ein klassischer Retuscheur und Schlagstein

Begonnen von thovalo, 28. Juni 2010, 20:15:49

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thovalo

Hallo Forum!  :winke:

Dieser Retuscheur gehört zu den vielen sonstigen Felsgesteinartefakten des großen Fandareals am rechten Niederrhein (spät Jung- oder Spätneolithikum 3.700 - ca. 2.800 v. Chr.) und besteht aus einem quarzitisch gebundenen Gestein in Form eines Flussgerölls.

Der Randumlauf weist umlaufend Schlagspuren auf und an einem Ende befindet sich auf der Breitseite ein Narbenfeld.

Solche Stücke wurden mit der Hand zur Kantenpräparation auf den zu bearbeitenden Feuerstein geschlagen, scharkantige Kantenverläufe ab- bzw. ange"rieben" und auf
dem Narbenfeld abgedrückt?   :glotz:

(Marienbad wird ggf. korrigieren, wenn ich das falsch interpretiert habe". Da bitte ich ausdrücklich drum!!!!)



Länge: 8.4 cm; Breite: 6.6 cm; DM: 4 cm

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

fuchs

#1
Hallo Thovalo,
einen Schlagstein sehe ich auch. Aber klassischer Retuscheur? Ich gebe ja unumwunden zu, dass ich noch viel lernen muss, aber ein Retuscheur, meine ich hier gelernt zu haben, ist das doch wohl nicht, oder?

Ich lasse mich aber auch gerne überzeugen, wenn du das irgendwie belegen kannst.

queque

Lieber Fuchs,

erklärste mir mal den Unterschied, den Du zwischen einem Schlagstein und einem "klassischen Retuscheur" siehst?
Geschlagen resp. gedrückt wurde ja wohl mit beidem, oder?
Ich erkenne in dem gezeigten Fundstück zunächst einmal ein klassisches Werkzeug, das zur Bearbeitung von Steingeräten benutzt wurde. Ob damit nur grob geschlagen oder nur fein retuschiert wurde, vermag ich nicht zu unterscheiden ... ich war nicht dabei.
Außerdem fehlen mir die lang ersehnten flint-knapping-Erfahrungen.
Wenn Du da mehr Erfahrungen hast, klär mich bitte auf.
Erwartungsvoll
:winke:
Bastl

thovalo

#3
Zitat von: fuchs in 28. Juni 2010, 22:57:17

Hallo Thovalo,
einen Schlagstein sehe ich auch. Aber klassischer Retuscheur? Ich gebe ja unumwunden zu, dass ich noch viel lernen muss, aber ein Retuscheur, meine ich hier gelernt zu haben, ist das doch wohl nicht, oder?

Ich lasse mich aber auch gerne überzeugen, wenn du das irgendwie belegen kannst.


Ich kann ein entsprechendes Video nicht so auf die Schnelle finden, aber sobald ich es habe hänge ich den link hier mit an!!!

Der Retuscheur diente ganz schlicht formuliert dem "Retuschieren", was die Modifizierung eines nicht gesondert vorbereiteten Gesteins durch dessen Gebrauch
bei der Anlage von lateral oder flächig ausgeführten Ausbrüchen (Retuschierung) meint.

Der "direkte Schlag", der Einsatz von "Druckstäben" (der Ötzi hatte da ein Prachtexemplar bei sich usw.) oder das Abdrücken von Kantenverläufen und überstehenden Ecken versusachen dabei sehr unterschiedliche Merkmale.

Retuscheure sind in der Regel schlichte natürlich gut vorgeprägte Gerölle, die Arbeitsspuren aufweisen, weshalb sie in keiner Weise "normiert" sind, sondern nur anhand der Ausprägung von Arbeitsspuren angesprochen und identifiziert werden können. So wie dieses Stück.

Der Begriff Retuscheur für einen Gebrauchsobjekt aus Stein, Knochen, Elfenbein, Geweih beschreibt eben "nur" den Gegenstand mit dessen Hilfe Retuschen ausgeführt worden sind!

LG thomas  :winke:


Na, das Video hab ich noch gefunden:

http://www.youtube.com/watch?v=TkoIEIi2Lrg


Der "Flintnapper" verwendet gleichfalls rundliche Gerölle mit denen die Retuschen geschlagen und zur Rundung der Grate angerieben werden. Daraus entstehen Spurenbilder, die dem des hier eingestellen Retuscheurs absolut entsprechen.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Moin,

ich denke es ist ein Retuscheur/Schlagstein.

Hier ein paar Beispiele von Møn/DK.

Groot

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

Hallo Jürgen!!!!

Mit wieviel LKW-Ladungen Artefakten bist Du denn nach Essen gezogen?  :glotz:

LG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

 :-D :-D :-D manchmal hatte meine Frau die Knie unterm Kinn auf der Rückfahrt.

Ja nee, ich fahre schon seit 1975 immer wieder mal nach Møn. Siehe hier.

Groot
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

!!!! Fitter FOREN-OPA, schöner :dog: !!!!!!!!!  

            Spiel mal nich so mit Deinem Alter ALTER  :zwinker:


Ist das kein KULTURSCHOCK von der Idylle in den Pott?


Obwohl die Essener Archäologie wahrlich einen fitten Steinzeitopa braucht und zwar ganz dringend! Professionelles Brachland!!!!


Bin gespannt ob Du dort etwas bewirken kannst, wirst, willst?

LG thomas


Wobei: wir schweifen ab! Gerne mal auch über PM weiter ausgetauscht!!!   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Also bei mir hier im Essener Süden und Umland ist der Pott recht schön.

Aber die Perle Møn ist ein anderes Kaliber.

Meine archäologische Tätigkeiten beschränkten sich ggf. bisher fast ausschließlich auf die Urlaube.
Anfangs war das auch "nur" die Faszination, die Hinterlassenschaften zu finden, die Menschen vor so langer Zeit in den Händen hielten.
Und die liegen dort überall auf den Äckern - in Massen.
Allerdings hat mich diese Faszination nie mehr los gelassen...

Die Aufarbeitung ist immer zu kurz gekommen - andere Hobbies waren/sind da mit verantwortlich.
Vielleicht bin ich gerade im Umbruch.

Das wird hier zu lang und Offtopic...

N8

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

fuchs

Hallo miteinander,
erstmal danke für die Antwort Thomas. Ehrlich gesagt, habe ich immer noch Fragen.
Bisher dachte ich, ein Schlagstein hätte typische Schlagspuren und wäre nur zum Zurichten verwendet worden.
Bei den Retuscheuren kenne ich zwei unterschiedliche Typen: Die aus Tonschiefer, oft mit kratzerähnlichen Spuren, und die länglichen Gerölle, die meist ein rundliches Narbenfeld (außermittig) auf einer Flachseite aufweisen.
Hahn unterscheidet Klopf- oder Schlagsteine (10.4.5) und Retuscheure (12.7.4). Das ist mein Kenntnisstand.
@ Bastl: Ich hoffe damit deine Gegenfrage beantwortet zu haben. Ansonsten schreib mir doch eine PM, damit wir hier beim Thema bleiben
            können, falls du irgendein Problem mit mir hast.
Jetzt frage ich noch mal genauer nach. Gibt es Mischformen? Wie kann man diese erkennen? Gehe ich recht in der Annahme, dass die ,,zarten" Spuren an der Längskante auf die Verwendung als Retuscheur hinweisen, wo hingegen das kleine Narbenfeld beim Schlagen entstanden ist?
@ Thomas: Ich habe einen ähnlichen Stein, allerdings nur mit den seitlichen Spuren, den stelle ich demnächst ein, vielleicht ist das gar kein
                Schlagstein?

@ all: Ich habe ein wenig den Eindruck, das Forum ist immer noch recht aufgewühlt. Ich möchte hier nur nachfragen, nicht angreifen.

thovalo

Zitat von: fuchs in 29. Juni 2010, 09:54:04
Hallo miteinander,
erstmal danke für die Antwort Thomas. Ehrlich gesagt, habe ich immer noch Fragen.
Bisher dachte ich, ein Schlagstein hätte typische Schlagspuren und wäre nur zum Zurichten verwendet worden.
Bei den Retuscheuren kenne ich zwei unterschiedliche Typen: Die aus Tonschiefer, oft mit kratzerähnlichen Spuren, und die länglichen Gerölle, die meist ein rundliches Narbenfeld (außermittig) auf einer Flachseite aufweisen.
Hahn unterscheidet Klopf- oder Schlagsteine (10.4.5) und Retuscheure (12.7.4). Das ist mein Kenntnisstand.


Ganz ehrlich habe ich das auch genaus so verstanden und gelernt wie Du das beschreibst! Der leider sehr früh verstorbene Hahn war damals recht prägend. Doch hat Hahn es schlicht zu einfach gemeint. Dazu gibt es auch noch eine ältere Arbeit von Taute.

Doch im Laufe der Zeit gab es viel mehr experimentalarchäologische Versuche und Veröffentlichungen dazu und gerade das hier eingestellte Fundstück ist ein klassischer Retuscher mit dem alle Arbeiten des Retuschierens vollzogen worden sind. Dazu gehört das Schlagen, das Anreiben und Abdrücken. In sofern kann gar nicht exakt zwischen Schlagstein und Retuscheur unterschieden werden. Hier ist das en Mischbild, jedoch mt einem eindeutigen aus dem Zentrum verlagerten Narbenfeld.

Ich denke Du hast dir das Video angesehen! Genau diese Tätigkeiten haben die hier erhaltenen Spuren ausgebildet.

Sehr interesant fand ich die hier geführte Auseinandersetzung mit würfelförmigen Steinen, die immer als Mahlsteine angesprochen und dargestellt werden. Das sind würfelförmig abgenutzte Schlagsteine wie Marienbad sehr eindrucksvoll darstellen konnte!

Wäre das Narbenfeld nicht vorhanden, hätte ich das Geröll hier tatsächlich auch als Schlagstein angesprochen!

LG  th  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.