Kratzer mit Schliff !

Begonnen von palaeo1, 03. Januar 2015, 14:49:28

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palaeo1

Ich möchte hier mal eine Werkzeugform darstellen, die ich bislang so noch nicht in der Literatur gefunden habe. Auch die Fachkollegen haben derartige Stücke noch nicht beobachten können.
Es handelt sich um Abschlagkratzer, deren zunächst retuschierte Arbeitskanten sekundär fast vollständig überschliffen wurden. Es handelt dich definitiv nicht um Beilabschläge, die zu Kratzern umgearbeitet wurden. Auch sind es keine Arbeitspolituren, wie es sehr gut aus den Vergrößerungen zu sehen ist. Mittlerweile konnte ich 3 Exemplare von drei verschiedenen Fundstellen im Landkr. Rotenburg (Wümme) isolieren. Das Begleitmaterial deutet auf eine endmesolithische bis neolithische Zeitstellung hin.
Meine Intention geht dahin, dass eine Nachschärfung der Kratzer in diesen Fällen nicht durch nachretuschieren erfolgt ist, sondern durch schleifen der stumpf gewordenen Arbeitskanten, ähnlich wie es heute bei zahlreichen Werkzeugformen auch geschieht.
Falls jemand ähnliche Stücke kennt, wäre ich über eine Meldung dankbar. Es ist eine Publikation geplant.
Gruß
Klaus

Furchenhäschen

Hallo Klaus,
mit derartigen könnte ich aus Obb. ebenfalls dienen,
allerdings gehe ich der Annahme, dass derartige Schleifspuren durch einen mehr oder weniger speziellen Einsatz entstanden sein müssten.

Gruß
Peter

palaeo1

#2
Für meine Stücke kann ich das ausschließen. Es sind deutliche Schleifrillen und Schlifffacetten zu sehen, die nur durch härteres Material als der Flint selbst entstanden sein können. Und mit einem Kratzer einen anderen Stein bearbeiten ergibt keinen Sinn, zumal an der Ventralseite keine entsprechenden Spuren zu finden sind und die Kanten absolut scharf sind. Weichere Materialien ergeben immer Polituren/Verrundungen.

Gruß
Klaus

palaeo1

PS. zeig mal Dein Stück !

Furchenhäschen

Zitat von: palaeo1 in 03. Januar 2015, 16:13:07
PS. zeig mal Dein Stück !

ich muss bessere Tageslichtaufnahmen machen, einstweilen habe ich nur diese Fotos zur Hand.
J.W. hielt das Stück auch schon in Händen.

J.W. kennt meines Wissens einige derartige Artefakte, jedenfalls war er sehr interessiert.

Gruß
Peter

palaeo1

Peter,
kannst mir dann auch mal unkomprimierte Dateien schicken, die ich vergrößern kann. Bei Deinem Stücken fällt mir aber auf, dass an den Kanten, insbesondere auch an der Stirnseite noch alle Grate der Zurichtung zu erkennen sind. Bei meinen Stücken sind alle Grate der Retuschierund bis zur Basis weggeschliffen und das ringsum.
Bei Deinem Stück kann ich mir also sehr wohl vorstellen, dass das genannte Merkmal durch Gebrauch entstanden ist.

Gruß
Klaus

Furchenhäschen

#6
Zitat von: palaeo1 in 03. Januar 2015, 18:10:23
Peter,
kannst mir dann auch mal unkomprimierte Dateien schicken, die ich vergrößern kann. Bei Deinem Stücken fällt mir aber auf, dass an den Kanten, insbesondere auch an der Stirnseite noch alle Grate der Zurichtung zu erkennen sind. Bei meinen Stücken sind alle Grate der Retuschierund bis zur Basis weggeschliffen und das ringsum.
Bei Deinem Stück kann ich mir also sehr wohl vorstellen, dass das genannte Merkmal durch Gebrauch entstanden ist.

Gruß
Klaus

die Schliffflächen konzentrieren sich in der Tat auf die Ventralfläche aber auch Dorsal sind mit der Lupe Schleifspuren erkennbar, auch Grate sind verschliffen.
Ich denke dies wurde im "Land des Plattenhornsteins" öfter praktiziert. Ebeneso fand ich einen messerförmigen Sicheleinsatz aus Schernfelder Plattenhornstein, der großflächig beidseitig geschliffen wurde.

Gruß
Peter

palaeo1

In der PN habe ich eben nach dem Material gefragt, jetzt sehe ich Dein Posting. Da habe ich ja auch richtig gelegen, grinss....

Joxkowski

Die Makroaufnahmen zeigen durch die Riefen eindeutig, dass der Flint durch ein hartes körniges Material geschliffen wurde. Kann es sich möglicherweise auch um Gebrauchsspuren handeln? Oder ähnelt der Schliff dem auf den Beilen?

An der Universität Leiden wird seit längerem an Gebrauchsspuren an Flint geforscht. Vielleicht kann dort jemand weiterhelfen? http://www.artefactstudies.com/

palaeo1

Der Schliff ist identisch mit dem an Flintbeilen und dergleichen. Das ist schon untersucht worden.

Gruß
Klaus

Sprotte

Hallo Klaus,

ich habe selbst Dutzende solcher meist fein kantenretuschierten, scheinbar (!) geschliffenen Artefakte, denen Flintabschläge und teils sogar sonst nicht weiter bearbeitete Frostabschlisse zugrunde lagen, auf einen meiner Fundplätze (Kreis Nordwestmecklenburg) gefunden. Aufgrund des stumpfen Winkels zwischen den "Schliffflächen" an den Kanten und den Artefaktunterseiten ist eine Deutung als Gebrauchsspuren mehr als plausibel. Hier ist an eine Bearbeitung z.B. von Sandstein zu denken. Die Machart der Artefakte selbst ist sehr einfach; Abschläge mit viel Kruste sind häufig. Da eine Publikation einer solchen Häufung von Geschrauchsspuren an recht primitiven Flintartefakten (die nicht notwendigerweise sehr alt sein müssen) mir nicht bekannt ist, habe ich mich bisher dazu auch noch nie geäußert.

Viele Grüße
Sprotte

palaeo1

#11
Ich möchte hier noch einmal etwas verdeutlichen. Gebrauchsspuren an Werkzeugformen entstehen unmittelbar an der Arbeitsfläche und erzeugen dort Verrundungen und Polituren, die nicht zu vergleichen sind mit intentionellen Schleifmerkmalen. Die Schleifmerkmale, die allesamt bei den Artefakten gleich orientiert sind, lassen sich nicht mit einer Gebrauchsretusche erklären, da diese bei distaler bzw. lateraler, und hier auch noch bilatrealer, unterschiedlich orientiert wären.
@ Sprotte
Mit einem 2 cm großen Krater einen Sandstein zu berabeiten ergäbe für mich keinen Sinn, da nehme ich andere Materialien.

LG Klaus

thovalo

#12
Zitat von: palaeo1 in 04. Januar 2015, 21:21:17
Ich möchte hier noch einmal etwas verdeutlichen. Gebrauchsspuren an Werkzeugformen entstehen unmittelbar an der Arbeitsfläche und erzeugen dort Verrundungen und Polituren, die nicht zu vergleichen sind mit intentionellen Schleifmerkmalen. Die Schleifmerkmale, die allesamt bei den Artefakten gleich orientiert sind, lassen sich nicht mit einer Gebrauchsretusche erklären, da diese bei distaler bzw. lateraler, und hier auch noch bilatrealer, unterschiedlich orientiert wären.

@ Sprotte
Mit einem 2 cm großen Krater einen Sandstein zu berabeiten ergäbe für mich keinen Sinn, da nehme ich andere Materialien.

LG Klaus


Trefflich dar gelegt und argumentiert!
Ein kurioses und offenbar sehr selten auftretendes Merkmal!    :glotz:

Von den vielen tausend Kratzern die ich bislang in Händen halten konnte erinnere ich mich an keinen mit direkt vergleichbaren Merkmalen.
Einer mit einer auffälligen Verrundung liegt noch bei mir zuhause. Da bin ich allerdings frühestens in zwei Wochen.
Schliff liegt sonst nur an Kratzern aus Beilklingenabschlägen vor. Ist die Frage ob Mikroanalysen nähere Aufschlüsse bringen können.

Hervorgehoben hast Du die gleiche Ausrichtung der Stries durch den Schliff.
Vielleicht kann man noch über eine mögliche Abarbeitung von Farbsteinen nach denken.

Ein 0-Befund an Vergleichsstücken wäre auch ein Befund!  :super:



Ich weiss nicht ob du die Publikation von Annelou van Gijn zu Gebrauchsmerkmalen an Silices kennst!?
Die liegt leider auch zuhause. Vielleicht finden sich dort noch nähere Hinweise ...... ?!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

palaeo1

#13
Ja, ich habe vor  einiger Zeit mit Annelou bei einer Tagung darüber gesprochen.
Was Farbsteine im Norden anbetrifft, haben wir diese nicht vorliegen.

Gruß
Klaus

thovalo


Dann bleibt das eine echte "Sonderbehandlung" bzw. "Sondernutzung" ..... eine sehr interessante!  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.