Gepuzzelt und (an)gepasst

Begonnen von thovalo, 20. Februar 2011, 19:37:05

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thovalo

 :-)

Nach sieben Jahren Suchen und reichlich Finden auf einem neolithischen Siedlungshügel am rechten Niederrhein gelang Heute, nach Stunden anstrengendem 3-D-puzzeln, für diesen Platz zum ersten Mal die Anpassung von zwei Abschläge aus hell-grauem Feuerstein der Varietät "Rijkholt"!

Obwohl von einigen der Plätze im Gelände bereits eine hohe Anzahl von Abschlägen mit Kortex vorliegt, die als eindeutige Hinweise auf eine örtliche Grundformherstellung gelten können, ist das nun ein handfester und unumstößlicher Beleg für den Austausch großformatiger Rohmaterialstücke an diesen Ort und die dann erst hier erfolgte Zerlegung in Grundformen.

Die beiden Abschläge sind nicht in direkter Abfolge nacheinander geschlagen worden. Der trapezförmige dünnere Abschlag stammt aus einer früheren Abbaufolge. Der im rechten Winkel dazu abgetrennte, im Durchschnitt kräftigere Abschlag, folgte etwa später vom bereits weiter abgebauten Kern. Die Abbaufläche ist dabei um 90° gedreht worden

Der Spalt zwischen den beiden Stücken, auf dem letzten Bild, kennzeichnet die Lage und Form eines (bislang) nicht aufgefundenen Abschlags der im dazwischen liegenden Bearbeitungsverlauf abgetrennt worden ist. Falls die Plätze hier teilweise gleichzeitig bestanden haben, kann auch eine Verteilung einzelner Abschläge auf andere Fundkomplexe möglich sein. Dann müssten die Anpassungsversuche auch noch quer über die Fundinventare des gesamten Geländes hinweg erfolgen .....


........ wenn ich mal in Rente bin und dann immer noch gradeaus gucken kann ..... dann .... VIELLEICHT!

LG  thomas



Vor einiger Zeit ist aus Material eines anderen Fundplatz im Gelände die Anpassung von zwei Kratzern aus recht ungewöhnlichen Silex gelungen, der einem Vorkommen im Pariser Becken sehr ähnlich ist (Varietät "Nointel"/Pariser Becken).
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

 :-)

Noch drei Ansichten .....  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

da kommt Freude auf! Ein schöner Erfolg! Wahrscheinlich wird dieser Fundplatz Dich jetzt erst recht anziehen.
Grüße Jan

thovalo

#3
 :-)

Da gibt´s ne Menge weiterer Argumente an diesem Platz "dran" zu bleiben!




Eins davon und wohl das beste und schönste  ..................   :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Der Wikinger

Sehr schön, Thomas !!  :super:

Erinnert mich irgendwie an einem Fund und Beitrag von mir.
Vor Jahren hier schon gezeigt:

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,15834.0.html

:winke:

thovalo

#5
Wobei Dein Fund von zwei Teilen einer dazu noch in zwei Arten "patinierten" Beilklinge einfach einzigartig ist und sehr wahrscheinlich zumindest für lange Zeit auch bleiben wird!


Ich habe noch einige Bilder gemacht, die die Anpassung vielleicht klarer darstellen!


Auf dem dritten Bild von Oben ist an den beiden Abschlägen der Wechsel der Schlagrichtung im Verlauf des Abbaus des Kernsteins um 90° deutlich zu erkennen.

Auf Bild jpg 17 liegt in der Trennlinie kurz über der Mitte eine kleine unregelmäßig verlaufende Ausbruchskinie die 1:1 anpasst



LG  thomas     :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fischkopp

Ui,
das ist wirklich eine spannende Sache, wielange hast du gepuzzelt um dies herauszufinden,
oder gab es einen Grundverdacht?

LG Hannes

thovalo

#7
Etwas mehr als 3 Stunden hat das gedauert und ich habe mich danach gerichtet welche Stücke irgendeine Ähnlichkeiten haben, in Bezug auf Färbung, "Schlieren", Muster, Formen ..... da wäre vielleicht noch mehr möglich, aber dazu braucht es erstmal eine ausreichende Fundmenge und reichlich Platz zum Ausbreiten. Zuletzt müssten noch die "gelungenen" Grundformen und die daraus gefertigten Werkzeuge zum Anpassungsversuch dazu genommen und alle Funde des 70 Hektar umfassenden Fundgeländes auch quer untereinander abgeglichen werden, weil es gut vorstellbar ist, dass bei gleichzeitigen Siedlungsaktivitäten auch das eine oder andere Silexstück quer über das Gelände hinweg "gewandert" sein kann.

Als ich mir die Teile von einem weiteren Fundpunkt im Gelände vornehmen wollte, habe ich schon beim Auspacken wieder aufgehört ..... das war schon auf den ersten Blick viel zu viel Zeug um dabei nicht durchzudrehen! Wenn wieder lange Regentage kommen .....  :zwinker:


Falls Du mal einen Platz mit vielen Abschlägen von einem klaren Punkt hast versuch das mal. Das macht richtig Spaß, fordert ganz schön das dreidimensionale Denkvermögen und wenn es dann mal tatsächlich "einrastet" tanzen die Endorfine Tango ......  :dumdidum:

Das stärkt tatsächlich auch das Empfinden für das Material und das Verständnis der handwerklichen Prozesse. An dieser Anpassung findet sich zudem eine interessante schlagtechnologische Besonderheit dokumentiert, der Wechsel der Schlagrichtung. Dieser Moment ist als Information erst durch die gelungene Anpassung wie in einer "Zeitkapsel" eingeschlossen erhalten geblieben ist. Das ist eine archäologisch-technologische Information die direkt aus der Zeit stammt und deutlich über die Materialsammlung, Funddokumentation und Materialkunde hinaus geht. Sie zeigt das individuelle Handeln einer Person die vor Jahrtausenden gelebt hat und uns durch diese Spur ein, wenn auch nur sehr kleines Stück Information zu ihrem Leben und Handeln übermittelt. Daran berührt mich auch der philosophische Aspekt von "Sein, Schein, Bestehen und Vergehen"!

Dir zum Wochenende glG  thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Aardvarkhunter

Zitat von: thovalo in 21. Februar 2011, 12:51:39
Wobei Dein Fund von zwei Teilen einer dazu noch in zwei Arten "patinierten" Beilklinge einfach einzigartig ist und sehr wahrscheinlich zumindest für lange Zeit auch bleiben wird!


Ich habe noch einige Bilder gemacht, die die Anpassung vielleicht klarer darstellen!


Auf dem dritten Bild von Oben ist an den beiden Abschlägen der Wechsel der Schlagrichtung im Verlauf des Abbaus des Kernsteins um 90° deutlich zu erkennen.

Auf Bild jpg 17 liegt in der Trennlinie kurz über der Mitte eine kleine unregelmäßig verlaufende Ausbruchskinie die 1:1 anpasst



LG  thomas     :winke:

Spitzenleistung, einfach unglaublich  :super:  :winke:

thovalo

Naja, mal am Boden bleiben ... was ging, ging eben  ....


aber sag mal: oud baas ..... Dein nikname ist ja mal klasse !
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.