Rätselhafter Heiligenanhänger

Begonnen von Grabix, 15. Januar 2006, 14:50:14

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Grabix

Liebe MitsucherInnen
Ich habe diesen Anhänger gefunden und zuerst gedacht, dass da wohl die Oese abgebrochen ist. Nach der Reinigung stellte sich heraus, dass als Oese ein eingestanztes Loch dient. Ich bin mir nun wirklich nicht mehr sicher, ob da wirklich was abgebrochen ist, weil die Form insgesamt doch zu regelmässig ist und insbesondere die Köpfe bei der "Bruchstelle" ausgespart sind. Abgebrochen oder nicht, das ist nun die Frage! Was kann man zum Alter des Anhängers sagen? Auf der einen Seite ist ein schwertschwingender Typ zu sehen, vor ihm am Boden ein andererTyp. Inschrift S.MIC.A, wohl der Erzengel Michael (Sanctus Michaelis Angelus??)
Auf der anderen Seite eine weibliche stehende Figur, die in der rechten Hand einen horizontalen Stab hält, an dem eine Art Girlande hängt. Inschrift S. LICNAR oder so.
Ich freue mich auf zahlreiche Hinweise!
Mit freundlichen Grüssen
Grabix

Gratian

#1
Moin Grabix,

Vorderseite richtig erkannt: der Hl. Michael, Erzengel tötet den Drachen (Teufel) mit dem Flammenschwert.

Bei der Rückseite tue ich mich schwer: LI und MAR. würde ich lesen...aber das von Dir erkannte C ist doch der Rand des Loches.
Wenn es sich bei dem Attribut um eine Kette handelt, ist es am ehesten der heilige Leonard von Limoges...aber ohne Gewähr. das MAR könnte Martyrer bedeuten was aber auf Leonhard wieder nicht zutrifft....

Das Ökumenische Heiligen Lexikon weis folgendes zu berichten:

Leonhard von Noblat (von Limoges)
Gedenktag katholisch: 6. November
Gedenktag anglikanisch: 6. November
Name bedeutet: der wie ein Löwe Starke (latein. - althochdt.)
oder: der für das Volk Starke (althochdt.)
Einsiedler, Abt in Noblat bei Limoges (?)
* um 500 in Frankreich
† 559 (?) im heutigen St-Léonard-de-Nolat bei Limoges in Frankreich

Die Lebensgeschichte von Leonhard ist in vielem legendär. Demnach ließ die am Hof der Merowinger lebende fränkische Adelsfamilie ihren Sohn durch Erzbischof Remigius von Reims taufen und unterrichten. Als Erwachsener verweigerte er demnach die ihm angebotene Übernahme eines Bistums, zog sich in die Einsamkeit des Waldes bei Limoges zurück, predigte von seiner Zelle aus und heilte die zu ihm kommenden Krüppel und Hilfsbedürftigen. Regelmäßig besuchte er Gefangene und erreichte für viele bei König Chlodwig (oder Chlotar I. ?) ihre Freilassung. Viele Gefangene riefen auch den Namen Leonhards, worauf sofort ihre Fesseln abfielen, die sie dann als Freie dem Einsiedler brachten.

König und Königin zogen eines Tages zur Jagd in diesen Wald; Leonhard hörte die Königin klagend rufen, da sie in Wehen lag. Auf Bitten des Königs betete Leonhard am Lager der Königin, und sie schenkte einem ersehnten Knaben das Leben. Der König wollte Leonhard mit Gold und Silber beschenken; dieser bat aber nur um so viel Waldgelände, wie er mit seinem Esel in einer Nacht umreiten könne. Leonhard gründete das Kloster Noblat, 20 km östlich von Limoges in seinem Waldstück, wo er dann starb und auch weiterhin verehrt wurde.

Am Sonntag nach dem 6. November wird heute in dem nach ihm benannten Städtchen St.-Leonard-de-Noblat zu seinen Ehren ein großes Ritterfest gefeiert. Die zu seinen Ehren angeblich 1358 gegründete Bruderschaft erstellt aus Holz den Nachbau einer Burg, die dann auf einen Pfahl gestellt und von Reitern mit Stöcken geschlagen wird, bis sie in Stücke zerfällt, die dann von den Leuten als Glückbringer mit nach Hause genommen werden. Die Kirche über seinem Grab hat einen der mächtigsten Glockentürme in Frankreich, sie war Station der Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, Richard Löwenherz, Pippin der Kleine oder Karl VII. machten hier Station.

Leonhard wurde seit dem 11. Jahrhundert besonders auch in Bayern verehrt, über 150 Wallfahrten fanden unter seinem Namen statt, auch heute gibt es noch über 50 Leonhardi-Wallfahrten, meist mit Pferde-Ritten. Er galt ursprünglich als Schutzpatron derer, "die in Ketten liegen", also der Gefangenen - aber auch der "Geisteskranken", die man bis ins 18. Jahrhundert ankettete; nach der Reformation wurde er Schutzpatron der Haustiere, weil man die Ketten, mit denen er abgebildet wurde, als Viehketten deutete. Die Leonhard geweihten Kirchen sind mit Ketten umspannt, so in Bad Tölz.

Im 19. Jahrhundert erreichte die Verehrung in Bayern ihren Höhepunkt; man nannte ihn den "bayerischen Herrgott" oder "Bauernherrgott"; in Bayern gehört Leonhard auch zu den 14 Nothelfern. Am Leonhardstag werden Tiersegnungen vorgenommen. In Inchenhofen befindet sich der 125 kg schwere Leonhards-Nagel, den man ab dem 15. Jahrhundert zum Zeichen der Buße rund um die Kirche trug. Seit 1718 wird im bayerischen Bad Tölz der "Leonhardsritt" begangen, seit 1994 auch wieder der traditionelle, grenzüberschreitende Leonhardi-Ritt von Neukirchen im Oberpfälzer Wald nach Uhliste in Tschechien.

Attribute: als Mönch oder Abt mit Kette, Pferde und Ochsen oder Gefangene befreiend
Patron der Bauern und des Viehs, vor allem der Pferde, der Ställe, Stallknechte, Fuhrleute, Schmiede, Schlosser, Lastenträger und Böttcher, Obsthändler, Bergleute; der Wöchnerinnen, Gefangenen; für alle Anliegen der Bauern, gute Geburt; gegen Kopfschmerzen, Geistes- und Geschlechtskrankheiten
Bauernregel: "Wenn auf Leonhardi Regen fällt, / ist's mit dem Weizen schlecht bestellt."

Ich denke schon das der obere Teil abgebrochen ist. Hier befanden sich sicherlich auch noch Buchstaben. Vielleicht war dieses Fundstück einmal mit 2 Nägeln an einen Stallpfosten oder Weidepfosten genagelt. Als Schutzpatron für das Vieh doch wieder naheliegend. Einer der Nägel fiel raus der andere war stärker und der Anhänger brach entzwei. Da dieser im Bereich der Köpfe etwas dicker ist, ist verlief die Bruchlinie um die Köpfe herum...

Ein schärferes Bild der Rückseite könnte genauere Erkenntnisse bringen. Auch ob Leonhard wirklich derjenige ist, welcher hier abgebildet ist.

Zeitstellung: 2. Hälfte 17. Jahrhundert.

Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

Grabix

Hallo Gratian
Vielen Dank einmal mehr für deine ausführlichen Erklärungen! Superinteressant und ich denke schon, dass es sich dabei um diesen Leonhard handelt, weil es wirklich eine Kette sein könnte, die da links und rechts des Stabes eingehängt ist. Ich werde mir die Schrift noch genauer ansehen und mich wieder melden. Leider glaube ich nicht, dass ich mit meiner alten ALDIcam ein schärferes Bild hinkriege. Hatte schon eine Ewigkeit, bis mir die vorliegenden Bilder gelangen.
Noch was zum Thema "abgebrochen oder nicht?": Der Anhänger ist sehr klein: Er misst nur 12mm auf 15 mm und ist sehr dünn. Wenn man an einem solchen Blech etwas abbricht, geht das nicht, ohne dass der verbliebene Rest komplett verbogen wird. Ich glaube deshalb zumindest nicht, dass zufälligerweise was abgebrochen ist. Kann es einen Grund geben, absichtlich ein Stück herauszubrechen oder sogar herauszuschneiden?
Mit freundlichem Gruss
Grabix

Grabix

Hallo Gratian
Es steht ausser zweifel, dass es sich bei der Figur um diesen Leonard handelt, denn die Inschrift kann auch LIONAR lauten. Ja, ich bin mir sogar sehr sicher, dass dem so ist! Interessant ist in diesem Zusammenhang wohl auch, dass ausgerechnet der Buchstabe "O" auserwählt wurde, um das Loch zu stanzen. Ich glaube nicht, dass da zuerst die Oese abgebrochen sein soll und dann nachträglich im "O" ein Loch als Ersatzöse gestanzt wurde. Nun, wie dem auch sei: Ein interessantes Stück für meine Sammlung!
Ein freundlicher Gruss
Grabix