Verdacht auf Brommespitze

Begonnen von Poseidon1, 13. März 2025, 19:57:08

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Poseidon1

Hallo, dieses Stück habe ich auf einem Acker gefunden, auf dem schon so einiges an mesolithischen Funden aber auch vereinzelt Spätpaläolithikum kam. Bei diesem Stück könnte es sich um eine Brommespitze handeln.

Meine ich zumindest :-) Ich würde mich dazu sehr über eure Expertise freuen.
Das Stück ist 7 cm lang und 4 cm breit und umseitig retuschiert. Der Bulbus wurde entfernt.
Der Fundort ist das südliche Schleswig-Holstein. Der Fundplatz liegt an einem verlandeten See.

hargo

#1
Hallo,

keine Ahnung  :glotz:
Sieht m. E ganz gut aus.
Der Verlauf der Negative ist mit dem Hintergrund nicht immer gleich.
Schon gar nicht auf ...335.jpg (ventral)
Aber was soll's?
Die Beurteilung ob "Bromme" ist den Nordlichtern vorbehalten.

mfg

thovalo


Schönen guten Tag!

Die Brommespitzen sind sehr große und zumeist auf das Notwendigste reduziert gearbeitete Artefakte.

Der Fund ist auf jeden Fall ein vielfach stark beschädigter Abschlag. Ich sehe, außer einer äußerlichen Ähnlichkeit im Umriss, allerdings keine Brommespitze.


lG Thomas    :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Poseidon1

#3
Moin,
danke für eure Einschätzungen! Ich sehe auch die groben lateralen Beschädigungen. Die "Basis" ist allerdings dorsal fein und regelmäßig retuschiert. Umseitig ventral wurde der Bulbus gezielt entfernt. Dorsal gab es offensichtlich noch Bemühungen,  den Abschlag flacher zu gestalten.

thovalo




Das ist ein spezieller Gerätetyp, den es in NRW nicht gegeben hat. Im Norden gibt es eigene Traditionen.

Man kann so ein Stück auch immer drehen und dann als Bohrerspitze verstehen.

Von daher braucht es einen echt "nordischen Blick. Ich hoffe, dass sich die Kenner der nordischen Regionen noch melden werden.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Poseidon1

Ich habe nochmal versucht bessere Bilder der "Basisretusche" zu machen.

Neos

Moin, Mathis,

da auf keinem meiner Fundplätze die Brommekultur vertreten ist, habe ich keinerlei praktische Erfahrungen mit Geräten dieser Kulturstufe und kann daher nur meine Eindrücke zum Besten geben, die ich von deinem Fundstück habe:

Bei einer Brommespitze würde ich eigentlich erwarten, dass der Stiel (beidseitig) klar herausgearbeitet worden ist. Bei deinem Fundstück ist, wenn ich es richtig sehe, hingegen nur auf einer Seite eine Retusche angebracht. Mein Eindruck ist auch, dass es kein Abschlag, sondern ein Frostsprung ist. Kann das sein?

Mein Tipp: Da du als Sondengänger eh viel Kontakt zum ALSH hast, würde ich Ringo einfach mal auf das Stück ansprechen. Er hat gewiss eine fundierte Meinung dazu.

Viele Grüße 

Frank 

Poseidon1

Zitat von: Neos in 14. März 2025, 22:14:15Moin, Mathis,

da auf keinem meiner Fundplätze die Brommekultur vertreten ist, habe ich keinerlei praktische Erfahrungen mit Geräten dieser Kulturstufe und kann daher nur meine Eindrücke zum Besten geben, die ich von deinem Fundstück habe:

Bei einer Brommespitze würde ich eigentlich erwarten, dass der Stiel (beidseitig) klar herausgearbeitet worden ist. Bei deinem Fundstück ist, wenn ich es richtig sehe, hingegen nur auf einer Seite eine Retusche angebracht. Mein Eindruck ist auch, dass es kein Abschlag, sondern ein Frostsprung ist. Kann das sein?

Mein Tipp: Da du als Sondengänger eh viel Kontakt zum ALSH hast, würde ich Ringo einfach mal auf das Stück ansprechen. Er hat gewiss eine fundierte Meinung dazu.

Viele Grüße

Frank

Moin Frank,
Das Teil ist beidseitig retuschiert. Allerdings einmal ventral und dorsal. Das gibt es hier und da bei Stielspitzen (siehe Taute). Ich werde es mal vorlegen. Besten Dank!

hargo

Moin,

würde mich interessieren, wie dann die Antwort lautet.

mfg

Poseidon1

Guten Morgen,ich halte euch auf dem Laufenden.  :super:

palaeo1

Moin !
Es handelt sich bei dem Stück um eine Frostscherbe, die partiell retuschiert ist, ob intentionell oder durch landwirtschaftliches Gerät lässt sich anhand des Fotos nicht entscheiden. Es handelt sich definitiv nicht um eine Brommespitze. Da passt weder die Art der Retuschierung noch die Grundform, sorry !
LG palaeo1

PS. hier ein Beitrag zu Brommespitzen in Niedersachsen und der Entstehung der Bromme-Kultur
https://www.academia.edu/4577140/Kulturelle_Einfl%C3%BCsse_und_Beziehungen_im_Sp%C3%A4tpal%C3%A4olithikum_Niedersachsens_Ein_Diskussionsbeitrag

thovalo

Zitat von: Poseidon1 in 15. März 2025, 09:02:42Guten Morgen,ich halte euch auf dem Laufenden.  :super:


Guten Morgen!

Das würde mich freuen!



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Poseidon1

Moin, danke dir für den Link und deine Einschätzung.  Die Basis, sofern sie eine ist, wurde definitiv intentionell retuschiert. Der Rest ist beschädigt. Die umseitige (ventral/dorsal) Retusche ist nicht häufig aber durchaus nicht untypisch. Hier ein Exemplar vom Bromme-Fundplatz. Warum ist die Grundform nicht passend? Das oben im Beitrag von mir gezeigte Exemplar aus dem Taute ist fast deckungsgleich.

Nichts für ungut, ich finde, dass diese Leidenschaft vom Diskurs lebt.

Ich schnalle nur noch nicht ganz, wo genau an Form und Retusche die Ausschlusskriterien liegen sollen, wenn es für beides Belege in der Literatur gibt? :glotz:
Auf dem angehängten Bild sieht man eine solche Retusche an der Basis.

Poseidon1

Dies wäre meines Erachtens eine vergleichbare Grundform.

palaeo1

#14
Frostscherben, und mit der haben wir es hier zutun, zählen nicht zu den für Spitzen verwendeten Grundformen, sondern nur Klingen oder klingenartige Abschläge. Ich sehe da kein geschlagenes Artefakt. Es gibt zudem zwar Stielretuschen, die alternierend angebracht wurden, diese sind aber steil und regelmäßig. Bis auf die einseitige steile Retusche sind alle anderen Retuschen bei Deinem Stück flach und so stark unregelmäßig, dass hier der intentionelle Charakter nicht dem einer Brommespitze entspricht. Bei dem von Dir vorgestellten Stück besteht nur eine morphologische Ähnlichkeit, keine technologische.
LG palaeo1

Poseidon1

Ok, dann sind die Retuschen möglicherweise nicht richtig zu erkennen. Ich spreche nicht von den flächig abgeplatzten unregelmäßigen Negativen. An der "Basis" sind alternierend steile und regelmäßige Retuschen angebracht. Bleibt noch die Frage der Grundform. Stimmt. Es gibt keinen klaren Hinweis auf einen Abschlag. Abgesehen von einem möglichen Bulbus, der noch gut tastbar aber offensichtlich heraus gearbeitet wurde. Fehlende Wallnerlinien sind kein Ausschlusskriterium. Wo siehst du einen so klaren Hinweis auf einen Frostsprung?

palaeo1

#16
Das Stück ist eine Frostscherbe, weil die Oberflächen auf beiden Seiten alle Merkmale von Frost, aber keines, abgesehen von den vorhandenen Negativen, von intentioneller Grundformherstellung erkennen lassen. Ich habe mir alle Fotos noch einmal angesehen, da ist keines dabei, auf dem eine steile Stielretusch auf der 2. "Stielseite" zu sehen ist. Allein die Tatsache, dass es sich um eine Frostscherbe handelt, schließt eine Brommespitze aus.

hargo

#17
Zitat von: palaeo1 in 15. März 2025, 15:12:07Das Stück ist eine Frostscherbe, weil die Oberflächen auf beiden Seiten alle Merkmale von Frost, aber keines, abgesehen von den vorhandenen Negativen, von intentioneller Grundformherstellung erkennen lassen.  ...

Für mich wird das deutlich an der kovexen Erhebung ventral.
Quasi das Gegenstück zur konkaven, uns üblicherweise geläufigen Frostscherbe.
Richtig?

mfg

Steinkopf

#18
Moin Poseidon,

Eigentlich ist schon alles gesagt - aber noch nicht von mir (Scherz).

Schau Dir noch einmal das von Dir eingestellte Foto (Zeichnung)
* 20250314_224138. an. Darin ist klar zu erkennen, daß die Grundform eine Klinge ist.

Alle alten Rentierjägerkulturen: Hamburg, Bromme und Ahrensburg verwenden als
Grundform für Projektile (und Geräte) Klingen, z. T. auch Groß- und Riesenklingen.
Dabei haben diese Klingen nur eine sehr geringe Krümmung (curvation).
Das macht den Unterschied und ist auf der Zeichnung auch klar zu erkennen.

LG
Jan

palaeo1

Moin alle miteinander!
@ hargo
Hügelige Spaltflächen mit einer mikronarbigen Oberfläche sind ein Merkmal von Frostkluftflächen.

Ich habe mal ein Foto vom Autoren vergrößert und nachgeschärft. Da wird der Unterschied zwischen Wallnerlinien und wellenartigen Linien bei Frostflächen deutlich, die gegenüber dem Schlag vollkommen irregulär verlaufen.

Zudem zeigt die ganze Anlage der Spaltflächen ein Bild, dass es in der Form und in der Anordnung (Reihenfolge im Abbau) nur bei Frostscherben gibt, steinschlagtechnologisch nicht geben kann.

Und wie ich schon ausgeführt habe und Jan es noch einmal treffend sagt: Solche natürlichen Grundformen wurden generell in der Zeit nicht als Geschossspitzen genutzt.

LG palaeo1


hargo

#20
[quote aut
Zitat von: palaeo1 in 16. März 2025, 10:12:58...

Hügelige Spaltflächen mit einer mikronarbigen Oberfläche sind ein Merkmal von Frostkluftflächen.

...

... Da wird der Unterschied zwischen Wallnerlinien und wellenartigen Linien bei Frostflächen deutlich, die gegenüber dem Schlag vollkommen irregulär verlaufen.

Zudem zeigt die ganze Anlage der Spaltflächen ein Bild, dass es in der Form und in der Anordnung (Reihenfolge im Abbau) nur bei Frostscherben gibt, steinschlagtechnologisch nicht geben kann.

...


Vielen Dank!
Ich glaube, das habe ich jetzt verstanden  :glotz:
Was nicht heißt, dass die Ansprache solcher Objekte für mich zukünftig einfacher wird.
Wenn auch schon ein bischen. Der irreguläre Abbau dorsal ist doch sehr sprechend.

mfg