Wieder was gebohrtes

Begonnen von osman.herberger, 29. Juli 2009, 20:40:43

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osman.herberger

Der in den letzten Tagen äusserst fundreiche Rapsacker in meiner unmittelbarer Nachbarschaft wurde heute frisch umgegraben. Zunächst war ich sehr enttäuscht, weil an der Oberfläche ausser brauner Erde und zerfetzter Rapsstengeln überhaupt nichts mehr vorhanden vor, keine Steine, keine Keramik, kein Silex, rein gar nichts. Letzte Woche lag all das noch richtig schön freigewaschen und griffbereit obenauf. Jetzt braucht es scheinbar erst wieder mehrere längere Regenabschnitte...
Nichtsdestotrotz kam plötzlich dieses Steinteil zum Vorschein, inklusive schöner Bohrung. Drei Seiten sind wunderbar geschliffen, und zwar ausgehend von Foto 2 die Oberseite, die Vorder- und Rückseite. Auch die Bohrung selbst ist geschliffen, vermutlich vom Bohrvorgang selbst.
Die Fundstelle war das gesamte Neolithikum hindurch besiedelt.

Bleibt die Frage: Ist das ein Fragment einer Steinaxt ? Oder doch etwas Hammerartiges ?

Danke und liebe Grüße

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

Silex

Superteil , Stefan!
Den Unterschied zwischen Hammer, Axt, Beil und Dechsel hab ich- von einem Bruchstück  aus betrachtet- immer noch nicht intus
(Naja , ein Beilfragment  isses nicht).
Hämmer sind wohl selten....obwohl mir vielleicht hier schon einer in die Fänge geraten ist. Die Archäologen betonten bei diesem Fund dass die Bohransatzfläche nicht poliert war...als ob dies sonderbar wäre.
Da müsste man weiterrecherchieren. Das würde sich bei Deinem Suchgebiet wohl rentieren.
Vom Gefühl her könnte es ein Dechsel sein.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

osman.herberger

Servus Edi,
ich habe nochmal nachgelesen, was unser hochgeschätzter Khamsin zum Thema Beile/Dechseln geschrieben hat. Wenn ich das richtig verstehe, kann mein Fund keine Dechsel gewesen sein, weil dieses Teil gelocht ist und damit (falls ein Hammer ausscheidet) eine Axt. Dechselklingen sind eine spezielle Art von Beilklingen, und letztere sind eben nicht gelocht. Hier nochmal der Text von Khamsin:

"Bei allem, was hier im Forum, und der überwältigenden Mehrheit dessen, was in archäologischen Veröffentlichungen und bei Vorträgen als "Beil" bezeichnet wird, handelt es sich terminologisch ohnehin um "Beilklingen". Warum?

Beile sind Kompositgeräte (zusammengesetzte Geräte), die immer aus einem Schaft und einer Klinge (und genau genommen noch dem eigentlichen Schäftungsmaterial, z.B. Schnüren etc.) bestehen. Was hier gezeigt wird und von den Archäologen gefunden wird, besitzt (von ganz bestimmten Ausnahmen abgesehen)  niemals einen Schaft, verständlicherweise.

Alle entsprechend gelochten Teile aus Stein, Geweih und Knochen werden bei den Archäologen als Axtklinge(N) bezeichnet, alle ungelochten, als Beilklinge(n).

Bei den Archäologen spielt bei der Unterscheidung zwischen Beil und Axt die Handhabung - im Gegensatz zu heute (Beil: einhändig, Axt: zweihändig) - KEINE Rolle!

Beile (als Kompositgeräte) treten in zwei Hauptformen auf:

1. Als Parallelbeile, bei denen die Klingen mit den Schneiden parallel zur Schlagrichtung und zum geraden Schaft (Griff, Holm, Stiel) befestigt sind (auch als Parallelbeile bezeichnet),

2. Als Querbeile (sog. Dechseln), bei denen die Klingen mit den Schneiden quer zur Schlagrichtung und zum immer gewinkelten Schaft (sog. Knieholm) befestigt sind.

Dechselklingen sind somit nichts anderes als eine spezielle Spielart von Beilklingen, ok?

Im übrigen ist das Wort Dechsel weiblichen Geschlechtes, also DIE Dechsel, plur. Dechseln. " (Zitat Ende)
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

rolfpeter

Servus Jungs,

natürlich gibt es Dechsel mit durchbohrter Klinge, und um genau so etwas handelt es sich hier bei dem vorgestellten Stück! Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß der ehrenwerte Khamsin die Existenz dieser Geräte bezweifelt.
Die Dinger sind relativ selten, tauchen in der Bandkeramik auf, häufiger allerdings im Mittelneolithikum. Grundsätzlich steht bei der Dechsel die Schneide quer zur Schlagrichtung - und das ist auch hier der Fall. Egal ob ungebohrt im Knieholm geschäftet oder gebohrt auf 'nem Stiel, querstehende Schneiden sind DAS Kennzeichen von Dechseln.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

osman.herberger

Servus RP, schön von Dir zu hören bzw. zu lesen !!

Könnt Ihr mir bitte noch erklären, wo bei diesem Teil die Schneide war...? Ich drehe und wende das Teil, aber ich kann die Dechselklinge nicht vor dem geistigen Auge erkennen...
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rolfpeter

Ich vermute, die Schneide lag links auf dem ersten Foto. Ich kann es bei dem Zustand aber nicht mit letztendlicher Sicherheit behaupten. Wenn die Schneiden nicht mehr richtig zu schärfen waren, wurde mit den Dingern wohl auch noch geklopft bis zum Gehtnichmehr.
Auf meiner Homepage gibt es ähnliche Stücke, das obere kommt von einem wahrscheinlich Rössener Fundplatz, das zweite von einem der ausgehenden Bandkeramik.
http://steinescherben.homepage.t-online.de/thema5q.htm#bohr

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

osman.herberger

Danke für den Link, RP. Ich seh jetzt etwas klarer, wenn gleich ich den angesprochenen Ort der Schneide (links auf dem ersten Foto) nicht recht erkennen mag. An dieser Stelle ist eine auffällige Mulde. Ich hab nochmal zwei Fotos gemacht. Ist vermutlich verdammt schwierig, wenn man das Teil nur auf Fotos und nicht real sieht.
Übrigens, von der Zeitstellung könnte mittelneolithisch sehr gut passen. Ich habe entsprechende Keramik aus dieser Zeit dort gefunden.
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steinadler

das teil sieht doch mal top aus ....
super !

mfg
steinadler
ich glaube an gott , aber keine bestimmte religion !

schaut mal rein : http://yggdrasil-online.de/cms/

osman.herberger

Ich würde Euch gerne zum Schliff im Bohrloch noch was fragen: Das Bohrloch ist, wie man hoffentlich auf den Fotos sehen kann, absolut glatt geschliffen. Rührt dieser Schliff alleine durch den Bohrvorgang her oder wurde dann danach nochmal nachgeschliffen ?
Wäre es für die Schäftung nicht besser, wenn die Oberfläche im Bohrloch rauh ist, weil dann das Holz besser hält. Besteht auf einer dermaßen glatten Oberfläche nicht eher die Gefahr, dass das Holz dann verrutscht ?

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steinadler

ich denke mal dein produkt ging kaputt bei der herstellung . das bohrloch wird glatt gew. sein , da es bei einer bohrung gekühlt wurde .
danach wurde trotzdem im haus das holz eingeführt und verkeilt .

mfg
steinadler
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steinadler

glatter bruch .. gleich spannung im stein ...
ich glaube an gott , aber keine bestimmte religion !

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osman.herberger

Hallo RP,
ich hab mich grad nochmal intensiv mit den Dechselklingen auf Deiner Homepage beschäftigt. Da ist zu lesen, dass bei Dechselklingen normalerweise die Schieferung immer parallel zur Schneide verläuft. Wenn mein gezeigter Fund nicht eine Ausnahme darstellt, dann müsste also die Schneide beim Bild 1 oben gewesen sein, also bei dem Teil, der (mitsamt der anderen Hälfte der Bohrung) abgebrochen ist.
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rolfpeter

Ich habe noch mal ein paar Striche in das 2. Foto reingeschmiert:



Dort, wo das S steht, vermute ich die Schneide, könnte aber auch am entgegengesetzten Ende sein. Der Pfeil zeigt auf flache Absplitterungen, an denen man die Ausrichtung der Schieferung
erkennt. Der Stein bricht vorzugsweise entlang der Schieferung.
Im Bohrloch 4.jpg sieht man auch die Richtung der Schieferung.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert