Sucherforum

Sondenfunde => Gewichte, Münzgewichte, Marken, Rechenpfennige => Thema gestartet von: Hydrochloritrix in 31. März 2008, 16:44:26

Titel: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: Hydrochloritrix in 31. März 2008, 16:44:26
Hallo zusammen

Ich war gestern doch erstaunt als ich diese Münze fand.

War denn Bier mal ein offizielles Zahlungsmittel?  :prost:
oder war das einfach nur ein Schmankerl für die damaligen Grubenarbeiter?
Seit ca. 1800 war in der nähe des Fundorts nämlich eine Kohlengrube.
Hab mal ein bisschen gegoogelt, und noch weitere Biermünzen bei Ebay gefunden, aber leider nichts über deren Geschichte.
Weiß einer von euch etwas darüber, und in welche Zeitspanne kann man sie einordnen?

Gruß Hydro
Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: wogixeco in 31. März 2008, 16:57:55
mmhhh Bier als Zahlungsmittel, geile Idee  :-)

nene, das sind einfach Wertmarken wie man sie heut teilweise auch noch bekommt ( nur mittlerweile als schnödes Stück Papier das sich wertbon nennt

Das Alter ist schwer rauszufinden da keine Brauerei mit drauf steht
Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: Gratian in 31. März 2008, 21:04:54
Dürfte eine von der Knappschaft Neuhaus ausgegebene Biermarke sein. Knappschaften gehen zurück bis ins Mittelalter (Zünfte) und waren in der frühindustriellen Zeit wichtiger Teil des sozialen Lebens, man kann sie tlw. auch als Ursprung der Gewerkschaften im Bergbau ansehen. Insofern hatte das Miteinander und das Feste feiern unter Knappschaftsmitgliedern Tradition. Heute wird der Begriff Knappschaft leider fast nur noch auf den Träger der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung für Bergleute reduziert. Knappschaften führten oft Knappschaftsfeste durch bei denen die Mitglieder Bons und Wertmarken erhielten.

Ich denke es dürfte sich um ein Stück um 1900 +/- 20 Jahre handeln. 


Hier mal aus einem Internetdokument der Ablauf eines solchen Knappschaftsfestes in dem auch die Ausgabe von Essenbons und Biermarken erwähnt wird.
ZitatSo gab es am 20.September 1903 ein Knappschaftsfest auf dem Werksgelände. Am frühen Morgen traf sich die Belegschaft auf dem Werksgelände und marschierte geschlossen unter der Leitung des Maschinenmeisters Kunze zum Kirchgang nach Sonderhausen. Nach dem Gottesdienst gab es
den Umzug durch die Straßen Sondershausens mit dem Rückmarsch zum Festplatz. Um 12 Uhr hatte sich die Belegschaft zur Parade aufgestellt. Nach Abnahme der Parade und einer Ansprache durch den Bergrat Fuchs, wurde anschließend gemeinsam ein Mittagessen eingenommen. Die Bergmannskapelle spielte dazu.

Jeder erhielt 2 Essenmarken. Eine war für das Mittagessen gedacht. Es gab zweierlei Braten mit Kartoffelsalat und Schwarzbrot. Mit der anderen Marke, sie hatte einen Wert von 30 Pfennigen, konnte man sich im Laufe des Tages 2 Brötchen mit ca. 150g Wurst kaufen. Für den Durst gab es Biermarken im Wert von 5 Pfennigen. Die Verheirateten erhielten 20 Marken, die Jugendlichen unter 18 Jahren 10 Stück. Außerdem bekam jeder Mann 3 Zigarren. Die Musiker wurden mit einer Schicht vergütet und den ganzen Tag verköstigt. Den Kindern wurden Geschenke im Wert von 30 Pfennigen übergeben.

Mit Gesprächen und Musik war der Nachmittag ausgefüllt. Ab 19 Uhr gab es ein Feuerwerk und das Tanzbein wurde geschwungen. Da es erfahrungemäß immer zu Unstimmigkeiten kommen kann, stellte die Gewerkschaft entsprechend Wächter für den Abend und die Nacht. Zu diesen Festen waren die Uniformen, die Ehrenkleider der Bergleute Pflicht. Diejenigen, die noch keine Uniform besaßen, erhielten durch Vermittlung der Gewerkschaft eine solche.
Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: Hydrochloritrix in 01. April 2008, 08:19:24
Hallo Gratian

Danke für deinen Spitzen-Beitrag der mir Licht ins Dunkel bringt! :button:

@Mr. Simson: ob der Bon noch gültig ist??? Durst wäre vorhanden :-D

Gruß Hydro
Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: Rambo in 01. April 2008, 09:39:22
Solche "Wertmarken" wurden auch in meiner weststeirischen Heimat an die Knappen ausgegeben.
Die Idee war einfach und genial
Die Knappen bekamen einen Teil ihres Lohns als Wertmarken ausbezahlt. Mit diesen Wertmarken konnten sie in der werkseigenen Kantine einkaufen. Dadurch hat der "Betrieb" wieder verdient.
Leider sind diese Wertmarken schon sehr selten,  um ehrlich zu sein, ich habe überhaupt erst einmal so eine Wertmarke aus meiner Heimat gesehen.
Natürlich gabe es auch Biermarken.
Gruß Rambo
Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: Hydrochloritrix in 02. April 2008, 08:09:56
Hallo Rambo
Da lag ich mit meiner Überschrift ja gar nicht sooo falsch :zwinker:

Aber Spaß beiseite, ich werd mich dann mal bei uns im Ort umhören ob jemand noch was weiß über diese Biermarken.
Auf jeden Fall bekommt die Münze einen schönen Platz in meiner Vitrine.

Gruß Hydro
Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: Gratian in 02. April 2008, 20:11:35
Wenn du mir sagst welches Neuhaus gemeint ist...vielleicht kann ich noch was rauskriegen.

Da gibts nämlich mehr als 2 Neuhaus:

http://de.wikipedia.org/wiki/Neuhaus

Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: slowfood in 02. April 2008, 23:14:28
Die Wertmarke scheint ja für ein Maas Bier zu sein, wenn die Einschätzungen stimmen muss das  :cool1: ja ein metrisches Maas sein oder? :winke:
Ergo im Grunde als Maßeinheit eher langweilig, und tendenziell weniger als nicht metrisch, also Beschiß  :cop:!

slowfood,

der auch nicht jedes Bier langsam trinkt, aber manches mit Bedacht.

Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: Gratian in 03. April 2008, 23:20:41
Aus J.C. Krünitz' Oeconomischen Encyclopädie (1773 - 1858)

ZitatBier=Maaß , ist dasjenige cylindrische Gefäß aus Zinn oder Blech, wornach nicht nur das Bier verzapfet, und um einen gewissen Preis ausgemessen, auch daher eine Meß=Kanne genennet wird, sondern es erhält auch, nach dessen Anzahl ein jedes größeres Gefäß, als eine Kufe, Faß, Viertel, Tonne, Eimer, u. s. f. seinen proportionirlichen Inhalt.

Wie nun in den trocknen Maaßen fast jeder Ort seine besondere Größe hat, also findet sich auch in diesen ein merklicher Unterscheid. In den preußischen Landen hat ein Faß 200 Quart, eine Tonne 100, eine Halbtonne 50, ein Oehmchen 25 Quart. In den chursächsischen Landen aber hält ein Faß 420 Kannen, das sind 2 Viertel; 1 Viertel hat 2 Tonnen. Allein, wie das Maaß der Quarte und Kannen von andern Orten bald größer, bald kleiner ist, und nicht leicht ein solches Maaß angenommen, und darauf das verschiedene Maaß reduciret werden kann, welches auch nur in Deutschland allenthalben bekannt wäre, damit einer, dem ich sage: ein berlinisches Faß hält so und soviel Quart, mich verstehen, und das Maaß nach dem Gemäß seines Ortes treffen könne, wofern er nicht Gelegenheit hat, solches wirklich gegen einander zu ahmen; also ereignet sich sowohl im Gemäß der flüßigen als trockenen Dinge eine große Verwirrung und Schwierigkeit; sonderlich, da der gemeine Land= und Stadt=Wirth, der doch diese Einsicht am meisten brauchet, es nicht leicht verstehet, wenn man ihm auch auf eine mathematische Art ein Maaß bestimmen wollte.

Indessen kann man solches doch einigermaßen, und auf eine ganz einfältige Art dadurch bewerkstelligen, wenn man z. E. ein berliner Quart von Zinn oder Blech nimmt, welches, soviel möglich, einerlei Dicke am Boden und an den Seiten haben, überdem aber unten und oben allenthalben rund, ohne Beulen, und gleichweit seyn, folglich einen Cirkul, und also im Durchschnitt einerlei Weite, und hiernächst eine gewisse Höhe haben mus. Die Weite oder das Maaß des Durchschnitts aber sowohl, als das Maaß der Höhe, braucht alsdenn nur, und zwar nach Zollen, entweder des gemeinen Schuhes, da es der 10te Theil, oder des rheinländischen, da es der 12te Theil ist, angezeiget zu werden, weil entweder der gemeine, oder rheinländische Schuh von dem Flächenmaaße meistentheils bekannter, als sonst ein Maaß, ist.

Nach dieser Bestimmung nun kann einer in Nürnberg, Augspurg, Dresden, Hannover, Wien, Frankfurt etc. ein solches Quart nachmachen laßen, oder ein anderes Maaß seines Ortes, es mag heißen wie es will, oder eines andern, ahmen: so ist er im Stande sogleich zu sagen, wieviel ein Berliner Faß zu Dresden, Hannover etc. und umgekehrt, nach einem daselbst gewöhnlichen Maaße halte.
Titel: Re: Bier als Zahlungsmittel?
Beitrag von: slowfood in 04. April 2008, 21:51:38
 :prost:

Ja der "Krünitz" ist total klasse und sthet in einer wunderbar nutzbaren online Version zur Verfügung. Ich kann mich oft abrollen, was dort an Formulierungen auftaucht.

Hohlmaße gab es in Deutschland in noch verwirrenderer Vielzahl, als Gewichte, dennoch sollte die Biermarke für ein metrisches Maß gestanden haben, immer noch eine nette Menge Bier.

Slowfood