Ein intensiv abgenutzter Mikrokratzer

Begonnen von thovalo, 22. Februar 2017, 22:04:54

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thovalo




Der Fundbeleg misst 2.5 cm x 1.8 cm, bei einem Durchmesser von 0.8 cm

FO: ein konplex strukturiertes Siedlungsareal am rechten Niederrhein



Im Verlauf der Prospektion am vorletzten Wochenende fand sich auch dieser Mikrokratzer mit einem extrem ausgeprägten Gebrauchsspurenbild.  :glotz:


Kratzer mit einer maximalen Länge unter 3 cm werden idealer weise als Mikrokratzer angesprochen.
Umgangssprachlich werden sie gelegentlich auch als "Daumnagelkratzer" bezeichnet


Bei dem verwendeten Silex handelt es sich entweder um Maasschotterfeuerstein oder "ostbelgischen" Feuerstein.


Der Rücken des Artefakts ist eckig ausgeformt, der Funktionsbereich von der Rückenlinie ausgehend halbkreisförmig. Im Bereich des Rückenpartie des Artefakts und auf der Dorsalpartie befinden sich Kortexreste.


Der halbkreisförmige Kantenverlauf des Funktionsbereichs weist markante Gebrauchsspuren in Form gestaffelter Abnutzungsspuren auf, die sich über den gesamten Kantenverlauf entlang ziehen, im Zentralbereich des Kantenumlaufs sind die Abnutzungsspuren dann besonders markant ausgeprägt.


Neben zahlreichen solcher kleinformatigen Kratzer unter 3 cm Länge finden sich auf dem Fundareal auch sehr markante Großformen, die seltener aus qualitätsvollen "ostbelgischen" Feuerstein und häufiger aus Niederländischen Lanayefeuerstein vom Rijckholttyp bestehen.

Auch unter den Großformen befindet sich ein deutlicher Anteil von Kratzern mit deutlichen, meist tief gestaffelten massiven Abnutzungsspuren im zentralen Gebrauchsbereich des retuschierten Kantenumlaufs.


Ein Teil der Kratzer in dieser intensiv genutzten Aktivitätszonen wurde, wie ja immer wieder geschrieben und über Mikrospurenanalysen nachgewiesen werden konnte, zur Bearbeitung von Häuten und Fellen genutzt. Ein anderer Teil der Kratzer des Fundplatzes ist jedoch definitiv zur Bearbeitung harter oder hart-flexibler Materialien wie Geweih, Knochen und ev. Hartholz verwendet worden. Dazu gehört nach dem nachhaltig abgenutzten Kantenverlauf auch dieser kleinformatige Fundbeleg.


Es ist bei den Kleinstformen nicht einfach mit einer einfachen Digitalkamera die entsprechenden Merkmale klar ins Bild zusetzen.


Leider werden Kratzer oft nicht näher angesehen und schnell weg sortiert. Dabei lohnt sich nach meiner Erfahrung immer weder ein genaueres Hingucken und "Hinfühlen".


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#1


Die Bilder des Kantenumlaufs des Funktionsbereichs.  :glotz


Das häufigere Vorkommen von Mikrokratzern und großformatigen Kratzern mit extrem ausgeprägten Gebrauchsspuren entlang der Kantenverläufe scheint auch im Rheinland eine Ausnahmeerscheinung zu sein.

Vielleicht liegt es aber auch daran, das Kratzer schnell einsortiert und im Bereich der Funktionskanten selten näher betrachtet werden.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Wunderschöne Fotos - eine ästhetisch gelungene Präsentation.

Eine Würdigung des wohl häufigsten Gerätes.

LG

Jan