Silex Nr. 2 (von 4). Kann man ihn wo einordnen?

Begonnen von Hadubrand, 26. Juni 2013, 09:27:38

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Hadubrand

Hallo Experten!

Das zweite sonderbare Stück (von 4), das ich hier vorstellen möchte und zu diskutieren bitte, ist aus braunem Flintmaterial und hat einen dünnen blattartigen Lamellencharakter. Es wiegt 97 g.

Es ist also ziemlich flach, wobei die Unterseite eine beinahe ebene aber doch raue Spaltfläche zu sein scheint und kaum eine Bearbeitung zeigt. Die Oberseite besitzt offenbar noch die ursprüngliche Rinde. Am verjüngten Ende befindet sich ein kleine, etwa 8 mm lange und leicht quer gestellte Schneide. Also recht ähnlich wie bei meinem als Nr. 1 gezeigten Stück. Vor dieser scharfen Kante erkennt man eine feine abstumpfende Retuschierung, die vielleicht eine Schutzretuschierung für den Zeigefinger war. Diese kleine Schneide könnte auch hier eine Arbeitskante gebildet haben, denn der unmittelbare Bereich in dieser Gegend (an der Oberseite) zeigt eine flächig abgeschliffene Zone auf der sonst am Stück eher etwas raueren Cortex. Man könnte das vielleicht (bei rechtshändiger Benutzung) als Arbeitsspuren nach einer Art hobelnden und lange Zeit dauernden Tätigkeit deuten. Einige retuschierte Stellen an den Seiten könnten auch als Hohlschaber gedient haben. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die eine große Stelle nicht vielleicht eine spätere Verletzung ist. Sie sieht nämlich etwas frischer aus. Die Farbe des Steinmaterials erscheint auf manchen Bildern leider zu dunkel. Sie entspricht besser dem etwas helleren Ockerbraun.

Auf dem letzten Bild (Unterseite) befindet sich die kleine quer gestellte Schneide am obersten Bildrand und geht von der Spitze ganz leicht schräg nach rechts. Man sieht hier etwas deutlicher, wie der retuschierte Teil rechts davon stumpf gemacht worden ist.

LG
Hadubrand


Steinkopf

#1
Hallo Hadubrand,

da stellst Du dem Forum wieder eine Herausforderung.

Bei Flint, Silex & Co. handelt es sich um ein sprödes Gestein, welchen in der rauen Natur
an den fragilen Kanten leicht Brüche, Absplitterungen etc bekommt.
Hier sehe ich (Bild 3) eine Reihe von solchen Retuschen, die eigentlich recht gleichmäßig nebeneinander sind.

Ob es sich um absichtliche Abdrücke handelt oder ob sie natürlich entstanden sind ist die Frage.

Vom Gesamteindruck her entspricht dieser flache Stein nicht das Bild eines bekannten Werkzeugtyps
wie Kratzer, Schaber etc. - muss es auch nicht, es gibt auch ad hoc Werkzeuge.

Fazit:  Bei dieser dünnen Beweislage kann ich zu keinem seriösen Urteil kommen.

LG

Jan

Hadubrand

Hallo Jan,

ganz recht! Das Problem hatte ich auch dabei. Deshalb sammelte ich auch alle verdächtigen Steine im Umkreis von etwa 20 m herum auf. Der Fundort war früher eine Wiese im Aubereich und wurde nur versuchsweise einige Jahre gepflügt. Der Boden war jedoch für den Maisanbau zu feucht. Seither wächst dort nur mehr dichtes Strauchwerk.

Ein Kieselgeröllstück vom gleichen Fundort passt vielleicht dem Aussehen nach hierher. Es ist ebenso ein Abschlag mit einer unbearbeiteten Unterseite. Der Zentralbereich der Oberseite zeigt noch die natürliche glatte Kieselrinde, die zu den Randbereichen hin "abgeklopft" erscheint und so rundum scharfe Ränder ergibt. Da die Natur an glatt geschliffenen Kieseln durch Frost oder dergleichen kaum etwas in dieser Form hervorbringen kann, spricht die Wahrscheinlichkeit eher dafür, dass es jemand zu einem bestimmten Zweck hergestellt hat. Es wäre als Werkzeug jedenfalls durchaus brauchbar gewesen. Vermutlich gibt es aber keine Vergleichsobjekte. Ich kenne auch keine. Damit bleibt es wohl ein Geröllofakt, aber immerhin für den Fundbereich ein interessanter. Wie würdet ihr das sehen?

LG
Hadurand



Levante

Moin,

dass Material würde ich am ehesten als einen braunen Quarzit ansprechen, was meint ihr?

Wäre als Material zur Herstellung von Werkzeugen nicht ganz unbekannt.

Ich sammle die Teile auch immer ein, da bei mir absolut gebietsfremd, war aber leider noch nichts gescheites dabei.
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Hadubrand

Ja, es ist ein Quarzit. Alles, was da noch außer den 4 Silexstücken lag, ist aus Quarzit. Flint ist hier praktisch unbekannt und kam bisher nur aus Ergrabungen neolith. Siedlungsplätze meist in Form von Microlithen hervor. Das Material musste von weit her gebracht werden und war deshalb eine große Kostbarkeit.
Ich hab noch vergessen, zu dem Quarzitstück die Maße anzugeben:
Das Stück ist 10,3 cm lang; 6,5 cm breit und wiegt 193 g.
LG
Hadubrand

CF

Zitat von: Hadubrand in 28. Juni 2013, 16:44:45
... Flint ist hier praktisch unbekannt ... Das Material musste von weit her gebracht werden und war deshalb eine große Kostbarkeit.

... Daher ist davon auszugehen, dass nur qualitativ hochwertiges Material in Form von Geräten oder Halbfertigprodukten importiert wurde. So einen Klumpen hätte wohl niemand kilometerweit geschleppt.
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Hadubrand

Ganz genau! Ich bin auch dieser Meinung.

Aber was ist es jetzt? Dass ein Steinesammler an dieser Stelle vier verschiedene bearbeitete Flintvarianten ablegt, ist noch weit unwahrscheinlicher, als ein Haupttreffer im Lotto.

a. Material, das später verarbeitet werden sollte.
b. Bereits fertiges Gerät.
c. Abfall, der bei der Geräteherstellung angefallen ist.
d. Ein Rest (-kern), der für weitere Verarbeitung zu klein ist.

Da wäre eine Meinung dazu gefragt.

LG
Hadubrand

Saxaloquuntur

a) mögliche Antwort: dann läge ein Schlagplatz vor, d.h. ein so singuläres Auftreten wäre dann ein Wunder.
b) es ist kein morphologisch eindeutiges Gerät. Ich erkenne keinen eindeutig sicheren artifiziellen Charakter.
c) dann wäre hier ein Schlagplatz/Siedlung oder anderweitige Aktivitätszone der Geräteherstellung denkbar, dafür ist eine höhere Fundfrequenz angesagt-sprich andere Abfälle. Eher mehr als weniger. Debitage, Mirkodebitage, Kerne, Rohmaterial, Grundformen, Präparationssbschläge...etc.
d) Auch dann wäre eine höhere Fundfrequenz angesagt,- an eindeutigen und ähnlichen Stücken, ein Kontext fehlt! 'Ein Restkern sieht anders aus.

Ergo: Unbekannter, nicht datierbarer Transformationsprozess. (Wie kam das da hin, wann und warum???) Alles Andere ist höchstens eine (Arbeits)-Hypothese. Wie schon oben geschrieben: Anhaltspunkte/Beweislage ziemlich dünn. Fakten!! sind gefragt.
Saxaloquuntur.

CF

Zitat von: Hadubrand in 29. Juni 2013, 12:00:27
Ganz genau! Ich bin auch dieser Meinung.

Aber was ist es jetzt? Dass ein Steinesammler an dieser Stelle vier verschiedene bearbeitete Flintvarianten ablegt, ist noch weit unwahrscheinlicher, als ein Haupttreffer im Lotto.

a. Material, das später verarbeitet werden sollte.
b. Bereits fertiges Gerät.
c. Abfall, der bei der Geräteherstellung angefallen ist.
d. Ein Rest (-kern), der für weitere Verarbeitung zu klein ist.

Da wäre eine Meinung dazu gefragt.

LG
Hadubrand

a. scheidet wohl aus, weil es qualitativ zu schlecht ist.
b. scheidet aus, weil es kein Gerät ist.
c. scheidet aus, weil keine artifiziellen Spaltflächen vorliegen.
d. scheidet aus, weil es lediglich ein Geröll ist.

Es ist ein partiell bestoßenes Geröll, ob das überhaupt Feuerstein ist, scheint fraglich. Auch wenn das Material ortsfremd ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es ein Manuport aus vorgeschichtlichem Zusammenhang ist.
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Hadubrand

Gut!

Ich stelle euch dann im nächsten Thema auch noch die beiden letzten Flintstücke vor. Vielleicht können danach alle 4 zusammen gesehen etwas weiterhelfen und ein abschließendes Urteil ergeben.

Endlich kann ich nun auch schon mit dem Verkleinern der Fotos auf das richtige Maß besser zurechtkommen.

LG
Hadubrand

Rambo

Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

Hadubrand

Hallo Rambo,

vielen Dank für deinen Hinweis! Ich bin vor einigen Tagen auch schon auf diese Seite gestoßen und habe mir die Buchbesprechung erst einmal gespeichert. Überraschend war für mich, dass an die dreißig Flintvorkommen in der Steiermark bekannt sind, wenn auch nur wenige davon genutzt wurden.

Ich glaube allerdings nicht, dass ich dieses Werk wegen meiner 4 Flintstücke so genau studieren will.

Als ich in den 80er Jahren eigentlich nur unterwegs war um Forellen zu fischen, bin ich über diesen neu angelegten Acker gestolpert und hab dabei diese ortsfremden Stücke da aufgelesen, die mir bis heute ein Rätsel sind und, wie es aussieht, auch bleiben werden. Immerhin war das damals ein Anlass, mir auch die Umgebung anzusehen. Es gibt dort ganz in der Nähe z. B. Römergräber, die in den 30er Jahren bemerkenswerte Funde ergaben. Schließlich konnte ich an einer bisher unbekannten Stelle, die etwa 200 bis 300 m entfernt lag, einen neolithischen Siedlungsplatz entdecken, der durch Keramikscherben, geschliffene Steinartefakte (Bruchstücke von Grünschieferbeilen, durchlochte Hammerbruchstücke), Webstuhlgewichte und einige wenige Mikrolithe und Absplisse (natürlich alles nur Oberflächenfunde)doch als gesichert gelten kann.

Ich bin deshalb kein Sammler geworden und hab mich auch nie um andere Fundplätze gekümmert. Seit ich in der Steiermark wohne, war mein Interesse überhaupt etwas eingeschlafen. Erst der Umstand, dass man in der Ortschronik meines früheren Wohnortes die ganze Siedlungsgeschichte nach den Archiven des Landesmuseums neu und zusammenfassend aufrollte, ist mein Interesse wieder etwas erwacht. Die Versuchung war einfach zu groß, dafür die neuen Möglichkeiten des Internets zu erproben.

LG
Hadubrand