Hallo Forum,

vor ungefähr 20 Jahren, als es dieses Forum leider noch nicht gab, lachte mich dieses Teil hier an. Es hat auf der einen Seite eine sehr feine Retusche. Ich hoffe, sie kommt im zweiten Bild einigermaßen heraus. Die andere Seite ist gar nicht retuschiert. Das Teil wurde zwanglos in das Endneolithikum datiert, auch auf Grund der Funde aus der direkten Umgebung (viel MK). Material dürfte Maasflint sein. Als Funktion kommt ein Schneideinstrument (Messer) in Frage, bei dem die retuschierte Seite auch jetzt noch sehr scharf ist und auch nicht beschädigt. Ich stelle es heute ein, weil RP vor einigen Tagen ein ähnliches Teil gefunden hat. Hallo RP, Ähnlichkeit vorhanden?

Bis dann,

Fritz

Moin Fritz,

da ist sogar eine große Ähnlichkeit vorhanden! Das Material Deines Stückes erinnert mich wg. der Flecken aber deutlich an Rijckholt. Wenn die Farbe wirklich bräunlich ist, dürfte die Fundstelle in einem Feuchtgebiet liegen. Manche Funde von mir, die von der Rurebene oder vom Ellbach stammen, haben auch die braune "Feuchtbodenpatina".
Ich tendiere auch zu einer Messerfunktion. Die bekannten MK-Spitzklingen werden, obwohl sehr steil retuschiert, auch als Messer gedeutet. Wenn ich das, was ich an Spitzklingen gefunden habe Revue passieren lasse, fällt mir auf, daß  die Geräte in allen Längen vorkommen. Will sagen: im Neuzustand waren die Dinger lang, vielleicht 15cm (fehlt zwar in meiner Sammlung, habe nur Bruchstücke), die wurden aber benutzt, bis sie nicht mehr zu handhaben waren. Wenn ich richtig informiert bin, wurden zur MK-Zeit keine Kerne, sondern bereits vorbereitete, lange Klingen aus Rijckholt importiert, deshalb auch keine MK-Kerne im Rheinland.
Gegen einen Kratzer spricht sie flache, fast flächige Retusche. MK-Kratzer waren steil, manchmal steiler als 90 Grad, retuschiert.
Werde das Gerät kommenden Samstag nach Bonn mitnehmen und dort J. Weiner zeigen, danach wissen wir hoffentlich mehr.

Beste Grüße
RP

Salaam!

Weit davon entfernt, J. Weiner hier einen Kommentar vorwegnehmen zu wollen, könnte ich mir doch vorstellen, wie seine Antwort ausfallen dürfte. Bin ich ein Hellseher? Nonsens, aber ich schaue gelegentlich in die Literatur. Und ich erinnere mich später, was ich da so alles in der Vergangenheit optisch aufgenommen haben. Und da fiel mir folgender Artikel in "Archäologie im Rheinland 2005 (Stuttgart 2006)" ein:

Weiner,J. Zwei außergewöhnliche Feuersteingeräte aus Euchen. Archäologie im Rheinland 2005, 42-44. (Stuttgart).

U.a. stellt der Autor ein Artefakt aus Rijckholt-Flint vor, das er - nach Material, Zurichtung und Fundzusammenhang - als MK-zeitlich datiert. Es handelt sich um einen ungewöhnlich flachen Abschlag, der umlaufend randlich extrem flach retuschiert worden ist. Lassen wir doch den Autor selbst zu Wort kommen:

"Natürlich fragt man nach der Funktion des Gerätes, stößt aber beim Versuch einer konventionellen typologischen Einordnung schnell an Grenzen. Zwar könnte eine Ansprache als Abschlagkratzer nahe liegen, aber typische Michelsberger Kratzer zeichnen sich in aller Regel durch eine markante Dicke und steil retuschierte Funktionsenden (sog. Kratzerkappen) aus, wie dies auch bei den vom selben Fundplatz stammenden Exemplaren der Fall ist. Tatsächlich erinnert das Stück mit seiner breiten konvexen Funktionskante an klassische Ledermesser und in Verbindung mit seinem trapezförmigen Umriss an ein "Ulu", das Frauenmesser der Inuit. Betrachtet man nun noch die vergleichsweise flach retuschierten Funktionskanten der Klingeneinsätze an sog. Pfahlbaumessern, dann liegt der Schluss nahe, dass es sich bei dem Artefakt aus Euchen nicht um einen Kratzer, sondern eher um ein messerartiges Schneidegerät handeln dürfte." (ebd. 43).

Auf dieser Basis beruht meine eingangs plazierte Vermutung, wie sich J. Weiner zu dem Artefakt von RP. das funktional jenem von Fritz - und von diesem so nachvollziehbar "Bogenmesser genannten - an die Seite gestellt wird, am kommenden Samstag äussern könnte.

Warten wirs ab, RP wird uns gewiss berichten.

Schala gaschle KIS