wirtschaftliche Existenz. Jeder Hektar zählt. Ich habe selbst erlebt wie alle kleinen Landwirtschaftsbetriebe in einem Dorf im Sauerland kaputt gegangen sind und nur ein einziger fetter Bauer überlebt hat, der im Umkreis von 50 km alles mögliche zugepachtet hat. Die haben gar keinen Sinn für unser Nischeninteresse, so unverständlich das für uns auch sein mag   :nixweiss: . Aber dafür einen 18 Stunden Job pro Tag und das, bis sie tot umfallen.   

Viele Grüße
Michael
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Wiedehopf in 08. August 2025, 09:09:24
ZitatEr macht dafür u.a. den früheren Einsatz von Torf aus dem Norden als Dünger verantwortlich, der wohl oftmals auch Feuersteine enthielt.

Das hätte ich bisher aufgrund der Entstehungsgeschichte der Torfmoore kategorisch ausgeschlossen. Aber, wieder was gelernt.

Viele Grüße
Michael
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Nanoflitter in 08. August 2025, 11:30:51
Ja, hab ich mich auch gefragt, denke aber beim industriellen Abbau war wohl oft auch mal ne Schippe Sand dabei  :nixweiss: LG
Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: Steinkopf in 08. August 2025, 23:21:39
Nanoflitter schreibt:
"Von Professor Fiedler gab es beim letzten Treffen der AG eine interessante Anmerkung zu Feuerstein, wo er eigentlich nicht sein sollte. Er macht dafür u.a. den früheren Einsatz von Torf aus dem Norden als Dünger verantwortlich, der wohl oftmals auch Feuersteine enthielt."

Der Torf selbst enthält keine Steine. Wenn pleistozäne Sande unterhalb des Torfes mit abgeschürft wurden,
kann das natürlich sein.

LG
Jan

Titel: Aw: Ein unscheinbares Stück nordischen Feuersteins
Beitrag von: thovalo in 09. August 2025, 12:24:20

Moin!

Umlagerungen, bei denen Feurstein wie auch Artefakte verlagert worden sind, kommen gar nicht so selten vor. Landwirte haben schon in der Frühen Neuzeit immer wieder Flure beräumt und natürliche Senken, die z.B. ständig feucht gewesen sind, mit anderswo abgetragenen Material verfüllt.


Deshalb ist ja auch wichtig einen Fundplatz über einen längeren Zeitraum gut zu dokumentieren, damit man die Fundsituation richtig einschätzen kann.

Auf dem hier gelegenen Fundareal ist tatsächlich auch eine solche kleine Senke verfüllt worden, allerdings mit Ziegelschutt. An dieser Stelle kommen auch keine lithischen Artefakte vor weil die Stelle damit abedeckt worden ist. Die Studenten der Begehungen haben den Schrott dann in ihrer Ahnungslosigkeit erstmal fleißig mit aufgesamelt und eingessen, was die Stelle zwar markiert, aber das eigentliche Vorhaben erheblich gebremst hat.

Auch flächengreifende Drainagen haben viele Fundplätze in ihren Befunden zerstört und die Artefakte total verlagert. Zum Glück konnten wir das inzwischen für den spätaltsteinzeitlichen Fundplatz ausschließen.

Es gibt also tatsächlich eine kleine Partie mit einer Überlagerung, aber keine Aktivitätsnachweise die zu einer Verlagerung geführt haben.


Die archäologische Erfassung eines Fundplatzes kann äußerst komplex werden.



lg Thomas  :winke: