vielleicht älter?

Begonnen von Silex, 31. August 2008, 22:05:45

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Silex

Ein Abschlag, ockrig gelb , mit  etlichen Klingennegativen auf der Dorsalseite- die wurden kurz vorher abgeschlagen- bevor das erfahrene  Auge- Hand Koordinationszentrum , oder ein unvorhergesehnes Schlagereignis mehr abspante als bisher.
Fakt ist dass  am distalen Ende  eine flach-V-förmige  Zone auslief die dann gleich retuschiert wurde...eher abgedrückt und nicht geschlagen.
Das erste diesbezügliche Artefakt von dieser  Ackerecke....
Kann man sagen dass dies ein Procedere ist welches man durch alle Steinzeiten  ab und an durchführte....?
Die Fundstelle ist eigentlich rein endpaläolithisch...aber ich habe  wegen des Materials und der Bearbeitung ein älteres /jüngeres Gefühl (die Steinbearbeitung des Jungpaläolithikums und des Neolithikums kommt mir schon immer verwandter vor als die dazwischenliegenden Zeiten mit allen anderen)
Große Frage- kleines Teil
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

steinsucher

Hallo Silex,

sieht aus, als wenn da irgendwann nichts mehr ging und "Klar Schiff" gemacht wurde. Ich denke mal (ist bei mir fast ungewöhnlich) es ist ein Korrekturabschlag. Für unseren Bereich hier im Rheinland würde ich sagen es ist mesolithisch. Kann bei euch aber anders gelagert sein.

Sorry, daß ich nicht wirklich weiterhelfen konnte,

Fritz.

Silex

Baassd schoo, Fritz!
3 steckengebliebene Klingennegative....und dann der große Abhieb...weil nichts mehr "ging".
Aber "man" hat versucht daraus ein Gerät zu schaffen!
Es ist schwierig- nahezu unerreichbar- seine Spezialfundstellen und die hier regional  auftretenden Sonderfunde in ihrer , persönlich empfundenen, Ausnahmestellung zu "vermarkten".
Oft ist es nur ein Gespür...aber dazu sind wir da. Man hofft  halt auf Entsprechungen im Fundpool Gleichgesinnter.
Danke !
vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Ich kann auch nicht helfen, möchte mich aber Fritzens Meinung bezüglich eines Korrekturabschlages anschließen. Ähnliches findet man auf den hiesigen Meso-Fundplätzen rel. häufig.
HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Howdy Jungs!

Fritz hat die Antwort schon geliefert, und RP hat sich vorbehaltlos - und zu Recht - angeschlossen.

Vielleicht noch zur "sequence of events" bzw. "chaine opératoire", mit anderen Worten zum Ablauf der Geschehnisse. Jemand produzierte erfolgreich kurze Klingen. Kein Problem, wie die grösseren Negative auf der Dorsalfläche zeigen. In der Folge wählte er einen Trenngrat zwischen zwei Negativen als Leitgrat für die nächste Klinge (Bild 1 und 5). Und dann passierte das Malheur! Ob es ein falscher Schlagwinkel war, ob die kinetische Energie nicht gross genug war, ob die Präparation an der Schlagfläche nicht richtig war, oder - was hier fast so aussieht - ob die Treffsicherheit nicht gut genug war, egal, der Schlagflächenrest kollabierte, die Energie diffundierte, und - son Schiet - es kam zu einem Steckenbleiber.

Dieser, zusammen mit der kleinen "hinge fracture" (Bild 1 rechts unterhalb der schrägen Kante und im übrigen auch am Oberende eines Leitgrates!) versaute die gesamte Abbaufläche an diesem nicht gerade grossen Kern.

Unser Mann hatte nun zwei Möglichkeiten:

1. Tieferlegen der Schlagfläche bis auf die Höhe des Steckenbleibers (in der LBK und dem MN: Ablösung eines Kerntabletts). Das ist aber doof, denn damit verkürzt man die potentielle Länge des Kernes und so der Klingen. Oder
2. Schaffung einer völlig neuen, glatten Abbaufläche durch Abtrennung eines "Korrekturabschlages", wie Fritz das Ding richtig beschreibt!

Freilich ist diese Problemlösung nur auf den ersten Blick problemlos, denn eines ist natürlich klar:
Das dadurch am Kern entstandene Negativ ist naturgemäss konkav. Da aber Klingen nur von konvexen Flächen sinnvoll zu gewinnen sind, muss das Negativ konvex gemacht werden. Das aber geht nur durch vorsichtige Zurückverlagerung der Abbaukant bei gleichzeitiger Reduktion des oberen Abschnittes der unmittelbar darunter angrenzenden Abbaufläche, capisce? Konsequent bedeutet das, das die Schlagfläche kleiner wird.
Wenn nun aber die insgesamt glatte Abbaufläche dergestalt wieder in Schuss gebracht worden ist, fehlt noch immer mindestens ein Leitgrat! Daraus resultiert, dass - was wir mangels Kern nicht sehen können - ein weiterer Abschlag möglichst in relativ stumpfem Winkel und am besten am Rand der Abbaufläche vom Kern gelöst werden muss, dessen eine Seitenkante auf der Abbaufläche ausläuft und so einen Trenngrat zwischen seinem Negativ und dem Abbauflächenrest schafft.

Wie man an dem schönen Beispiel von Edi sieht, haben die Jungs natürlich durchgeblickt. Wir verstehen aber auch, dass "kein Schlagunfall(-fehler) ohne Reue" bleiben kann! Damit will ich sagen, dass - egal mit welchen Reparaturstrategien man sich geholfen hat - das Ergebnis immer zu Lasten des Kernvolumens und damit letztlich der potentiell zu produzierenden Grundformen: Klinge und Abschlag, ging.

In Gegenden mit reichlich Flint war das weit weniger gravierend als in solchen, in denen der gute Stoff nur mässig oder gar nicht vorkam. Und so ist sehr, sehr gut vorstellbar, dass vor allem unter Mangelbedingungen besonders sorgfältig gearbeitet worden ist. Und das wiederum machte sich im Steinschmiedehandwerk auf Dauer positiv bemerkbar.

Ich betone das deshalb, weil durchaus nachvollziebar geschrieben und gedacht wird, dass gerade in Gegenden mit einem grossen oder sogar unbegrenzten Flintvorkommen, wie z.B. in Skandinavien, "die Steinschmiedekunst ihren Höhepunkt erreichte". Das ist ja auch unbestritten, aber mich würde interessieren, wie gross die Fehlerrate z.B. bei Steinschmieden in von der Natur nicht so begünstigten Regionen war. Dazu müsste man allerdings ungestörte sog. Schlagplätze in solchen Gegenden finden...

Edi, wie Du zu Recht schreibst - ein kleines Teil, dem man eine grosse Geschichte entlocken kann. Danke für die Chance und herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Silex

Das macht Freude!

bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.