Von einem französischen Flintknapper im Perigord wurde diese Spitze hergestellt. Mit Geweihschaft und Sehnenwicklung zeugt sie von hoher handwerklicher Geschicklichkeit.
Am wahrscheinlichsten scheint mir der Nachbau einer jungpaläolithischen Solutréen-Spitze (Blattspitze). Typische Solutréen-Blattspitzen werden zwar in der Mitte etwas breiter. Allerdings gibt es, viel seltener, auch diese sehr schlanke schmale Form.
Siehe hier (Solutrean - the peak of stone tools workmanship:
https://www.donsmaps.com/solutrean.html
Ich könnte mir allerdings auch die Reproduktion eines lanzettförmigen nordischen Flintdolches vom Typ I vorstellen.
Die Blattspitzen des jungpaläolithischen Solutréen gelten als früher, nur selten wieder erreichter Höhepunkt der Flintschmiedekunst.
Namensgebend für die Kulturstufe des Solutréen ist ein Ort im Burgund, Frankreich wo unterhalb eines markanten Felsens große Mengen von Wildpferdknochen gefunden wurden. Bei Treibjagden wurden damals diese Tiere über einen flachen Hang nach oben getrieben, von wo sie dann an der Steilflanke des Felsens in Panik abstürzten und leichte Beute für die Jäger waren.
Die auf Bild 5 abgebildete Szene, eine Illustration von Emile Bayard aus dem Buch ,L'Homme Primitif' von 1870, zeigt eine solche Jagd bzw. wie man sie sich vor 150 Jahren vorstellte.
Auf Bild 6 ist neben der Neuschöpfung auch das Fragment einer Blattspitze zu sehen welches einen Eindruck vom Querschnitt dieser Stücke vermittelt.
Viel Spaß beim Ansehen und viele Grüße
Michael
weitere Bilder:
Viele Grüße
Michael
Moin Michael,
Eine technisch tolle
arbeit aus einem feinen Material hast Du hier vorgestellt.
LG
Jan
Hallo Michael,
prächtig!!!
Vielen Dank für das Zeigen, Deine zusätzlichen Infos und den Versuch, das Stück formal einzuordnen. Jedes Mal wenn ich ein derartiges Stück sehe, bekomme ich Lust diese Kunst zu erlernen... Was aber nüchtern betrachtet natürlich völliger Unsinn ist. Um derartige Fähigkeiten zu erwerben, braucht es sicherlich Jahre und zudem kann man nicht auf allen Hochzeiten tanzen... ;)
Viele Grüße
Jondalar
Hallo Michael,
ich erlaube mir, eine der von Dir angekündigte Solutréen-Blattspitze aus dem Perigord hier einzustellen.
Gefertigt und gekauft 1992 von Bernard Ginelli, einem "grand maître tailleur de silex",
der leider am 05.11.2018 verstorben ist.
Zu erwähnen ist dabei, daß im Perigord hervorragende Silexqualitäten zur Verfügung stehen.
Ginelli hat seine Repliken markiert um Möglichkeiten der Fälschung auszuschließen.
Das Solutreen war eine sehr eisige Zeit und Siedlungsstellen mit diesen Blattspitzen
sind vor allem in der Südhälfte Frankreichs und auf der Iberischen Halbinsel zu finden.
LG
Jan
ZitatJedes Mal wenn ich ein derartiges Stück sehe, bekomme ich Lust diese Kunst zu erlernen... Was aber nüchtern betrachtet natürlich völliger Unsinn ist. Um derartige Fähigkeiten zu erwerben, braucht es sicherlich Jahre und zudem kann man nicht auf allen Hochzeiten tanzen...
Hallo Jondalar,
da hast du sicher Recht. Aber es hilft, sich mit der Materie vertrauter zu machen und die Eigenschaften der verschiedenen Materialien kennenzulernen.
Ich habe das selber mal ein paar Jahre ausprobiert. Am Anfang holt man sich blutige Finger und es dauert bis man ungefähr raus hat wies geht. Damals gab es leider noch nicht die Möglichkeit sich das alles im Internet anzuschauen.
Und dann erkennt man irgendwann seine Grenzen. Die weiche Flächenretusche zum Verdünnen der Stücke mittels Geweihschlägel hab ich noch soeben hingekriegt aber dann war Schluss.
Um so mehr verneigt man sich dann vor den Handwerksmeistern der Steinzeiten (und den modernen Flintknappern, die es weiter gebracht haben).
Viele Grüße
Michael
Zitatch erlaube mir, eine der von Dir angekündigte Solutréen-Blattspitze aus dem Perigord hier einzustellen.
Gefertigt und gekauft 1992 von Bernard Ginelli, einem "grand maître tailleur de silex", der leider am 05.11.2018 verstorben ist.
Zu erwähnen ist dabei, daß im Perigord hervorragende Silexqualitäten zur Verfügung stehen.
Hallo Jan,
vielen Dank, dass du diese schöne Spitze hier zeigst.
Weisst du zufälligerweise, ob Bernard Ginelli den Silex vor Bearbeitung getempert hat ?
Im Solutreen scheint das eine gängige Methode zur Verbesserung der Materialeigenschaften gewesen zu sein.
Viele Grüße
Michael
p.s. Ich denke inzwischen, dass das von mir gezeigte Stück vom selben "grand maître tailleur de silex" angefertigt wurde. Die in dieser Doku über ihn gezeigten Spitzen sind doch schon verblüffend ähnlich:
https://www.cinergie.be/film/silex
Also Jan, vielen Dank auch für den Hinweis auf Bernard Ginelli.
Ich finde es mehr als genial, wenn jemand solche Fähigkeiten besitzt.
Habe mir vor Jahren extra einmal Silex schicken lassen, da es in meiner Gegend keinen gibt.
Der Erfolg des Versuchs war extrem bescheiden. :schaem:
Wenn man nicht direkt an der Quelle sitzt und quasi immer Nachschub zum probieren hat, wird es nichts.
Aber es war ein interessanter Versuch und es war es allemal wert.
ZitatWenn man nicht direkt an der Quelle sitzt und quasi immer Nachschub zum probieren hat, wird es nichts.
Hallo Daniel,
man kann sich mit anderen Materialen behelfen, die ähnliches Bruchverhalten wie Silex haben, z.B. Glas, Steinzeug oder Porzellan.
In Australien z.B. haben die Ureinwohner die Engländer verärgert indem sie die Keramik-Isolatoren von den Überlandleitungen abgebaut haben um daraus Spitzen für ihre Waffen zu fertigen.
Anbei zwei Bilder einer aus rotem Glas gefertigten (nicht von mir) nordamerikanischen Speerspitze mit Parallelretusche.
Viele Grüße
Michael
Hallo Michael,
vielen Dank für Deine Ermutigungen und die Fotos Deiner Stücke. Das ist doch aller Ehren wert! Meinen Respekt!
Ich kann mir vorstellen, dass man durch die Auseinandersetzung ein Gefühl für das Material bekommt und es dann auch 'lesen' lernt...
Tja... und was die Meisterschaft in diesem Metier anbetrifft, weiß ich von dem, dessen Arbeiten ich in dieser Rubrik schon einmal zeigte, dass er das seit Jahrzehnten mit großen Enthusiasmus betreibt und auch wie Du davon berichtet, dass die Anfänge sehr mühsam waren....
Viele Grüße
Jondalar
p.s.: ---und vielen Dank auch für die Geschichte mit den Isolatoren. Ich habe förmlich die Herren völlig fassungslos am Fuße der Masten stehen sehen...
Zitatund vielen Dank auch für die Geschichte mit den Isolatoren. Ich habe förmlich die Herren völlig fassungslos am Fuße der Masten stehen sehen...
Irgendwann haben diese Herren dann geschnallt, dass es günstiger ist, immer ein paar zusätzliche Isolatoren und leergesoffene Bier- oder Weinflaschen am Fuß der Masten zurückzulassen als immer hunderte Meilen rauszufahren wenn die Leitung mal wieder unterbrochen war.
Es ist faszinierend, wie die Aborigines solche für sie neuen Materialien für ihre Zwecke adaptiert haben.
Viele Grüße
Michael
Moin in die Runde, Hi Michael,
Zum namensgebenden Fundplatz scheibt Michael:
"Namensgebend für die Kulturstufe des Solutréen ist ein Ort im Burgund, Frankreich wo unterhalb eines markanten Felsens große Mengen von Wildpferdknochen gefunden wurden. Bei Treibjagden wurden damals diese Tiere über einen flachen Hang nach oben getrieben, von wo sie dann an der Steilflanke des Felsens in Panik abstürzten und leichte Beute für die Jäger waren."
Da ich diesen Ort über die Jahre oft besucht habe, möchte ich hierzu etwas ergänzen:
Fährt man im Tal er Saone (und später Rhone) entlang kann der aufmerksame Beobachter die geologische Formation
einer schräg ansteigenden Flächen die abrupt beim Felsen von Solutre endet, von weitem erkennen.
Diese geologische Besonderheit gibt es in der Umgebung noch öfter (u. a. Vergisson).
Ein Besuch des Felsens von Solutre lohnt sich allemal. Unter der steilen Felsformation
liegt ein mächtiger 'Hangfuß' des über die Zeit heruntergewitterten Gesteins.
Von außen kaum sichtbar ist in dieser Formation das interessante Museum von Solutre versteckt hineingebaut.
Für Besucher, die sich mit der Archäologie beschäftigen, ein highlight.
Die Deutung der heruntergestürzten Pferde wird dort so nicht tradiert. Man geht von Jagd aus.
Bei meinem letzten Besuch waren - abweichend von der üblichen Schau der perfekten Meisterwerke -
auch die zerbrochenen und verunglückten Funde der Ausgrabungen ausgestellt.
Die grasfressenden Herdentiere werden den Winter sicherlich im Mittelmeerraum verbracht haben,
wo der Uferbereich wegen des niedigeren Wasserspiegels wesentlich breiter war,
wie auch der jetzt unter Wasser liegende Eingang der Grotte Cosquer (bei Marseille) zeigt.
Die Pferde sind in der neuen Vegetationsperiode durchs Rhonetal hinauf auf die Sommerweide gezogen.
Begeitet von ihren 'Freßfeinden.
Besonders markante Felsen etc. waren sicherlich Treff- und Orientierungspunkte.
Das Jagdgeschehen hat archäologisch Knochen und Steinwerkzeug hinterlassen.
Über das notwendige soziale Leben (Heiratsmarkt etc,) läßt sich bestenfalls anhand der
Venusfigurinen spekulieren.
LG
Jan