Moin!
Über weit mehr als dreißig Jahre hinweg prospektiere ich bei Niedrigwasser einen Teilbereich des Rheins, an dem noch Schichten der frühen Neuzeit erhalten geblieben sind. Bei steigenden und sinkenden Pegeln, wäscht der Fluss die Uferzonen aus und radiert, durch die berg- und talfahrenden, mittlerweile sehr schweren Schiffe, die Uferzonen auch weitgehend ab.
Diesen Prozess begleite ich regelmäßig. In aller Regel finden sich nur klein gebrochene Fragmente von innen glasierten Irdenwaregefäßen wie Grapen, Stieltöpfe, Bräter, Krüge, Kanne und von Trinkgeschirren aus den Steinzeugzentren Raeren, Langerwehe, Frechen, Köln und Siegburg.
Vergangene Woche begleitete mich ein junger Freund, der sich nun langsam in die recht komplizierte Stratigrafie des Fundbereichs einarbeitet und mich unterstützt.
Während er einen Teibereich genau inspizierte entdeckt ich an einer anderen Stelle ein kleines Stück Steinzeug aus dem Boden ragen und schob den Bereich kurz entschlossen mit dem Fuß frei ........
...... es handelt sich um die extrem seltene Sonderform eines kelchförmig ausgebildeten Bechers nach dem Vorbild zeitgenössischer Gläser aus einer Siegburger Werkstatt ......
Erst nach der Lösung aus dem Erdreich und nach leichten Abspülen wurde eine individuell eingestempelte Datierung in das Jahr
1 5 7 4
erkennbar
Es fehlt ein größeres Stück der Wandung auf der sich dann das Wappen des Bestellers befunden hatte. Auch bei intensiver Nachsuche weit um den Fundpunkt herumm fand sich dieses Stück nicht mehr. Entweder ist es weiter weg verlagert worden oder wurde bereits abgeschwemmt.
Bislang konnte ich noch ZWEI Vergleichsstücke in der Literatur ausfindig machen.
Ein Becher aus dem Kölner Museum für Kunst und Gewerbe mit der individuellen Datierung
1576
und einen im Landesmuseum Mainz mit der Datierung
1579
Der Neufund ist das älteste bsialng bekannte Gefäß dieser speziellen Form und weit mit 16 cm dieselbe Höhe wie der Becher aus Köln auf.
Was an dem Neufund von den beiden anderen Stücken untersheidet sind zwei Punzen, einmal eine Blüte und einmal ein Eichenblatt, die als Dekorelemente mit verwendet wurden. Diese Punzen fehlen an dern anderen beiden Exemplaren.
Aufgrund der außerordentlich klar und formaltypologisch ausgewogen ausgeführten Sonderform sowie der Zeitspanne der individueller Datierungen von 1574 bis 1579, ist dieser Fundbeleg mit hoher Wahrscheinichkeit dem besten deutschen Töpfermeister der Spätrenaissance, Christian Knüttgen aus Siegburg, zuzuweisen.
Trotz der fehlenden Wappenauflage, handelt es sich um einen wissenschaftlich bedeutenden Keramikfund aus der Zeit des 16. Jhs. der auch gleich hohes Interesse geweckt hat.
Der gereinigte Becher und das gleichfalls 16 cm hohe Vergleichsstück aus Kölner Museumsbestand mit der Datierung ANNO 1576. Der Kölner Becher trägt das Allianzwappen der Familie von Sayn und einer noch nicht identifizierten weiteren Familie.
Es wäre möglich, dass der Neufund dasselbe Wappen getragen hatte, denn ein Graf zu Sayn war Burgvogt im Ort und es liegt bereits eine Steinzeugscherbe mit Blaufärbung und dem Wappen Heinrich IV von Sayn von diesem Fundbereich vor.
Im Verlauf der sorgsamen Nachsuche nach dem fehlenden Wandungsstück fand sich 10 cm neben dem Fundpunkt des großen Gefäßes noch dieser kleine, 10.5 cm hohe Trichterhalsbecher des 16. Jhs. Im Bereich des Fundareals finden sich solche einfachen TrichterhalsBECHER bemerkenswerterweise deutlich seltener als mit Reliefauflagen verzierte TrichterhalsKRÜGE.
lG Thomas
https://sucherforum.de/keramik-glas-und-porzellan/wappen-des-heinrich-iv-von-sayn-sayn/msg261630/#msg261630
Hier noch der link zum Fund einer Wappenauflage der Familie von Sayn aus derselben Fundschicht vor etlichen Jahren.
Das Wappen ist sogar mit dem auf dem Kölner Becher identisch, wie ich gerade erst gesehen habe. Damit ist auch die individuelle Person identifiziert, denn der Name steht auf dieser Auflage in der umlaufenden Beischrift.
lG Thomas :winke:
Einen außergewöhnlichen Fund hast du hier sehr ausführlich und interessant für uns präsentiert.
Vielen Dank.
Michael
Wenn ich das noch mit einem Zitat aus einem alten Fachbuch ergänzen darf:
'zu den kostbarsten Arbeiten, welche die Siegburger Zunft producirt hat, gehören die kelchartigen Gefäße. Sie sind in den einzelnen Theilen aufs sorgfältigste gearbeitet und so geschmackvoll ornamentiert, daß sie den besten Goldschmiedearbeiten würdig an die Seite dürfen gesetz werden.'
Eine schöne Geschichte über die Entdeckung zweier seltener Fundstücke, meinen Glückwunsch dazu :super:
LG Holger
Zitat von: Wiedehopf in 11. Juli 2025, 16:34:45Wenn ich das noch mit einem Zitat aus einem alten Fachbuch ergänzen darf:
'zu den kostbarsten Arbeiten, welche die Siegburger Zunft producirt hat, gehören die kelchartigen Gefäße. Sie sind in den einzelnen Theilen aufs sorgfältigste gearbeitet und so geschmackvoll ornamentiert, daß sie den besten Goldschmiedearbeiten würdig an die Seite dürfen gesetz werden.'
Vielen lieben Dank für Deine Unterstützung!
Darüber freue ich mich riesig. :super: