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Sondenfunde => Äxte und Beile => Thema gestartet von: St. Subrie in 28. November 2022, 10:34:10

Titel: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: St. Subrie in 28. November 2022, 10:34:10
Guten Tag allerseits,
in der letzten Woche hatten wir hier in unserem Dörfchen im nördlichen Vorland der Pyrenäen mal wieder unseren "Archäologischen Abend" im Saal der Gemeinde mit unserem "Museum", inzwischen fünf Ausstellungsvitrinen. Etwa 50 Besucher, meist Grundbesitzer des Suchgebietes. Vorstellung der neueren Funde mit Beamer und Erläuterungen, Diskussion zu einigen Funden und anschließend gemeinsamer Schmaus und Trank. So ist es seit Jahren immer.
Bei diesen Gelegenheiten lernt man  gerne weitere Grundbesitzer persönlich kennen und erhält auch manchen Hinweis auf mögliche Fundstellen. Ein Gast brachte uns in diesem Jahr eine arg angerostete recht schwere eiserne  Tüllenaxt mit, die er bei der Arbeit im Wald oberhalb des Dorfes gefunden hat.  Richtig einordnen konnten wir das Stück nicht, so etwas findet man nicht alle Tage.

Hat dazu vielleicht hier jemand einen Gedanken zur Entstehungszeit ? Modern dürfte das Stück schon wegen der heute ungebräuchlichen Tülle kaum sein.

Mit vielen Grüßen
St. Subrie
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: Signalturm in 28. November 2022, 10:45:38
Bei den ersten Bildern dachte ich noch an einen Rindenschäler, aber dafür ist sie eigentlich viel zu massiv.
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: St. Subrie in 28. November 2022, 10:56:04
Das Gewicht ist übrigens 1,04 Kg., wobei aber durch den Rost etwas verloren sein dürfte.
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: thovalo in 28. November 2022, 11:47:16


Es ist ein sehr weit verbreiterter Irrtum, dass es in der Neuzeit keine eiserne Tüllenäxte gegeben habe. Das war und blieb eine sehr pragmatische Art der Schäftung.


:winke:
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: St. Subrie in 28. November 2022, 13:16:13
Hättest Du vielleicht ein Beispiel für eine neuzeitliche eiserne Tüllenaxt mit rechteckiger Schäftung und seitlicher Öffnung ? Ich finde dazu bislang nichts passendes.
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: cyper in 28. November 2022, 13:19:36
Zitat von: thovalo in 28. November 2022, 11:47:16

Es ist ein sehr weit verbreiterter Irrtum, dass es in der Neuzeit keine eiserne Tüllenäxte gegeben habe. Das war und blieb eine sehr pragmatische Art der Schäftung.


:winke:

Das sehe ich auch so. Es fehlt für mittelalterliche und neuzeitliche an guter Literatur deswegen wird oft vorschnell ein Tüllenwerkzeug als keltisch abgestempelt. Im Schneidenbereich kann man eigentlich kaum einen Unterschied erkennen , wobei im Tüllenbereich schon Unterschiedene zu erkennen sind. Im Mittelalter werden die Tüllenwerkzeuge oftmals durch einen Eisenstift (Nagel) noch zusätzlich am Schaft gesichert (Im Bild im roten Kreis). Weiters sind mittelalterliche Tüllen meist oval. Die eckigen kommen eher im keltisch/römischen Fundus vor.
Kannst du nochmal nachfragen ob an dieser von mir markierten Stelle ein Haltestift sein könnte, es schaut zumindest etwas danach aus. Wenn nicht tendiere ich zu keltisch/frührömisch.

Gruß cyper
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: thovalo in 28. November 2022, 14:05:42


Genauso ist das ! Wenn man mal aufmerksam durch Freilichtmuseen stöbert finde man sie auch unter dem alten Gebrauchgut der neuzeitlichen Alltagskultur!  :winke:
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: cyper in 28. November 2022, 14:13:53
Noch nachzutragen, die eckigen kommen dann wieder im neuzeitlichen Fundus vor wo sie dann als Gußeiserne oder Aluminumkeilen beim Holzfällen Verwendung finden. Allerdings ist hier eine geschlossene Tüllenschäftung.

Gruß cyper
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: St. Subrie in 28. November 2022, 15:29:49
Bin wegen des Eisenstifts kurzerhand mal rüber zum Finder, er wohnt im Dorf. Und der hat ebenso kurzerhand die Partien eines möglichen Stifts innen und außen von Rost gereinigt.
M.E. keinerlei Spuren eines solchen Stiftes, vgl. Photos.
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: cyper in 28. November 2022, 17:24:32
Dann würde ich auf keltisch bis frührömisch tendieren. Könnte das vom Fundort in Frage kommen?

Gruß cyper
Titel: Re: Eiserne Tüllenaxt
Beitrag von: St. Subrie in 28. November 2022, 21:33:57
Besten Dank, Cyper !
Unser kleines Tal liegt zwar nahe an dem sehr breiten Tal, das von Narbonne am Mittelmeer im Osten bis Bordeaux an der Biscaya im Westen führt,
also quer durch ganz Südfrankreich. Es ist aber durch einen kleinen, steilen Gebirgszug mit nur wenigen Übergängen gut abgeschirmt und war dadurch in allen Zeiten deutlich weniger von Invasoren heimgesucht. So jedenfalls erkläre ich mir die Fülle alter Siedlungsstellen mit entsprechenden Funden, über die wir uns freuen können.
Wir haben es mit Funden aller metallführenden Zeiten  und Epochen zu tun. Die Funddichte nimmt  in vorrömisch keltischer Zeit deutlich zu, auch Importstücke aus der Römischen Republik oder griechischen Pflanzstädten am westlichen Mittelmeer sind nicht selten.
Insofern würde eine keltische oder frührömische Eisenaxt durchaus nicht aus dem Rahmen fallen.
Die Eisenaxt kommt übrigens vom  bewaldeten Hang eines Plateaus, auf dem, dem" Dorfarchiv" zufolge, schon im vorletzten Jahrhundert öfters keltische Münzen gefunden und beim Pfarrer abgeliefert wurden, heidnische Funde eben.
Mit Gruß aus dem Süden
Sr. Subrie