Ein Kernstein aus einem "Maasei" (auch als Wallstein/Rollstein bezeichnet)

Begonnen von thovalo, 09. Juni 2022, 12:54:59

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thovalo



Guten Tag!    :winke:


Maaseier waren in manchen Regionen und das vor Allem links des Rheinlaufs und im Maasgebiet, ein gefragtes Ausgangsmaterial zur Grundformherstellung. Im Unterschied zu den rechtsrehinischen Vorkommen waren sie linksrheinisch sehr viel großformatig und standen zudem reichlich zur Verfügung.


Rechtsrheinisch waren sie deutlich kleinformatiger, fanden sich viel seltener und wurden in älteren Zeiten nur bei knappen Materialressourcen verwendet. Während des späten Neolithikums und bis in die Metallzeiten hinein wurden sie dann zur Herstellung einfacher ad-hoc-Gerätschaften verwendet.


In diesem Fall stammt der Fundbeleg von einem spätaltsteinzeitlichen Fundplatz der über 23 Jahre lang keinen einzigen Fundbeleg erbracht hat, der gesichert dem Mesolithikum zugeschrieben werden konnte.


Man erkennt an dem kleinen Format, das der kleine Kern schnell wegen gestaffelter "hinge fractueres" aufgegeben worden war, wie schwierig es gewesen sein muss aus solchen kleinen Klötzchen die gewünschten lang-schmale Grundformen herzustellen.


Die Art des Abbaus lässt auf eine geübte Steinbearbeitung und das Ergebnis auf eine gewisse Frustrationstoleranz bei der Bearbeitung schließen.  :glotz:


liebe Grüße
Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Moin Thomas,

Bei diesem schön präsentierten Fundstück sind Geologie Mineralogie und Archäologie
miteinander eng verzahnt. Die Herausforderung, ais einem 'Ei' lange Klingen zu zaubern
belegt sicherlichden Mangel an geeignetem Material. Es ist aber sicherlich etwas gelungen.

Ähnliche Artefakt Produktion kenne ich von dem Nordzipfel Jütlands, der keinen Moränenflint hat
und nur kleinformatige Kiesel, die durch Strömung nacheiszeitlich transportiert wurden.

LG

Jan

Wiedehopf

Hallo Thomas,

sehr interessant ! Ich finde diese 'Eier' auch gelegentlich bei Feldbegehungen im hiesigen Geschiebe, allerdings nicht sehr häufig.  Das ist hier ca. 65 km östlich von Rhein, Höhe Dortmund / Lünen. Das Bild zeigt die Ausbeute von ca. 2 Jahren. Ein bearbeitetes 'Ei' war aber noch nicht dabei. Wie sie hier in die Gegend kamen kann ich mir noch nicht erklären, da das Geschiebe bei der vorletzten Eiszeit hier aus Richtung Nord-Osten eingetragen wurde.  Also wohl keine Maaseier sondern eher Ostsee-Eier ?

Viele Grüße
Michael     

hargo

Hallo Michael,

deine Stücke unterscheiden sich von den Maaseiern scheinbar durch eine dünnere Rinde. So mein Eindruck.
Sie sind aber durchaus vergleichbar mit dem hiesigen Material. Auch hier gibt es solche und solche.
Von Rügen sind mir noch typische Brandungsgerölle, mit dickerer Rinde und den entsprechenden Narben an der Oberfläche, bekannt.

mfg

Steinkopf

Hallo,

ein Muster von den duch Strömung nach Skagens Odde transportierten runden Steinen
konnte ich noch finden. Es ist so ungefähr das größte Stück Rohmaterial vor Ort.
Die Bearbeitung bei diesem Muster ist nicht so gelungen wie bei dem von Thomas
gezeigten Maasei. Die Misere bei der Bearbeitung kleiner Kiesel dürfte aber ähnlich sein.

LG

Jan

thovalo



Genau, von solchen kleineren und rundlichen Silexstüke ist es schwer gleichfärmige Grundformen abzutrennen. Die Rollsteine gibt es tatsächlich überall. Aber sie wurden nicht überall als Rohmaterialquelle genutzt :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fabulas

Interessant! Daher erklärt sich vielleicht auch meine Liebe zu den rundlichen Steinen. Dass sie tatsächlich auch als Ausgangsmaterial genutzt wurden, macht die Sache nur umso spannender.
Aber auch einfach nur haptisch haben sie ihren Reiz und sie sind immer nett anzusehen.

Danke für den Beitrag!

Anita

Wiedehopf

ZitatAber auch einfach nur haptisch haben sie ihren Reiz und sie sind immer nett anzusehen.

Hallo zusammen,

vielleicht haben auch schon die Menschen der Jungsteinzeit genau so empfunden. Zumindest in Gegenden, wo diese Rollsteine nicht so häufig vorkommen. Denn während ich sie hier im normalen Geschiebe nur ausnahmsweise gefunden habe, stammen die meisten der oben von mir gezeigten Rollsteine von einem neolithischen Siedlungsplatz. Ich denke aber nicht, dass sie in diesem Fall als Rohstoffquelle zusammengetragen wurden, denn hier liegt genug besser geeigneter Geschiebeflint rum. Also vielleicht doch schon damals die Freude an der schönen Form (ist natürlich rein spekulativ).   

Viele Grüße
Michael

Fabulas

Ja, warum nicht? Ich kann mir das auch gut vorstellen. Selber habe ich von ganz klein bis handlich groß und in vielen Farben.
Die handlich großen würden sich sicher auch gut als Wurfgeschosse eignen (auch nur rein spekulativ). Und wer weiß, vielleicht wurde sogar damit gespielt (als Idee denke ich da an das französische Kugelspiel Boule). Auf jeden Fall sind sie äußerst reizvoll und faszinierend.

Schöne Grüße!
Anita

thovalo



Es gibt ja auch immer wieder Funde von fossilen Seeigeln in Flinterhatunge, Bemeiten usw. u.a. als Grabbeigaben.

Solche Dingen hatten sicher schon in urgeschichtlicher Zeit ihren Reiz und ihre "Sammler"

Ich danke Euch für Euer Interesse!

liebe Grüße
Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Zitat von: Fabulas in 12. Juni 2022, 20:46:17
...
Die handlich großen würden sich sicher auch gut als Wurfgeschosse eignen (auch nur rein spekulativ). ...

Nur am Rande erwähnt:
Bei Wurf- oder Schleudergeschossen ist ein einheitliches Gewicht von Vorteil. Es erhöht die Trefferquote.

mfg

Neos

Moin, Thomas,

Zitat von: thovalo in 12. Juni 2022, 21:04:57
Es gibt ja auch immer wieder Funde von fossilen Seeigeln in Flinterhatunge, Bemeiten usw. u.a. als Grabbeigaben.

Solche Dingen hatten sicher schon in urgeschichtlicher Zeit ihren Reiz und ihre "Sammler"

was mich angeht: Ich habe bisher 13 Seeigel- und ein Schwamm-Fossil sowie einen Belemniten inmitten meso- und neolithischer Siedlungen gefunden. Und, ja, natürlich findet man so etwas auch auf zahlreichen Äckern Schleswig-Holsteins - ohne steinzeitlichen Bezug (bevor der Hinweis kommt...  :zwinker:).

Daher interessiert mich das, was du hier geschrieben hast, brennend! Seit Jahren bin ich auf der Suche nach Veröffentlichungen, in denen die Rede von Fossilien im Zusammenhang mit stein- und bronzezeitlichen Fundplätzen ist. Gefunden habe ich bis dato jedoch noch nichts Verwertbares. Hast du hier vielleicht einen Tipp?

Viele Grüße

Frank

Steinkopf

Hi Frank,,
In der Gemeinde Farsø (Dänemark) wurde vor vielen Jahren ein Männergrab gefunden,
in welchen sich Auch Seeigel und andere Beigaben befanden, die ungewöhnlich waren.

Die Beigaben mit Erklärung waren auch im Museum ausgestellt. Ich plane in näcjster Zeit
wieder dor hinzufahren. Dann kann ich genaueres berichten.

LG

Jan

Wiedehopf

Moin Frank,

schau vielleicht mal hier, da ist ganz unten auch ein Literaturhinweis zu fossilen Seeigelfunden in archäologischem Zusammenhang:

https://forum.archaeologie.online/t/fossile-seeigel-als-archaeologische-funde/3772

Ansonsten zeigt z.B. das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz eine Seeigel-Deponierung aus der Zeit des Neandertalers (nach 'Seeigel-Deponierung' googeln).

Auch in der archäologischen Literatur über die Sahara findet man öfter Abbildungen von fossilen Seeigeln die in der Steinzeit zu Schmuck verarbeitet wurden (z.B. C.E. Klenkler: Sahara - Prähistorische Artefakte Band 2 - darin 'Perlen und Anhänger aus Fossilien').     

Viele Grüße
Michael

 

Steinkopf

Hi,

Seeigel-Deponierung - da muß  ich an eine Begebenheit denken, die schon einige Jahre zurückliegt.
Ich hatte ein paar freie Tage genutzt um im Frühherbst an den Limfjord zu fahren.
Ein Strandabschnitt der auch Seeigel freigibt - und dann dies:

Oben vom befahrbaren Weg aus waren Eimerweise versteinerte Seeigel  abgekippt worden. 
Vielleicht war ein Sammler oder eine Sammlerin in die Jahre gekommen, fortgezogen, pflegebedürftig
geworden oder gar verschieden und die Hinterbliebenen mußten klar Schiff machen.

Einige der am besten Erhaltenen habe ich mitgenommen.
"Die hast Du alle am Strand gefunden?" fragte meine Frau.
"Ja", war meine ehrliche Antwort.

LG
Jan

Neos

Hi, Jan,

Zitat von: Steinkopf in 20. Juni 2022, 20:48:21
In der Gemeinde Farsø (Dänemark) wurde vor vielen Jahren ein Männergrab gefunden,
in welchen sich Auch Seeigel und andere Beigaben befanden, die ungewöhnlich waren.

Die Beigaben mit Erklärung waren auch im Museum ausgestellt. Ich plane in näcjster Zeit
wieder dor hinzufahren. Dann kann ich genaueres berichten.

vielen Dank für die Info und dein sehr nettes Angebot, das ich sehr gerne annehme! Klasse!  :super:

Und was dein Erlebnis am Limfjord angeht: Eine schöne Geschichte und ... DAS nenn' ich mal Glück! Wow!  :irre:

Viele Grüße

Frank

Neos

Moin, Michael,

Zitat von: Wiedehopf in 21. Juni 2022, 04:58:30
schau vielleicht mal hier, da ist ganz unten auch ein Literaturhinweis zu fossilen Seeigelfunden in archäologischem Zusammenhang:

https://forum.archaeologie.online/t/fossile-seeigel-als-archaeologische-funde/3772

Ansonsten zeigt z.B. das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz eine Seeigel-Deponierung aus der Zeit des Neandertalers (nach 'Seeigel-Deponierung' googeln).

Auch in der archäologischen Literatur über die Sahara findet man öfter Abbildungen von fossilen Seeigeln die in der Steinzeit zu Schmuck verarbeitet wurden (z.B. C.E. Klenkler: Sahara - Prähistorische Artefakte Band 2 - darin 'Perlen und Anhänger aus Fossilien').     

dank dir vielmals für deine Tipps! Bis auf den Sahara-Beitrag habe ich sie mir schon mal zu Gemüte geführt. Spannend!  :staun:

Viele Grüße

Frank

Wiedehopf

Hi Frank,

noch eine kleine Randnotiz: Im 'Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens' gibt es einen eigenen Eintrag zu fossilen Seeigeln ('Echenit') und es ist erstaunlich wieviele unterschiedliche volkstümliche Namen und Verwendungszwecke dafür überliefert sind, insbesondere aus dem Norden Deutschlands.

(Riesenknöpfe, Igelstein, Knopfstein, Froschstein, Huckstein, Donnerkugel, Grummelstein ........).

Eingesetzt wurden sie z.B. als Gewitter- und Blitzschutz, Schlafmittel, Giftschutz, in Degenknöpfe eingearbeitet, in Milchkannen und Töpfe wurden sie gelegt um die Milch zu schützen, gegen Viehkrankheiten z.B. im Bienenstock oder Schweinetrog deponiert. Bei den altnordischen Völkern galt er als Heilmittel wenn Runen darauf geritzt waren.   

Viele Grüße
Michael

Neos

Hi, Michael,

und wieder was dazugelernt! Klasse, dank dir vielmals!  :Danke2:

Viele Grüße

Frank