Schaberverdacht

Begonnen von Steinereihe, 06. September 2015, 21:07:29

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Steinereihe

Liebe Sucher,

Diese große dicke Klinge (11,7 x 4,7 x 2,2 cm) habe ich zwisschen Aachen und Maastricht auf eine Stelle gefunden wo es überwegend neolithische Funde gibt, aber auch meso und seltene MP Stücke.

Die Klinge scheint mir beidseitig lateral retuschiert. Vielleicht etwas steil, aber es seht aus ob wie da eine ganzen Rand stark abgenutzt worden ist, mit dieser Schuppformige Absplisse, die aber teilweise sehr verrundet aussehen.

Hier zeige ich die eine Seite (weiter unter folgt die Andere Seite, mit dazu Fotos des Spitzen Endes, das etwas Stichelartig ausseht..).

Die große Frage: Konnte das ein Schaber sein (und ist das denn auch MP)? ...

LG, S.

Steinereihe


Und hier noch die andere Seite und den spitzen Ende, mit (???) Stichelartiges negativ ??

(MP ?)

LG, S.

Nanoflitter

Das Stichelartige Negativ ist ein Steckenbleiber(Hinge-fracture) von einem vorausgegangenen Abschlag. Die Klinge ist wahrscheinlich so fett, weil der Mann(Die Frau :zwinker:) damals durch Abschlag einer dickeren Klinge den Steckenbleiber entfernen wollte.
Gruss...

RockandRole

Servus Steinereihe

Auf den habe ich heute schon gewartet  :zwinker:  hätte ich den auf einen von meinen Fundstellen aufgelesen, dann hätte ich auch einen Schaberverdacht. Falls bei euch Patina bei alten Artefakten eine große Rolle Spielt, könnte ich jetzt auch viel Käse erzählen.

Ich denke, dass die steile Retusche die ja auch gestaffelt ist, vom mehrmaligen nachretuschieren kommt. Ein Schaber hat ja eine lange Kariere als Werkzeug hinter sich, die Lateralen waren ja an der Grundform scharf, und im Optimalfall flach. Der Grad der Verrundungen an den größten Negativen lässt hier auf ein hohes Alter schließen, meiner Meinung jedenfalls.

Teilweise erkennt man aber, dass das Stück von der Landwirtschaft arg gebeutelt wurde. Die Grate an der Seite mit deinem vermeindlichen Stichelschlag sind schon sehr frisch und wahrscheinlich rezent. auch das große Negativ halte ich für neu.

Alles in allem hätte ich hier auch MP Verdacht, aber ich bin da auch erst ca 2 Jahre tiefer in der Materie drinnen.

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Tut doch mal die Rostspuren nicht so überbewerten.... wenn ein Eisen an eine Kante entlang gezogen wird, nutzt es sich naturgemäß
stark ab und hinterlässt eine Spur, muss aber noch laaaange nicht die Ursache für die Kante sein. Außerdem würde bruchmechanisch
die Folge hier völlig anders aussehen. Für so einen flachen Bruchwinkel kann niemals dort angesetzt worden sein.
Gruss...

steinwanderer

Moin Steinereihe,
da das Stück auf beiden Seiten gleichmäßig retuschiert ist, gehe ich davon aus, das es sich um ein Kern- bzw. Scheibenbeil  handelt.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

Steinereihe

 Hallo Daniel, Hallo Nanoflitter,

Danke, danke! Die Diskussion zur Patina ist hier ohne Ende. Starkweissen Patina, mit Frost-schade und Druckkegel gibt es (zusammen) nur auf Artefakten mit MP Typologie. Niemals auf neolithisch aussehende Werkzeugen. Aber es gibt auch Paleo aussehende Werkzeugen ohne Patina und neolithische mit leicht weisse Patina. Es sind genau die paleo aussehende ohne glanzpatina oder ohne die obengenennte Kombi von Oberflächemerkmalen wobei die Archäologen diskutieren ohne Ende. So, entweder haben wir hier neolithische Schaber und Faustkeilen (sagen einige) oder es sind paleo Stücke ohne Patina (sagen andere).

Die Boden hier ist stark eisenhaltig und es gibt Bodeneisenoxidanheftungen und Pflugsporen (beide).

Steile laterale 2-seitige Retusche tret hier auch auf auf die viele Scheibenbeilen (meso- bis Neo-lithikum A).
Einige dieser Stücke ähneln Schaber und Faustkeile (wenn die Retusche teilweise zweiseitig ist).

Diese Scheibenbeile sehen aber lateral nicht so 'abgenutz' aus wie das Stück hier...

LG, S.

Steinereihe

Ha Klaus,

Da war ich zu spät!

Ja es gibt hier auch viele Scheibenbeile (sehe Beitrage oben).

Danke!!!!

LG, S.

thovalo



Hm, ich fand vor Jahren einen patinierten Schaber an einer Klinge ....... erst vor eineinhalb Jahren stellte sich durch umfassende geologische Untersuchungen heraus, dass das Gelände bis Heute unverändert glazialen Ursprungs ist .........  

Manches braucht seine Zeit um in die eine oder andere Richtung eingeordnet werden zu können, für den hiesigen Fundbeleg sehe ich noch beide Richtungen offen.



lG Thomas    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinereihe


StoneMan

Zitat von: Steinereihe in 06. September 2015, 21:07:29
...
Die Klinge scheint mir beidseitig lateral retuschiert. Vielleicht etwas steil, aber es seht aus ob wie da eine ganzen Rand stark abgenutzt worden ist, mit dieser Schuppformige Absplisse, die aber teilweise sehr verrundet aussehen.

Hier zeige ich die eine Seite (weiter unter folgt die Andere Seite, mit dazu Fotos des Spitzen Endes, das etwas Stichelartig ausseht..)
....

Moin,

@ sorry Steinereihe,

ich kann um diese Zeit offenbar nicht mehr die Reihenfolge der Abbildungen checken...^^
Zwar lese ich, dass die "andere" Seite weiter unten ist, dennoch die Nachfrage für mein Verständnis,
sind denn die beiden ersten Bilder "A" und "B" nicht dorsal/ventral?





Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinereihe

Hallo Jurgen,

Ja A und B zeigen dorsal und ventral und E & F zeigen dorsal die andere Lateralseite.
(Bitte verzeihe mein unklares Deutsch!)

LG, S.

StoneMan

#12
Moin Steinereihe,

Dein deutsch ist kein Problem, das ist OK  :super:

In diesem Falle, wo ich also die Fotos A + B richtig interpretiere, verstehe ich nicht, bzw. sehe ich nicht,
dass das Artefakt "beidseitig lateral retuschiert" sein soll.

"Beidseitig retuschiert" beziehe ich auf eine Laterale.

Auf Bild A (dorsal) ist die untere Laterale retuschiert.
Auf Bild B (ventral), ist aber keine Retusche an der oberen Kante, oder ist die
lediglich nicht zu sehen? :glotz:

Gruß

Jürgen

OK es ist spät :dumdidum:  dann meint Dein´unklares deutsch´, dass beide Lateralen retuschiert sind (?).
Warum zur Hölle sieht man das nicht auf Bild "A" ? Ist das verdreht, also keine 90°-Ansicht?

Sorry, ist nicht bös gemeint, ich will nur immer alles genau wissen  :-D
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

RockandRole

Guten morgen

Das mit der Patinierung auf MP Artefakten verhält sich bei uns ähnlich. Wenn etwas patiniert ist, dann ist es sicher alt. Etwas sicher altes muss aber nicht patiniert sein. Habe so ein paar Stücke die wirken wie gestern erst weggeworfen. Hast du Lössböden?

Meine Pfeile zeigen lediglich den scharfen Grad, der mir nicht so ins Gesamtbild rein passt. Habe ja nicht gesagt dass ich hier die Dreipunktbruchrichtung anzeige.   :engel:

Den Ansatz von Klaus finde ich auch interessant. Da ist er sogar näher dran wie ich z.B...so etwas habe ich bei uns auch noch nicht gefunden.

Allen einen schönen Tag
gefährliches Drittelwissen

thovalo

Zitat von: StoneMan in 07. September 2015, 01:07:21
Moin Steinereihe,

Dein deutsch ist kein Problem, das ist OK  :super:

In diesem Falle, wo ich also die Fotos A + B richtig interpretiere, verstehe ich nicht, bzw. sehe ich nicht,
dass das Artefakt "beidseitig lateral retuschiert" sein soll.

"Beidseitig retuschiert" beziehe ich auf eine Laterale.

Auf Bild A (dorsal) ist die untere Laterale retuschiert.
Auf Bild B (ventral), ist aber keine Retusche an der oberen Kante, oder ist die
lediglich nicht zu sehen? :glotz:

Gruß

Jürgen

OK es ist spät :dumdidum:  dann meint Dein´unklares deutsch´, dass beide Lateralen retuschiert sind (?).
Warum zur Hölle sieht man das nicht auf Bild "A" ? Ist das verdreht, also keine 90°-Ansicht?

Sorry, ist nicht bös gemeint, ich will nur immer alles genau wissen  :-D


Hallo Jürgen,

ich habe das offenbar auch nicht verstanden, tatsächlich sind beide Langseiten retuschiert!
Damit ist das kein Schaber, der ja unilateral retuschiert sein sollte.

Klaus hat das gesehen und die scheibenbeilartige Form sofort "verstanden".


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Kelten111

Schaber sehe ich jetzt da nicht unbedingt , denke es gehört schon ins NE .
Der Gedanke mit den Scheibenbeil finde ich gut  :glotz:
Die ( Retuschen ) sind nicht Schabertypisch sie sehen eher nach einer Zurichtung aus  :glotz:

Mfg

stonehunter

Die Retuschen sind steil und unregelmäßig. Das spricht eher für eine reine Formgebung. Einen Schaber sehe ich hier auch nicht, Scheibenbeil ist eher möglich.

P.S:

Zitat von: thovalo in 07. September 2015, 08:15:13
Damit ist das kein Schaber, der ja unilateral retuschiert sein sollte.

Das ist falsch, Doppel-, Winkel- und Spitzschaber besitzen immer zwei retuschierte Arbeitskanten.

thovalo


Diese Form,

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,67354.0.html

auch patiniert, ist inzwischen als früh verworfene neolithische Beilklingenvorarbeit geklärt.


Zwar ist auf einer Seite bereits die Centerline grob ausgeführt, auf der Gegenseite aufgrund des markanten Manganeinschlusses jedoch nicht. Diese Seite hat ebenfalls eine grobe Retuschierung die wohl die Ausgangsbasis der ersten Zurichtung der Grundform gewesen ist.
Zwar ist die Bearbeitung weiter fortgeschritten, doch sehe ich durchaus Parallelen.
Es bliebe bei einem möglichen Hiebgeräteeinsatz, ob scheibenbeilartig oder Beilklingengrundform.

Ich glaube insbesondere das jüngere Neolithikum hatte in der Steinbearbeitungstechnologie eine hohe Vielfalt von variablen Arbeitsgängen und individuellen Ansätzen der Ausführung.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: thovalo in 07. September 2015, 08:15:13

Hallo Jürgen,

ich habe das offenbar auch nicht verstanden, tatsächlich sind beide Langseiten retuschiert!
Damit ist das kein Schaber, der ja unilateral retuschiert sein sollte.

Klaus hat das gesehen und die scheibenbeilartige Form sofort "verstanden".


lG Thomas

Moin,

gut zu wissen, dass ich damit nicht alleine stand.

Klaus hat es womöglich verstanden/gesehen, allerdings schreibt er auch, "...auf beiden Seiten gleichmäßig retuschiert".

Du Thomas schreibst es jetzt deutlicher, "tatsächlich sind beide Langseiten retuschiert!"
Besser wir würden in diesen Fällen von Kanten oder Lateralen sprechen.

Die "Seiten" sind die Breitseiten dorsal/ventral. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege.

Demgemäß ist es nach dorsal (auf einer Seite), an beiden Lateralen retuschiert. Das geht aus
den Bildern nur äußerst schwer hervor.

Sorry für die, wie ich hoffe, sinnvolle Unterbrechung.

Zu dem Teil selber würde ich sagen, ein unklares Abschlaggerät.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo


Lateralverläufe; Langseiten ......   :super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fischkopp

Hallo allerseits,

ein Geraet kann ich hier nicht erkennen. Man kann vom dem Stueck noch sicher einige gute Abschlaege
gewinnen. Daher sieht es fuer mich nach einem Kern aus.

LG Fischkopp

Steinereihe

#21
Liebe Alle,

Sehr vielen dank!

'nach dorsal (auf einer Seite), an beiden Lateralen retuschiert': Jaaaaaaa, das ist genau was ich sagen wollte (DANKE!  :Danke2:)
( :schaem:)

Der Archaeologe mit Flint / Steinzeit Expertise für diese Regio sagt: nicht gelungen Scheibenbeil.

Ich habe hier schon 5 wunderbar gut gelungen und auch noch einige nicht gelungen oder nicht so deutliche/klare/fertige Exemplare gefunden.

Schon 4 dieser Scheibenbeile haben ein sehr spitzes Nacken-ende; ich vermute das spielte eine Rolle beim Schäftung (???).
(Das seht ja aus wie ein 'Schäftungsdorn' an den Nackenende einer der Lateralen; dieses Exemplar hier hat auch eine, aber nicht so deutlich wie die 3 andere).

Weiss jemand ob es bekannt ist das Scheibenbeile solch ein spitz zulaufendes Nacken-Ende an eine der Lateralen haben können, und weist das noch auf eine bestimmte Periode hin?

LG, S.

p.s. genau so wie diese von RolfPeter:

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,23758.0.html

'hergestellt aus Rijckholt-Flint, gerade mal 4cm lang, keinerlei Schliffspuren, so zeigt sich dieses kleine Kerlchen. Gefunden wurde es auf einer Hochebene, die MK-verdächtig ist. Das spitze Ende ist ...'


p.p.s Vielleicht so? Spitz zulaufende Nacke für ein spitz zulaufendes Schäftungsloch?  (sehe bitte Zeichnung unten)
(oder etwas ähnliches in ein 'Schäftungsblock' aus Gewei gefertigt)





thovalo




Hmmmm auf den Bildern sehe ich eher einen Bohrer ..... vom Feinsten!  :glotz:


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinereihe

#23
Hmmmm, Iche sehe eine Lateralseite die komplett retuschiert worden ist.
Das ist doch nicht eine Standard-zurichtung zur Bohrerspitze....

Ich denke noch immer eher an einen Scheibenbeil. Die Schneide ist da...

Khamsin's geschäftete Bohrer-Theorie / Drillbohrer-Theorie kann nicht stimmen weil die Bohrerspitze denn im Mitte zentriert sein sollte.

LG, S.

p.s. Ich werde meine eigene Scheibenbeile 'mit spitze Nacke' später noch einstellen. Das sind alle wirklich keine Bohrer.

thovalo


Das sehe ich ganz anders, denn es sind alle Merkmale eines Bohrers vorhanden und keine einer Scheibenbeilklinge!
Die "Schneide" weicht von Allem ab was die eines Scheibenbeiles ausmacht.
Der "Nacken" / das Funktionsende als Bohrer zeigt alle Merkmale eines Bohrers!


Denke als ein Vergleichsstück an den hier ..........

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,62706.0.html


Der ist allerdings überdeutlich klar anzusprechen.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinereihe


Danke.

Jan hat zu deinen Stück geschrieben: 'Es scheint mir, dass die intensive Bearbeitung auch darauf gerichtet war, ein gerades Werkzeug zu schaffen,
welches sich bei Drehungen nicht verkantet.
'

Genau das fehlt bei das Stück von RolfPeter, weil es wie gesagt nicht in mitten zentriert ist.

Es gibt hier für Scheibenbeile eine 'Reihe von möglichen Karakteristiken'. Die sind aber 'scheinbar willkürig' über die Stücke verteilt....

1. Schlagpunkt kan lateral liegen, an die Schneideseite oder an die Nackenseite.
2. Steile Retusche kann an nur eine der Lateralen liegen oder an beide.
3. Die Schneide kann A. unbearbeitet sein, B. durch einen Tranchetschlag gebildet sein oder C. retuschiert sein.

Aber streiten wir nicht über das Stück hier. Ich wollte nur ein Beispiel geben für ein Stück das ein spitz zulaufendes Ende an eine der Lateralen hat.
Das haben einige meiner Scheibenbeile auch. Und das war die Frage, ob das typisch für eine Periode ist.

LG, S.