Zufällig o. Retusche ?

Begonnen von Wiesenläufer, 21. Juni 2022, 06:02:31

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Wiesenläufer

Moin,

von einem spätmesolithischen Fundplatz ein 3cm großer Abschlag mit einer (auffälligen) Rundung.

Sind die (Abplatzungen ?) nur Zufällig entstanden oder könnte es sich um eine Retusche handeln um dem Abschlag eine Form und Funktion zu geben ?

Unter der Lupe kann ich es nicht genau erkennen und auf den Bildern kann ich es auch nicht besser darstellen.  :friede:

Vielleicht könnt ihr es trotzdem besser erkennen.

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

neolithi

Das weiß ich auch nicht, aber das letzte Foto ist besonders klasse  :super:

Herzliche Grüße
Anke

Danske

Könnte eine Perlretusche (rundliche Absplissnegative :glotz:) sein.

LG
Holger
Das Leben ist die Summe all unserer Entscheidungen

Wiesenläufer

Zitat von: neolithi in 21. Juni 2022, 09:12:51
Das weiß ich auch nicht, aber das letzte Foto ist besonders klasse  :super:

Herzliche Grüße
Anke

Moin Anke,

eigentlich wollte ich es gar nicht mit reinnehmen, weil man nicht viel erkennen kann.  :schaem:

Lieben Gruß

Gabi

Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Wiesenläufer

Zitat von: Danske in 21. Juni 2022, 09:46:22
Könnte eine Perlretusche (rundliche Absplissnegative :glotz:) sein.

LG
Holger

Moin Holger,

habe in der Suchfunktion nochmal "Perlretusche" eingegeben.
Könnte also durch Gebrauch entstanden sein ?  :kopfkratz: falls es eine sein sollte.
Lese das immer so ein bisschen widersprüchlich raus oder begreife ich es nicht ?

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo



Das ist eine feine steil angelegte Retuschierung die recht gleichmäßig durchläuft. DieseRetusche würde ich nicht als eine "Perlretusche" soindern als eine schnell ausgeführte gezielt angelegte Retuschierung ansehen.

Eine einfache Spitze.

liebe Grüße
Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

greenzebra

Ich würde das auch für eine geplante Retusche halten, für Erosion oder rezente Schäden ist die Struktur meines Erachtens zu regelmäßig.
Auf den hiesigen mesolithischen Plätzen finde ich immer wieder Stücke mit partiellen Retuschen die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Habe mir daher angewöhnt erst mal alles mitzuschleppen :)

Danske

Zitat von: Wiesenläufer in 21. Juni 2022, 16:57:50

habe in der Suchfunktion nochmal "Perlretusche" eingegeben.
Könnte also durch Gebrauch entstanden sein ?  :kopfkratz: falls es eine sein sollte.
Lese das immer so ein bisschen widersprüchlich raus oder begreife ich es nicht ?


Hallo Gabi,

nach L. Fiedler ist eine Perlretusche eine kleine, regelmäßige und sehr marginal befindliche Retusche mit rundlichen Absplissnegativen. ... Sie kann zur speziellen Nutzung einer Arbeitskante oder als feine Rückenretusche angelegt worden sein (aus: Altsteinzeit von A-Z).

Perlretuschen sind somit intentionell.

Ich bin darauf gekommen, weil die Retusche an deinem Stück doch recht fein ist und ich rundliche Negative zu erkennen glaubte. Aber ich glaube, Perlretuschen sind noch einen Tick feiner.

LG
Holger
Das Leben ist die Summe all unserer Entscheidungen

hargo

M. E. nicht durch Gebrauch entstanden, weil bis zur Spitze durchlaufend. Allerdings auch nicht wirklich formgebend.
Bleibt also (für mich) ein großes Fragezeichen.

mfg

Wiesenläufer

Zitat von: thovalo in 21. Juni 2022, 17:14:50


Eine einfache Spitze.



Moin Thomas,

hatte es mir insgeheimen gewünscht, vorgestellt aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen.  :schaem:
Nachdem ich im "Floss" unter "nordisches Endmesolithikum" nur Querschneider gefunden habe, hatte ich diesen Gedanken doch wieder verworfen.  :nixweiss:

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Wiesenläufer

Zitat von: greenzebra in 21. Juni 2022, 19:51:40
Ich würde das auch für eine geplante Retusche halten, für Erosion oder rezente Schäden ist die Struktur meines Erachtens zu regelmäßig.
Auf den hiesigen mesolithischen Plätzen finde ich immer wieder Stücke mit partiellen Retuschen die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Habe mir daher angewöhnt erst mal alles mitzuschleppen :)

Moin,

stimmt, von "vermutlichen" mesolithischen Fundplätzen nehme ich auch alles mit.
Ich möchte einfach mehr über diese Plätze erfahren und sie kennenlernen.

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Wiesenläufer

Zitat von: hargo in 21. Juni 2022, 23:51:16
M. E. nicht durch Gebrauch entstanden, weil bis zur Spitze durchlaufend. Allerdings auch nicht wirklich formgebend.
Bleibt also (für mich) ein großes Fragezeichen.

mfg

Moin hargo,

genau deshalb war es mir aufgefallen, weil es der Rundung folgt und bis zur Spitze hin verläuft.

Für formgebend halte ich es schon, warum sollte es sonst so verlaufen ?
Vielleicht nur nicht in die "Zeit" passend.  :kopfkratz:

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Wiesenläufer

Zitat von: Danske in 21. Juni 2022, 22:49:12
Hallo Gabi,

nach L. Fiedler ist eine Perlretusche eine kleine, regelmäßige und sehr marginal befindliche Retusche mit rundlichen Absplissnegativen. ... Sie kann zur speziellen Nutzung einer Arbeitskante oder als feine Rückenretusche angelegt worden sein (aus: Altsteinzeit von A-Z).

Perlretuschen sind somit intentionell.

Ich bin darauf gekommen, weil die Retusche an deinem Stück doch recht fein ist und ich rundliche Negative zu erkennen glaubte. Aber ich glaube, Perlretuschen sind noch einen Tick feiner.

LG
Holger

Moin Holger,

Danke nochmal für die kurze Aufklärung.  :super:
Es gibt Dinge die kann ich mir einfach nicht merken.
Ein Stück mit "Perlretusche" hatte ich schon mal von einem u.a. mesolithischen Fundplatz.
Ist schon ein paar Jahre her und muss nochmal schauen ob ich den Beitrag finde.

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo

Zitat von: Wiesenläufer in 22. Juni 2022, 05:17:17
Moin Thomas,

hatte es mir insgeheimen gewünscht, vorgestellt aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen.  :schaem:
Nachdem ich im "Floss" unter "nordisches Endmesolithikum" nur Querschneider gefunden habe, hatte ich diesen Gedanken doch wieder verworfen.  :nixweiss:

Lieben Gruß

Gabi


Es ist ein Problem, dass die wirkliche Summe der Variabilität der mikrolithisch genutzten Formen nicht abgebildet werden kann. Es werden und sind immer die Standardformen publziiert. Die begleitende Vielfalt von sonstigen Formen, die dann nicht typolgiosch festgelegt ist, oder wie Hargo es zutreffend schreibt, die nicht formgebend retuschiert ist, wird dabei nicht mit gezeigt. Sie gehören vielmehr in Darstellungen von Gesamtfundinventaren und auch da wird meist selektiv der Standard publiziert, weil darüber dann auch eine kulturelle und chronologische Zuordnung möglich ist.

Umso schöner mal sonstige Formen zu sehen!


liebe Güße
Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fischkopp

Hallo Gabi,

mir fällt vor allem der "recht grosse" Schlagflächenrest und die starken Wallnerlinien auf. Ich denke wenn man die Form hätte haben wollen, die du hier zeigst könnte der SFR kleiner sein und die Wallnerlinien dezenter. Ich könnte mir vorstellen das der ursprüngliche Abschlag länger gewesen ist und die Retusche somit Formgebend.
Übrigens tolle Farbe.
Danke fürs zeigen
Fischkopp

Steinkopf

Moin,

Die Kante könnte auch über einen Gegenstand gezogen worden sein, der dem  Fundstück
die zarte Schneide nimmt. Nach einzeln gesetzten Retuschen sieht es mir nicht aus.

Ich hab hier mal eine rezent geschlagene Klinge über die Geweihsprosse eines Hirsches gezogen.
Nicht perfekt, aber beim ersten Versuch ein ähnliches Ergebnis.

LG
Jan

Steinkopf

Mein nächster Versuchschon etwas feiner:

LG
Jan

hargo

Hallo Jan,

ein sehr interessantes Beispiel.
In deinem Versuch brechen die Absplitterungen durch den Gebrauch nach ventral aus.

An dem Objekt, welches uns Gabi zeigt, ist die Kante jedoch steil retuschiert.
Demnach vermutlich nicht auf die von dir gezeigte Weise, durch Gebrauch, entstanden.
Ich würde hinsichtlich einer intentionellen Retusche nun doch zunehmend skeptisch bleiben.  :kopfkratz:

@Gabi
nicht formgebend, weil die ursprüngliche Form des Abschlags erhalten ist.
So zumindest mein Eindruck.


mfg

Wiesenläufer

Moin Jan, Fischkopp und hargo,

@Jan, DANKE für das anschauliche Beispiel.  :super:
Muss ich heute Nachmittag auch unbedingt mal ausprobieren.
Steht schon auf meinem Zettel.
Abschläge und Geweihsprossen habe ich ja zu genüge im Garten.  :dumdidum:

@Fischkopp, der SFR ist gar nicht mal groß. Im Verhältnis zu dem vorhandenen "Grat" ist er sogar vom Niveau her flacher.
Was ich damit beschreiben möchte ist, er wäre zum befestigen an einem Schaft geeignet.

@hargo, jetzt glaube ich was Du meinst.
Die Wallnerlinien sind erst zur Spitze hin viel ausgeprägter.
Ob das ein Kriterium für irgendetwas darstellt kann ich nicht beurteilen.

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Steinkopf

Mein dritter Versuch - nicht gezogen sondern scherend.
Klingenkante aus sehr sprödem Flint aus Nord Jütland.

LG Jan

neolithi

Puh, das hätte ich wohl als Retusche bestimmt.

Gilt es denn evtl. als Retusche, denn es ist ja intentionell und zu einem Zweck angelegt  -  nur mit einer etwas anderen (schnelleren ) Technik?

Danke für die tollen Beispiele.
HG
Anke

Steinkopf

Hi,

Dieser Bildausschnitt zeigt 30 mm einer Klingenkante.
Diesmal von ventral nach dorsal gedrückt.

Bei der Begutachtung meiner Funde beim Archäologen tauchte die Frage nach Gebrauchsretuschen etc. auf,
dabei sagte er: "Soll ich das mal über diese Tischkante ziehen? Dank an Herrn Dr. S. - jetzt hab ichs gemacht.
Von einer Trichterbecherstelle im Elbe-Weser-Dreieck sammelte ich ungezählte Kratzerartige Stücke, die
im Bereich von wahrscheinlichen, erkennbaren Retuschen bis hin zu partiellen Gebrauchsspuren liegen.

LG
Jan

hargo

Zitat von: Steinkopf in 23. Juni 2022, 17:32:22
Mein dritter Versuch - nicht gezogen sondern scherend.
Klingenkante aus sehr sprödem Flint aus Nord Jütland.

LG Jan

Und wieder unilateral aussplitternd. Diesmal nach dorsal. Oder?
Phänomenale Darstellung!
Die einseitige (übliche) Aussplitterung (bei Gebrauch) unterscheidet es m. E. immer noch von Gabi's Fundstück.

mfg

Wiesenläufer

Moin Jan,

ich habe es gestern auf der Terrasse mit zwei unterschiedlichen Abschlägen ausprobiert.
Der eine Abschlag etwas länglich 35mm lang, der andere in etwa die Form wie oben.
Beide über eine "Sprosse" mit glattem Bereich gezogen, als wenn ich eine Kerbe ziehen wollte.
Da ist nischt passiert.  :kopfkratz: Keine Abplatzungen und die Kanten der Versuchsobjekte waren vorher glatt und scharf.
Dann schabende Bewegungen gemacht, als wenn ich was abhobeln möchte.
Naja, es sind schließlich ein paar Absplitterungen entstanden.
Flach nach Dorsal, ziemlich willkürlich und deinen überhaupt nicht ähnlich.
Vermutlich habe ich eine komplett falsche Technik angewandt  :dumdidum:
Außerdem sind mir diese kleinen Abschläge ewig durch die Finger gerutscht und beim schaben habe ich auch nur ein bisschen "Hornstaub"
abgekratzt.
Ich ziehe immer mehr einen imaginären Hut vor den Mesolithikern, die mit winzigen Sachen gearbeitet und sie hergestellt haben.  :staun:
Werde es heute Nachmittag aber nochmal mit anderen Abschlägen ausprobieren.
Vielleicht habe ich auch zu wenig Kraft aufgewandt.

Lieben Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo

Zitat von: neolithi in 23. Juni 2022, 19:56:00
Puh, das hätte ich wohl als Retusche bestimmt.

Gilt es denn evtl. als Retusche, denn es ist ja intentionell und zu einem Zweck angelegt  -  nur mit einer etwas anderen (schnelleren ) Technik?

Danke für die tollen Beispiele.
HG
Anke


Das IST auch eine Retusche!  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zitat von: Wiesenläufer in 24. Juni 2022, 05:43:27
Moin Jan,

ich habe es gestern auf der Terrasse mit zwei unterschiedlichen Abschlägen ausprobiert.
Der eine Abschlag etwas länglich 35mm lang, der andere in etwa die Form wie oben.
Beide über eine "Sprosse" mit glattem Bereich gezogen, als wenn ich eine Kerbe ziehen wollte.
Da ist nischt passiert.  :kopfkratz: Keine Abplatzungen und die Kanten der Versuchsobjekte waren vorher glatt und scharf.
Dann schabende Bewegungen gemacht, als wenn ich was abhobeln möchte.
Naja, es sind schließlich ein paar Absplitterungen entstanden.
Flach nach Dorsal, ziemlich willkürlich und deinen überhaupt nicht ähnlich.
Vermutlich habe ich eine komplett falsche Technik angewandt  :dumdidum:
Außerdem sind mir diese kleinen Abschläge ewig durch die Finger gerutscht und beim schaben habe ich auch nur ein bisschen "Hornstaub"
abgekratzt.
Ich ziehe immer mehr einen imaginären Hut vor den Mesolithikern, die mit winzigen Sachen gearbeitet und sie hergestellt haben.  :staun:
Werde es heute Nachmittag aber nochmal mit anderen Abschlägen ausprobieren.
Vielleicht habe ich auch zu wenig Kraft aufgewandt.

Lieben Gruß

Gabi


Mir geht es da genauso. Was für gute und was für geschulte Augen sie gehabt haben müssen und welch eine geübte Feinmotorik. Ich staune u.a. immer wieder darüber, wie sie die kleinen schmalen Lamellen von den gleichfalls kleinformatigen Kernsteinen gezielt lösen konnten. Das ging zwar nicht immer gut, aber es braucht dafür viel Übung und eine unglaubliche Feinmotorik.


liebe Grüße
Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Zitat von: thovalo in 24. Juni 2022, 13:55:49

... und welch eine geübte Feinmotorik. Ich staune u.a. immer wieder darüber, wie sie die kleinen schmalen Lamellen von den gleichfalls kleinformatigen Kernsteinen gezielt lösen konnten. Das ging zwar nicht immer gut, aber es braucht dafür viel Übung und eine unglaubliche Feinmotorik.


l...

Feinmotorik ja, aber für Übung hatten sie vermutlich wenig Zeit. Die waren jung, sehr jung.

mfg