Wo wir schon bei Sichelklingen sind ....... danke 7P !

Begonnen von thovalo, 04. Februar 2012, 12:49:38

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thovalo

 :-)

Dieses Artefakt fand ich über Jahre hinweg in zwei durch die Landwirtschaft zerbrochene Teilstücke im "Niederrheinischen Tiefland" auf einem neoltihischen Siedlungshügel auf dem rechten Flussufer.

7P´s Fund

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,53756.0.html

hilft enorm beim Verstehen dieses aus einem westlichen Feuerstein der Varietät "Rijckholt" gefertigten Geräteeinsatzes und hilft damit möglicherweise der näheren facharchäologischen Klärung dieses Fundbelegs näher kommen zu können.

Der Sonderfund vom Niederrhein ist ohne ein einziges bekanntes Vergleichsstück aus dem Rhein-Maasgebiet. Er kann durch den näheren Vergleich sehr viel deutlicher als wahrscheinliche individuelle Ausprägung einer Sichelklinge aus der charakteristischen "westlichen" Feuersteinvarietät angesprochen werden!

Die Grundform ist, wie die Stücke aus Oldenburg und wohl auch das Stück von 7P, aus einer Klingengrundform gearbeitet, die in diesem Fall schon als Ausgangsprodukt gebogen und leicht "in sich" gedreht war. Und schau an: auch am Fundbeleg vom Niederrhein ist am Schlagpunkt ein Kortexrest erhalten, ein Phänomen das für sehr viele Exemplare, einschließlich der Oldenburger Sichelklingen, absolut charakteristisch ist.

Die Ansprache des Fundbelegs aus Rijckholtfeuerstein als "Sichelklinge" war bislang noch unsicher, WEIL kein Sichelglanz vorhanden ist und die Schneide vergleichsweise steil und ebenso wie an 7P´s Stück feingliedrig steiler anretuschiert worden ist. Zudem ist die gesamte Dorsalpartie plan überschliffen, ein Phänomen, das nordische Sichelklingen NICHT aufweisen.

Da die der Schneide gegenständige "Nackenpartie" (Lateralverlauf der Gegenseite) deutlichste Abnutzungsspuren durch den Gebrauch in eines längsgerichteten Schäftung aufweist ist aus meiner Sicht nun klarer anzunehmen, das es sich um einen weitgehend abgearbeitete und in der Nachbearbeitung zunehmend steiler zuretuschierten und zumindest in der letzten Zuarbeitung kaum mehr über eine längere Zeit hinweg verwendeten Einsatz einer Sichelklinge handeln kann. Die besonderen auffälligen Merkmale lassen sich jetzt durch den direkten möglichen Vergleich deutlicher ansprechen.

Daran hängen etliche Schlussfolgerungen

- Aufnahme des "nordischen" Sicheleinsatzkonzeptes durch Vertreter einer Niederrheinische Kulturgruppe und deren Umsetzung in einem für die Rhein-Maasregion alltagstypischen Rohsilexmaterial

- Individualisierung dieses Konzeptes und Anpassung des verwendeten Formstücks durch den planen Schliff der Dorsalpartie mit dem Ziel einer möglichst genauen Einpassung des Fundbelegs in eine längs gerichteten Schäftung.

- der lang anhaltende Gebrauch dieses bisherigen Einzelstücks der sich glasklar durch intensive Glanzpolitur im Bereich der nicht retuschierten gegenständigen Längsseite dokumentiert.

- die Datierung ist hoch spannend, denn diese klinge stammt aus einem "bergfrisch" gewonnenen Rohsilexknolle.
Die Abbaudaten des Abbaus in Rijckholt sind durch C-14- Datierungen auf den Zeitraum 3.950 - 2.650 festgelegt.
Damit läge der späteste Entstehungszeitpunkt im späten Neolithikum (Kulturhorizont SOM-Vlaardingen-Stein-Wartberg) und den frühen Becherkulturen im Rheinland ("Kulturen mit Schnurkeramik") zu der neben Pfeilspitzen noch sehr gut das Fragment einer Axtklinge vom selben Platz zugeordnet werden kann.


Bleibt jetzt alles noch intensiver zu prüfen und zu diskutieren, aber die klare Anregung aus dem Norden gibt mir jetzt eine sehr klare Richtung zum Verständnis dieser einzigartigen Sonderfom im Rheinland vor!


7P ..... danke für den Anstoß .......   :daumen:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Siebenpapagei

Hallo Thovalo,

das ist wirklich ein außergewöhnliches Stück was du da zeigst. Obwohl meine Sichel ein Kerngerät ist, gibt es parallelen in Bezug auf Nachschärfung und Form.
In der Zeitstellung ist dein Stück mit Sicherheit früher anzusiedeln, wie du ja auch schreibst.
Könnte es sein, dass die Klinge aus einer defekten Beilklinge geschlagen wurde und daher der Schliff auf der Dorsalfläche?

Hier im Norden wurden übrigens auch Dolche überschliffen um Parallelretuschen zu erzeugen, von Sicheln kenne ich das soweit ich mich entsinne nicht. Bin ich mir aber nicht so sicher, könnte auch sein , dass ich so etwas in DK im Museum Ertebölle mal gesehen habe :kopfkratz:...mist, wenn man sich nicht alles aufschreibt :schaem: Zumindest lässt sich, ob nun Sichel oder Dolch, eine gezieltere Retusche anbringen.
Ich denke, dass es dennoch immer ein Wagnis ist, direkte Vergleiche mit Süd und Nord anzustellen, aufgrund der zeitlichen und kulturellen Differenzen.

Viele Grüße

7P. :winke:

thovalo

Zitat von: Siebenpapagei in 04. Februar 2012, 18:59:33
Hallo Thovalo,

das ist wirklich ein außergewöhnliches Stück was du da zeigst. Obwohl meine Sichel ein Kerngerät ist, gibt es parallelen in Bezug auf Nachschärfung und Form.
In der Zeitstellung ist dein Stück mit Sicherheit früher anzusiedeln, wie du ja auch schreibst.
Könnte es sein, dass die Klinge aus einer defekten Beilklinge geschlagen wurde und daher der Schliff auf der Dorsalfläche?

Hier im Norden wurden übrigens auch Dolche überschliffen um Parallelretuschen zu erzeugen, von Sicheln kenne ich das soweit ich mich entsinne nicht. Bin ich mir aber nicht so sicher, könnte auch sein , dass ich so etwas in DK im Museum Ertebölle mal gesehen habe :kopfkratz:...mist, wenn man sich nicht alles aufschreibt :schaem: Zumindest lässt sich, ob nun Sichel oder Dolch, eine gezieltere Retusche anbringen.
Ich denke, dass es dennoch immer ein Wagnis ist, direkte Vergleiche mit Süd und Nord anzustellen, aufgrund der zeitlichen und kulturellen Differenzen.

Viele Grüße

7P. :winke:

Ja!
Norden und Westen sind schon unterschiedlich, der Süden lässt mich oft nur staunen!

Das Ding kann nicht aus einer Beilklinge geschlagen sein weil am Proximalende ein bergfrischer Kortexrest verblieben ist.
Den hätte ich im Bild mal besser deutlich mit aufnehmen können.

Dieses Artefakt hatte auch der Archäologe Rengert Elburg, der Flintsource.Net aufgebaut hat und aktuell als Archäologe in Dresden arbeitet, intensiv begutachtet. Er war vollkommen erstaunt. Durch ihn ist die Ansprache als geschlagene Klinge aus bergfrischen Feuerstein der Varietät "Rijckholt" mit abgesichert.

Der Schliff ist in einer kreisenden Bewegung ausgeführt worden im Gegensatz zum horizontal Hin-und Her geschobenen Schliff der Beilklingen (zumindest der Feuersteinbeilklingen im Rheinland). Dem Bearbeiter ging es in diesem besonderen Fall allein um die Herstellung einer planen Fläche durch Schliff!

glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

steinwanderer

Moin Thomas,
an Beilrecycling hatte ich auch erst gedacht. Danke für die Erläuterung.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav