Spitzklinge

Begonnen von queque, 29. Februar 2020, 10:13:04

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queque

Guten Morgen,

gestern hatte ich ca. eine Dreiviertelstunde Zeit, zwischen zwei Terminen mit dem Rad ein wenig über die Felder am Stadtrand zu fahren. Das meiste ist nicht begehbar, weil die Saat resp. Grünsaat alles blickdicht macht. Ein Acker, auf dem ich bisher noch nie war, ist gut abgeregnet und so hatte ich noch ca. 5 Minuten, eine Runde zu drehen. Dabei fiel mir diese Spitzklinge mutmaßlich Michelsberger Provenienz vor die Füße. Leider fehlt die Basis. Sie scheint aber intensiv genutzt worden zu sein, misst in ihrem Zustand noch 7 cm. Das Material ist zonierter Rijckholtfeuerstein.
Da werde ich mich mal ein wenig umtun, solange der Bauer noch die Füße still hält.

Viele Grüße
Bast

Nanoflitter

Schöner Brummer. :super: Könnt auch so genutzt worden sein, vielleicht war die Basis schon vorher weg. Gruss..

queque

Zitat von: Nanoflitter in 29. Februar 2020, 11:25:26
Schöner Brummer. :super: Könnt auch so genutzt worden sein, vielleicht war die Basis schon vorher weg. Gruss..

Das kann gut sein, gerade hier, wo das Material so rar war...
Viele Grüße
Bastl

Danske

Hallo Bastl,

Glückwunsch zu dem Fund, ein sehr schönes und beeindruckendes Exemplar. :super:

Die Michelsberger haben wohl alle Werkzeuge etwas größer gefertigt als andere Kulturen. :-D

Waren diese Spitzklingen ein Multifunktionswerkzeug, welches bohrend, kratzend oder schabend eingesetzt wurde? Oder war es auch als Bewehrung für Speere denkbar?


LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

queque

Hallo Holger, Spitzklingen waren wohl Multitools, mutmaßlich geschäftet und wurden wohl wie von Dir beschrieben genutzt. Es gibt auch Hinweise darauf, dass sie als Feuerschlagsteine recyclet wurden.
Die Michelsberger hier hatten ausgezeichnete Verbindungen zu den westlichen Rohmaterialquellen. Es gibt ältere Spitzklingenfunde von fast 20 cm Länge...
Viele Grüße
Bastl

hargo

Zitat von: Danske in 29. Februar 2020, 17:13:22
...Oder war es auch als Bewehrung für Speere denkbar?
...

Undenkbar!

mfg

StoneMan

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

queque

#7
Speere sind Distanzwaffen, die meines Wissens lediglich im Paläolithikum, nicht jedoch für das Meso- und Neolithikum nachgewiesen sind. Die ältesten Speere waren lediglich zugespitzt. Ich kenne auch knöcherne Speerspitzen. Speerspitzen aus Feuerstein werden für die ältere Balttspitzenindustrie vermutet.

Sorry, das hatte ich gestern Abend überlesen.

Viele Grüße

Bastl

McSchuerf

Glückwunsch! Beeindruckendes Exemplar!  :super:

thovalo

#9
Zitat von: Danske in 29. Februar 2020, 17:13:22
Hallo Bastl,

Glückwunsch zu dem Fund, ein sehr schönes und beeindruckendes Exemplar. :super:

Die Michelsberger haben wohl alle Werkzeuge etwas größer gefertigt als andere Kulturen. :-D

Waren diese Spitzklingen ein Multifunktionswerkzeug, welches bohrend, kratzend oder schabend eingesetzt wurde? Oder war es auch als Bewehrung für Speere denkbar?


LG
Holger

allo Holger!

Es ist tatsächlich so, dass in der den Verbreitungsgebieten der Michelsberger Kultur die Gerätschaften oft ein größeres Format gegen über vorangegangenen Kulturen oder parallael bestandenen Kulturen besassen. Diese Kultur hatte ganz offensichltich guten Zugang zu Silexlagerstätten in der Maasregion an denen die Herstellung großformatiger Grundformen und Abschläge mögliche war. Zudem verfühgte diese Kultur über ein Distrisbutionssystem über das solche Grundformen weiträumig verbreitet werden konnte. Gerade die Großklingen sind dabei ein "Markenzeichen". Diese Fundbelege verdichten sich manchmal dermaßen, dass man bei manhen Fundstellen von regelrechten "Klingenäckern" sprechen kann auf denen fast alle Gerätetypen aus Klingengrundformen hergestellt worden sind.


Seit einigen Jahren zeichnet sich allerdings auch ab, dass großformatige Klingen auch noch bis in das späte Neolithikum hinein produziert und ausgetauscht wurden, allerdings nicht mehr im vergleichbaren Umfang.

Die Spitzklingen sind nicht nur Multitools sondern auch Abnutzungsgerätschaften die fortgesetzt durch Nachretuschierung ein zunehmend geringeres Format erreichten. An Orten an denen solche Funde häufig vorkommen zeigt sich besonders gut diese "Transformation" von der Riesenklinge zum "Reststück", das dann noch als "Bohrer" Ahle" weiter Verwendung finden konnte. An Zentralorten der Michelsberger Kultur finden sich besonders häufig abgebrochene Distalpartien begleitend zu einer hohen Variabilität der verschiedenen Nutzungszustände der "Spitzklingen". Und sie sind nur ein charakteristischer Bestandteil des Werkzeugsets der "Michelsberger" das insbesondere noch großformatige Abschlagkratzer führte.

Eine der für mich persönlich spannendsten, kreativsten und weithin wirksamsten Kulturerscheinungen des jüngeren Neolithikums in Mitteleuropa. Hier zeigen sich erstmalig Merkmale einer auch wirtschaftlich komplex organisierten gesellschaftlichen Organisation und Tradition.


lG Thomas





Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Danke für die Informationen, Thomas :Danke2:

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Danske

Zitat von: queque in 01. März 2020, 07:54:52
Speere sind Distanzwaffen, die meines Wissens lediglich im Paläolithikum, nicht jedoch für das Meso- und Neolithikum nachgewiesen sind. Die ältesten Speere waren lediglich zugespitzt. Ich kenne auch knöcherne Speerspitzen. Speerspitzen aus Feuerstein werden für die ältere Balttspitzenindustrie vermutet.

Sorry, das hatte ich gestern Abend überlesen.

Viele Grüße

Bastl

Hallo Bastl,

es gibt doch aber z.B. aus dem Endneolithikum und der frühen Bronzezeit Dänemarks Speerspitzen. Und auch L. Fiedler benennt blattspitzenartige Lanzenspitzen im Jungneolithikum.
Es ist für mich auch gar nicht nachvollziehbar, warum eine über die Jahrtausende nützliche Distanzwaffe im Neolithikum keine Verwendung finden sollte.

LG
Holger 
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Danske

Zitat von: hargo in 29. Februar 2020, 23:57:20
Undenkbar!

mfg

Hallo hargo,

warum undenkbar? Weil Grundform eine Klinge ist oder warum?

LG...
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hargo

Zitat von: Danske in 01. März 2020, 17:51:25
Hallo hargo,

warum undenkbar? Weil Grundform eine Klinge ist oder warum?

LG...

Weil es sich bei einer Spitzklinge nachweislich um ein Abnutzungsgerät handelt, welches durch Nachschärfung immer kürzer wurde und das in seiner i. d. R. gekrümmten Form sicherlich nicht für eine Speerspitze geeignet war. So eine Spitze würde aufgrund des ungünstigen Aufprallwinkels brechen. Da ist vermutlich jeder Knochensplitter besser geeignet, weil ihm eine höhere Eindringtiefe unterstellt werden darf.

mfg