Kratzer und was???

Begonnen von queque, 07. Dezember 2008, 21:42:42

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queque

Hallo miteinander,

heute gab es endlich mal wieder ein bisschen Flint in die Finger. Der abgetaute Schnee und der Regen der letzten Tage haben ihre Wirkung getan. Beim ersten Teil dürfte es sich meiner Meinung nach um einen Kratzer handeln. Das zweite ist an der Spitze beidseitig lateral gleichmäßig und sorgfältig retuschiert. Für eine Pfeilspitze natürlich zu dick, aber vielleicht eine Vorarbeit? Außerdem gabs an der gleichen Stelle noch ein bisschen vorgeschichtliche Keramik, meiner Einschätzung nach aus der späten Eisenzeit.
Bin für alle Kommentare und Ratschläge wie immer dankbar.
Grüße vom Bastlmann

queque


Silex

2 Kratzer ...würde ich vermeinen.... ungewöhnlich die "Höhe"...vielleicht der  vorhergehenden Kernfunktion geschuldet
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Dagda

... ja das Material ist spitzenhaft und ein edler Kratzer wurde durchaus daraus gemacht und ein Resultat aus einem Kernstein ist da ebenso denkbar.

Der Brand, die Magerung und die Oberfläche der Keramik weist durchaus in das frühen Neolithikum, obwohl die typ. Verzeirungsmerkmale bei den Teilen nicht zu sehen sind. Eine weitere Begehung wird da Gewißheit bringen. Siedlungskontinuitäten bis in die Eisenzeit sind aber auch nichts Ungewöhnliches.

queque

Dank Euch beiden,

für den Acker ist eine Siedlungskontinuität vom Neolithikum bis ins Mittelalter nachgewisen, Dagda. Habe da auch schon Entsprechendes gefunden. Aber gerade die Parzelle, von der ich heute eine ganze Handvoll Flint aufgesammelt habe, hat die letzten beiden Jahre nichts gebracht, davor jedoch einen schönen, fast vollstänigen neolithischen Kratzer und eine michelsberger Riesenabschlag, respektive einen Stichel. Heute war dort das reinste Mosaik anzutreffen, alles schön sauber. Zwei Stellen auf dem Feld sind rot von römischen Ziegeln.
Grüße vom
Bastlmann

Larry Flint

Hallo,

die gezeigte Keramik ist mit Sicherheit nicht frühneolithisch, sondern vielmehr eisenzeitlich. Ähnliche Artefakte wie die gezeigten finden sich in Judith Grünbergs Publikation zu diesem Fundplatz - guck' ma' rein, haste ja wohl als Kopie...

Ansonsten einen flutschigen Rutsch in eine einigermaßen erträgliche Arbeitswoche

:winke:

Larry

Larry Flint

Nommahallo,

das obere Flintteil sieht mir wie ein Abfallstück von einer Kernpräparation aus - beim Unteren glaube ich nicht an eine "embrionale" Geschossspitze...

So, jetz' aba'

:winke:

Larry

Dagda

Hallo Bastlmann,

da bist Du ja mitten drin in der mitteleuropäischen Weltgeschichte. So ein Fundplatz ist schon was tolles und es ist erstaunlich, dass nach jedem Pflügen wieder etwas Neues und sogar zuvor nie vermutetets dabei ist. Das ist wohl auch das, was unser Hobby so spannend macht (... zu jeder Jahreszeit und aus unserer Sicht!  :zwinker:).

queque

Hallo Dagda,
ich glaube ja, dass wir immer wieder los steifeln, um dann doch das "nie Vermutete" zu finden. Das treibt einen halt um.... bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Lass uns hoffen, dass wir es finden ... morgen vielleicht??
:zwinker:
Bastlmann

Pinky


Hallo,
Das obere Flintstück halte ich für einen Kernstein der zu einen Schaber umfunktioniert wurde.
Das zweite Stück halte ich für einen Bohrer.
Die Keramik sieht sehr nach Eisenzeit aus.

Pinky

Kelten111

Hallo Kratzer mit Stichel denke ich ( Hochkratzer)
Könnte aber älter sein !!
Solch änliche habe ich aus einer Altstreinzeitlichen Fundstelle so 50000 v.CHR :winke:

queque

Hallo Kelten 111,

ne, ne, ist schon neolithisch. Das Material ist Rijckholtfeuerstein. Was Älteres ist auf dem Arreal auch noch nie gefunden worden.
Gruß vom Bastlmann

Khamsin

Salaam!

Zitat Bastl:"...davor jedoch einen schönen, fast vollstänigen neolithischen Kratzer und einen Michelsberger Riesenabschlag, respektive einen Stichel."

Wg. des Rijckholt-Feuersteines liegt die Fundstelle eher im Rheinland, richtig?

Wie dem auch sei, Stichel gibt es nach meinem Dafürhalten im zentraleuropäischen Neolithikum nicht!

Richtig, es gibt nicht wenige Veröffentlichungen, in denen vermeintliche bandkeramische, mittelneolithische und jung-, vielleicht sogar endneolithische Stichel erwähnt werden. Und auf den gelieferten Zeichnungen finden sich auch die als Signatur für Stichelschläge bestens bekannten Pfeile wieder.
Schaut man sich aber die Stücke genauer an, dann wird sehr, sehr schnell klar, dass die Bearbeiter der jeweiligen Steininventare - sagen wir es einmal sportlich - in aller Regel weitergehende Kentnisse der Bruchmechanik von Kiueselgestein sowie spezieller Präparationsformen an Kernsteinen vermissen lassen.

Ein Beispiel aus der LBK und/oder dem Mittelneolithikum: Die typischen konischen Klingenkernsteine bedürfen im Hinblick auf eine erfolgreiche Klingengewinnung einer permanenten Kontrolle diverser Parameter, darunter auch der Längs- und Querwölbung der Abbaufläche. Zur Kontrolle Ersterer ist die Präparation der Region des sog. Kernfusses von nicht geringer Bedeutung. Sie wurde im Bedarfsfalle durch Abhübe aus Richtung Kernfuss auf die Abbaufläche in Punchtechnik vorgenommen und resultiert in zumeist kürzeren, unterschiedlich breiten Negativen am Kernfuss.

Bei der anschliessenden weiteren Klingengewinnung kann es nun vorkommen, dass eine bis zum Kernfuss laufende Klinge am Distalende eines der Kernfuss-Präparations-Negative in Längsrichtung kappt (sozusagen halbiert). Je nachdem, wie schmal der Kernfuss ausläuft, steht das gekappte Negativ deutlich schräg geneigt zur Dorsalfläche der Klinge.

Wenn dann der immer deutlich gebogene distale Klingenabschnitt - entweder sozusagen als Produktionsunfall schon während der Klingenabtrennung abbrach - oder später intentionell, weil störend, entfernt worden ist, der distale Teil des gekappten Kernfuss-Präparations-Negativs aber noch am restlichen Klingenkörper erhalten bleibt, dann stellt sich tatsächlich der Eindruck eines Stichelnegatives an Bruchkante ein! Ich hoffe, das ist nachvollziehbar.

Als weiteres Beispiel sei scfhliesslich darauf hingewiesen, dass z.B. Klingen-, aber auch Abschlagbruchstücke etwa im Herstellungsabfall oder später bei der Ablagerung auf einer Oberfläche vielfältigen Modifikationen unterworfen sind, die nicht intentioneller Natur sind (z.B. Drüberlaufen, Verkippen, Schlag- und Druckeinwirkungen durch später darüber deponiertes/entsorgtes Steinmaterial).

In solchen Fällen kann an den Enden natürlicher oder intentioneller Bruchkanten oder sogar retuschierter Kanten eine vermeintliche Stickellamelle entlang einer Klingen- oder Abschlagkante gelöst werden, die - abhängig von der Höhe der kinietischen Energie - teilweise längere und natürlich immer schmale Negative produziert, welche frappierend an Stichelnegative erinnern.

Sind Stichel diverser Formen eine geläufige paläolithische und mesolithische Werkzeugform zur Bearbeitung von Knochen, Geweih und Elfenbein, so wurden Knochen und Geweih im Neolithikum mit anderen Werkzeugen bearbeitet.

Im übrigen spricht gegen das "Konzept Stichel" im Neolithikum vor allem die Tatsache, dass diese vermeintliche Geräteform immer nur sehr selten gemeldet wird. Das sollte uns zu denken geben.

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

queque

Hallo Khamsin,

obwohl ich "meinen" Whittaker kenne und gelesen habe, musste ich mir Deinen Beitrag gaaanz langsam und mehrfach vergegenwärtigen. Es zeigt sich einmal mehr, dass sich wirklich fundierte Aussagen zu Steinwerkzeugen nur dann machen lassen, wenn man selber welche herstellt und die Gesteinsformen sowie ihre Eigenschaften aus der "eigenen" Praxis kennt. Ein Projekt, dass ich mir jedes Jahr aufs Neue vornehme und zu diesem Behufe auch einige Kartons mit großen Rijckholt-Stücken im Keller lagere (ich weiß, man soll sie angeblich einige Zeit in der Erde vergraben, bevor man an ihnen herum probiert - Stimmt das eigentlich?) - Allein: Es fehlt die Zeit. Dieses Vorhaben werde ich wohl auf die Zeit mienes Ruhestandes, so ich ihn denn erleben darf, verschieben müssen.
Aus der Sticheldiskussion halte ich mich ob meiner fachlichen Unbedarftheit heraus. Werde in dem michelsberger Abschlag von nun an einen solchen und nicht mehr einen potentiellen Stichel sehen.
Ich danke Dir aber für Deinen wie immer erhellenden Beitrag.
Viele Grüße vom
Bastlmann

queque

...äähem... hier ist das michelsberger Stück nochmal...

Khamsin

Moin Bastl!

Dank für Deine Antwort!

Zitat: "...ich weiß, man soll sie angeblich einige Zeit in der Erde vergraben, bevor man an ihnen herum probiert - Stimmt das eigentlich?."

Das ist - wie so Manches im Zusammenhang mit der Steingerätetechnologie - eine durch nichts bestätigte Mähr! Ihre Wurzel wird aller Wahrscheinlichkeit nach in völkerkundlichen Beobachtungen des 19. Jh. liegen, vielleicht aus den USA. Diese Idee hängt eng mit der notorischen Behauptung der Bedeutung der sog. Bergfrische von Flint zusammen; auch dies hat sich ja bis heute - nicht nur in der Sekundär- und Tertiärliteratur - erhalten.

Also, wenn Dein Flintvorrat trocken und weder zu kühl noch zu warm lagert, könntest Du ihn auch noch in der übernächsten Kaltzeit bearbeiten. Und Du würdest sehen, dass der Flint immer noch exzellent bricht!

Zitat:"...äähem... hier ist das michelsberger Stück nochmal...".

Bastl, das einschränkende "äähem" ist wirklich nicht nötig! Ganz im Gegenteil, denn gerade dieser "Stichel" bestätigt doch in aller wünschenswerten Genauigkeit mein erstes Beispiel; dafür meinen verbindlichen Dank!

Vor allem auf den Bildern 3 und 6 erkennt man das "Stichel"negativ und seine zu den sonstigen Negativen der Dorsalfläche deutlich schräge/geneigte Position sehr gut. Die grosse, durchlaufende Klinge - deren zentrales Negativ auf dem Artefakt ja gut zu sehen ist - hat den proximalen Abschnitt des Kernfuss-Präparations-Negativs längs gekappt.
Schliesslich wurde das Artefakt als besonders breite Klinge von der Kernfront abgetrennt, und man könnte darüber diskutieren, ob es nach der Terminologie von Daniel Cahen als "flanc" bezeichnet werden könnte oder nicht (auch die Front ist ja letztlich eine Flanke des Kerns!). Der Abtrennvorgang hat dann dazu geführt, dass auch der distale Rest des Kernfuss-Präparations-Negativs längs gekappt wurde, so dass ein schmales "Stichel"negativ mit einer winzigen hinge am Ende übrig blieb.

Ergo: Die Abtrennrichtung in Verbindung mit der geneigten Position dieses Negatives erinnern durchaus und nicht nur auf den ersten Blick an ein veritables Stichelnegativ, obwohl es sich tatsächlich nur um den gekappten Rest einer Kernfusspräparation handelt.

Wärest Du bereit - cum grano salis - mitzuteilen, um welchen Michelsberger Platz es sich handelt?

Nochmals herzlichen Dank für dieses Beispiel und beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Kelten111

Hallo hier ist meiner :-D

Da sieht mann mal wieder das auch Rinde dran sein kann!!!!!!

queque

Hallo,
sieht für mich aus, wie ein Frost- oder wie auch immer Bruch, eher wie ein Geofakt. Vermag keine Retuschen zu erkennen, eventuell einen Bulbus. Wären genauere Detailaufnahmen möglich, Kelten 111?
Schönen Abend Dir und den anderen vom
Bastlmann

Kelten111

Ja ache ich sind aber um rand rum schon Retuschen ind bei dem Stichel auf der einen Seite Perlretusche mache sie morgen rein!

Kelten111

Zitat von: Kelten111 in 13. Dezember 2008, 20:35:03
Ja mache ich da sind aber um rand rum schon Retuschen  bei dem Stichel auf der einen Seite Perlretusche mache sie morgen rein!

steinadler

kelten seiner ist für mich ein geofakt .

mfg
petersen
ich glaube an gott , aber keine bestimmte religion !

schaut mal rein : http://yggdrasil-online.de/cms/

Kelten111