Federmesser / Rückenmesserchen der Federmesserkultur

Begonnen von StoneMan, 10. Dezember 2022, 15:31:32

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StoneMan

Der Bogen ist gespannt.

2015 ein Doppelkratzer in Niedersachsen, Spätpaläolithikum, Federmesser-Kultur (ca. 12.000 - 10.800 v. Chr.).

2019 ein Kern aus SH irgendwo in der Mitte,  :dumdidum: Spätpaläolithikum Federmesserkultur (ca. 12.000 - 11.000 v. Chr.).

Dort hatte ich geschrieben: ,,Ich hoffe, ich kann den Bogen von da unten zu Fehmarn bald spannen".

2021 war es dann so weit.

Der Acker war anstrengend, jede Menge gehäckseltes Stroh war ausgebracht.
Es war schon Nachmittag, ich war auf dem Rückweg, das Wetter war mies die Sicht war schlecht, es nieselte.
Fast hätte ich es nicht aufgehoben – es muss eine Eingebung gewesen sein.

Rückenmesserchen / Federmesser 13.000 – 11.000 v. Chr.

Maße / Gewicht: 47,6 x 12,0 x 3,7 bis 5,6 mm / 3,3 g
Fundort: Kreis Ostholstein, Ostseebereich

Objektbeschreibung

Grundform: Trianguläre Klinge ohne Cortex.

Dorsal.
Der Mittelgrad ist fast vollständig durchgehend.
Das basale Ende (Foto / Zeichnung obenliegend) ist bilateral von ventral nach dorsal modifiziert,
sodass sich eine Spitze bildet. Diese Retuschen sind wie die übrigen Flächen patiniert.

Ventral.
Bulbus und Schlagflächenrest sind absent.
Die Schlagrichtung geht von der Spitze (basal) Richtung Bruchfläche (terminal). Die Wallnerlinien sind nur schwach zu erkennen.

Lateralen.
Die Rückenretusche (von ventral nach dorsal) ist über die gesamte Laterale durchgehend, dadurch ist dieser
Schenkel stark reduziert. Die Retusche des Rückens geht partiell bis zum Mittelgrat.

Die dem Rücken gegenüberliegende Laterale weist partiell Gebrauchsretusche auf.

Am terminalen Ende befindet sich ein Bruch. Bis auf diese kleine Beschädigung ist das Artefakt vollständig.


Flintbeschreibung:

Eine dicke weiße Patina überzieht alle Hauptflächen und Retuschen.
An der Bruchfläche kann man die Dicke der Patina deutlich sehen.
Die Bruchfläche weist lediglich den Beginn einer Patina auf, der dunkle Flint scheint durch.
Baltischer Flint, mittelbraun, karamell, schwach transluzent.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

StoneMan

Weitere Ansichten des Federmessers / Rückenmesserchen.

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

RockandRole

Hallo Jürgen,

ein toller Fund mit einer noch tolleren Beschreibung. Wenn du mal was zeigst, dann ist es erste Klasse  :zwinker:

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Steinkopf

Moin,

Daniel hat es schön zusammengefasst!

Bei diesem klar datierbaren Fundstück gewinnt die Tiefe der Vorgeschichte eine
Orientierungshilfe, die klimatisch und durch Besonderheit der Projektile definiert ist.

LG
Jan

StoneMan

Moin,

@ Daniel,
Danke fürs Lob, Du weißt doch, ich gebe mir immer Mühe :kunst:, aber für mich ist der Fund das "Tollere", denn der hat die Beschreibung selbst geliefert.  :zwinker:


@ Jan,

auch wenn die Vorgeschichte eine gute Orientierungshilfe bietet, wie Du richtig schreibst, ist es für mich und für
diese Fundregion von besonderer Bedeutung, dass ich für die Datierung die Fachleute vor Ort hatte und der Fund
durch Inaugenscheinnahme im Schloss Gottorf bestimmt werden konnte.

Danke fürs Schauen  :glotz:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

#5



Bei den Abmessungen wäre das kein Rückenmesser"chen" mehr, sondern veritables Rücken"messer".
Ich bin erstaunt welche Dimension das Stück hat.

Im Rheinland werden die Länge und Breite der Rückenmesser auch datierend eingestuft und das hier gezeigte Stück läge dbei im Spektrum des Magdalenién und nicht in dem des späten Pläolithikums.

Der wuchtige Größenunterschied liegt vielleicht in der guten Verfügbarkeit nordischen Feursteins im Norden begründet. Da muste man nicht jeden Fitze optimal nutzen, sondern konnte generös mit dem Material umgehen.

Für mich entsteht bei der Betrachtung jedoch eher der Eindruck, dass es sich um eine Geschoßspitze handelt. Unter den Rückenspitzen gibt es immer auch Stücke mit einer vergleichsweise gerade verlaufenden Rückenlinie. Da würde ich diesen Fundbeleg aufgrund seier Länge eher einordnen.


Auf jeden Fall ein beeindruckendes und klares Fundstück!


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fischkopp

Hallo Jürgen,

ein wiklich toller Fund und eindrucksvolle Bilder.
Hoffe das du in diesem Zusammenhang weitere Funde vorstellen wirst.

LG Fischkopp

StoneMan

#7
Moin,

@ Thomas,

wenn ich mir die vielen Grabungsberichte aus den Regionen von Niedersachsen bis Schleswig-Holstein ansehe, so ist mein Eindruck,
dass es bei den Rückenmessern / Rückenspitzen sowohl gerade Rücken als auch gebogene (konvexe) Rücken gibt.

Die Größe meines Rückenmessers hat "da oben" in SH diejenigen Fachleute, die es begutachtet haben, nicht beeindruckt,
zumindest wurde es nicht erwähnt.
Du magst diesbezüglich mit der guten Verfügbarkeit nordischen Feuersteins richtig liegen.

Danke für Deine Betrachtungen.


@ Fischkopp,

Danke für die guten Wünsche, das wird nicht die Regel werden, seit Jahren bewege ich mich dort im Neolithikum, selten mal
im Spätmesolithikum (Ertebølle-Kultur) und Frühneolithikum.
Es gibt einige wenige Funde, Feder- / Rückenmesser aus meinem Fundgebiet im Schloss, die aber nicht ordentlich dokumentiert wurden.
Der Anfang ist nun gemacht.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry

Fabulas

Also das ist ja mal wieder ein fantastischer Beitrag.
Nachdem ich am Freitag ein Silexbeil in den Händen halten durfte (leider nicht gefunden) ist mir die Bedeutung Deines Fundes sehr klar.

Ich gratuliere Dir! Da hast Du Dir ein schönes Vorweihnachtsgeschenk gemacht. Kaum steigerungsfähig.

Liebe Grüße
Anita

StoneMan

Moin,

und vielen Dank, Anita.

Das erste Beil ist das schwerste, dann fluppt es. Ich drück' Dir die Daumen  :super:

Gruß

Jürgen
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Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry