Hallo Mitsucher,
ich bin vor kurzem über diese kleine Silberpetschaft gestolpert. Der Schildform (tartschenförmig) nach stammt das Teil aus der Zeit um 1600, abgebildet ist ein einfaches adliges Wappen. Auch das verwendete Material weist auf eine höhergestellte Person hin.
Durch einen Zufallstreffer hat sich das Wappen recht schnell als jenes der Familie Lengheim (http://www.landesarchiv.steiermark.at/cms/dokumente/11683610_77969250/6ea6a350/48%20bis%20165%20aus%20Mitteilungen%2012-Das%20verlorene%20Langheimer%20Archiv%201326%20-%201800%20.pdf) herausgestellt, einer alten österr. Adelsfamilie die besonders in der Südoststeiermark begütert war. Jetzt ergab sich nur ein Problem: Weder passen die Initialien BVK zu dem Nachnamen Lengheim, noch gab es in der Familie überhaupt männliche Vornamen die mit B beginnen.
Es gab jedoch eine Benigna von Lengheim, geb. 1550, gest. ~1620, die um 1576 als "verwitwete Benigna v. Kuenburg, geborene Lengheim" eine Heiratsabrede mit Otto v. Herberstorff einging. In 1. Ehe war sie verheiratet mit Kaspar v. Kuenburg, der 1570 starb. Aus der 2. Ehe mit Otto v. Herberstorff ging u.a. Adam v. Herberstorff (http://de.wikipedia.org/wiki/Adam_Graf_von_Herberstorff) hervor, der als General im 30jährigen Krieg und bei der Niederschlagung des oberösterr. Bauernaufstandes (Frankenburger Würfelspiel (http://de.wikipedia.org/wiki/Frankenburger_W%C3%BCrfelspiel)) eine ziemlich blutige Rolle spielte.
Zeitlich und von den Initialien würde sie perfekt passen. Auch das fehlen von Helm und Helmzier würde gut zu einem Frauensiegel passen. Aber kann es sein, dass verheiratete bzw. verwitwete Frauen den Namen des Mannes zusammen mit dem Wappen des Vaters führten?
Ja, das gab es und war durchaus üblich im niederen Adel (vielen Dank an Simplicus vom Heraldikforum für die Hilfe bei der Recherche).
Aus Zur österreichischen Siegelkunde (http://books.google.de/books?id=-5ZEAAAAcAAJ&hl=de&pg=PA316#v=onepage&q&f=false)
ZitatDie österreichischen Frauensiegel theilen sich im Allgemeinen in
1. solche, auf welchen das Wappen des Mannes erscheint;
2. welche das angestammte Wappen führen, und
3. welche Beide vereinigen.
Aus Die Siegel der österreichischen Fürstinnen im Mittelalter, von Carl von Sava (http://books.google.de/books?id=MVI_AAAAcAAJ&hl=de&pg=PA142#v=onepage&q&f=true)
ZitatBei den Damen des niederen Adels in Österreich findet sich der Gebrauch des väterlichen Stammwappens allein ziemlich häufig, und es erscheint dabei in der Umschrift bald der Geschlechtsname des Vaters, bald jener des Gemahls. Von dem höheren Adel Deutschlands erwähnen wir der Elisabeth von Hohenlohe, gebornen Gräfin von Öttingen (anno 1313—1330), welche in ihrem Siegel den Schild von Ottingen führt, in der Umschrift aber sich Elisabeth von Hohenlohe nennt.
Leider ist das Familienarchiv der Lengheims mit dem Aussterben der Familie 1835 verloren gegangen. Damit gibt es keine Möglichkeit, die Zuordnung anhand einer Originalurkunde eindeutig zu verifizieren. Aber die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr hoch, dass es sich hier um die Petschaft der Benigna v. Lengheim, Mutter des Bauernschlächters Adam v. Herberstorff, handelt. Und dieser persönliche Bezug ist genau der Grund, warum ich Petschaften so mag. :-D
Adios, Bert
Klasse Stück, danke fürs zeigen :super:
Klasse Recherche,
das macht Suchen und Sammeln so wert- und sinnvoll! :super:
Servus Bert,
toller Fund und nochdazu, wenn man ihn identifizieren kann. :prost:
Grüße
Robert :winke:
Hallo Bert
Es ist als ob der Petschaft nach der langen Zeit in der Erde wieder Leben eingehaucht wurde. Die Aura der Geschichte umhüllt sie. Sehr schön. Nur schade das die Familie ausgestorben ist. Das wäre dann der Gipfel gewesen der Familie eine Brücke in die Vergangenheit zu übergeben.
Schön das du es geschafft hast die Petschaft zu identifizieren. Du hast dem Fund einen Ankerplatz auf der Zeitschiene der Geschichte verschafft.
:super: Michael
Ich weiß gerade nicht was ich besser finde, Petschaft oder die Recherche und entstandene Geschichte dazu :super: :super: :super:
Top Fund mit top Recherche! :super:
Ich find diesen Beitrag echt Klasse!
Danke. :super:
Prima Sache...!
Grüße, :winke:
Micha
Hallo Bert,
toller Fund :super:
Ist die Familie "richtig" ausgestorben, oder hat es keine männlichen Erben gegeben ?
Vielleicht geht da noch was; falls Töchter da waren und der Name hat sich geändert.
Bodenfund ? Hat sich ja auch noch niemand über die fehlende Patina beschwert :dumdidum:
Gruß :winke:
@strato: Irgendwo wird es sicher noch ein paar entfernte Nachkommen geben, der Genpool des steirischen Adels war den ganzen Verwandtschafsbeziehungen nach ohnehin ziemlich beschränkt. ;-) Die direkte Linie der Familie ist allerdings komplett ausgestorben, die Tochter des letzten Lengheimer Grafen verstarb kinderlos.
Ich werd schon nochmal mein Glück im Landesarchiv versuchen, die vorhandenen Unterlagen der Lengheims und Herberstorffer sind mit je 1 Karton ohnehin sehr übersichtlich.
Hallo,
eine überaus spannende Recherche zu dem tollen Fundstück!
Das macht richtig Freude ein solches Ergebnis mitzuerleben.
Grüße
Peter
Ich habe mir jetzt ein Büchlein über die Familie Lengheim gekauft, und da sind glücklicherweise auch einige Siegelabdrücke abgebildet. Unter anderem von Benigna v. Lengheim, die 1575 nach dem Tod ihres 1. Mannes Caspar v. Khünburg mit BVL und dem Lengheimer Wappen siegelte. Daneben das Siegel der Sibilla von Eggenberg, die als Frau Georg v. Lengheims mit SVL und ihrem Eggenberger Stammwappen siegelte.
Man kann also sagen: Frauen siegelten idR mit ihrem Stammwappen und dem Namen des Ehemannes, wenn er noch lebte. Wenn nicht, ging es zurück zum Mädchennamen. Damit kann man die Petschaft hier ziemlich sicher der Benigna von Lengheim zuordnen, als sie mit Caspar v. Khünburg verheiratet war, und damit der Zeit 1568-1570.
Adios, Bert
Einfach klasse :super:
Mal eine generelle Frage zu Siegeln und Petschaft. Unterscheidet man zwischen solchen mit Spiegelverkehrter Schrift und solchen mit normal lesbaren oder ist dieses Siegel in der Beziehung besonders.? Gibt es die normal lesbaren öfters? :kopfkratz:
Gruß Signalturm
glückwunsch zu der tollen petschaft und zur 1a recherche.
Ein nachvollziehbares stück geschichte mit absoluter gänsehaut-garantie !
Zitat von: Signalturm in 08. Januar 2014, 07:25:02
Mal eine generelle Frage zu Siegeln und Petschaft. Unterscheidet man zwischen solchen mit Spiegelverkehrter Schrift und solchen mit normal lesbaren oder ist dieses Siegel in der Beziehung besonders.? Gibt es die normal lesbaren öfters? :kopfkratz:
Gruß Signalturm
Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Bert das Bild ganz oben bereits digital gespiegelt.
Petschaften sind wohl generell spiegelverkehrt, sodass man das eigentliche Siegel lesen kann.
Gruß :winke:
Zitat von: Signalturm in 08. Januar 2014, 07:25:02
Unterscheidet man zwischen solchen mit Spiegelverkehrter Schrift und solchen mit normal lesbaren oder ist dieses Siegel in der Beziehung besonders.?
Das Bild oben ist bereits gespiegelt. Die Schrift auf Siegelstempeln ist immer spiegelverkehrt ausgeführt.
Adios, Bert
Genial!!! :super: