Ein ausserordentlich patinierter Fundbeleg

Begonnen von thovalo, 14. April 2014, 12:47:26

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thovalo


Der Kratzer ist noch kurz vorher durch die Landwirtschaft im Bereich der Arbeitskante gekappt worden.
Dadurch ist die dunkle Färbung des Feuersteins sichtbar.

Ich selber habe keine allzu umfänglich Erklärung für die verschiedenen Patinierungszustände dieses großen Abschlagkratzers aus Maasfeuerstein vom rechten Niederrhein.

Es gibt Erklärungsversuche über den Bodenchemismus oder den Einsatz von Kunstdünger und Gülle.

Dabei müsste die Einwirkung dabei eher gleichmäßig gewesen sein ....


Wie auch immer: ein PHÄNOMEN!


Die erhaltenen Partie der Schlagfläche lässt noch Negative der vorher gegangenen Präparation erkennen.
Dorsal mehrere Negative zuvor in "hinge fractures" ausgelaufener Abschläge.


Länge: noch 6.1 cm
max. Breite: 4.3 cm
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Heino

Hallo Thomas,
bei der Interpretation der Patina ist mann, so glaube ich, bei einem einzelnen Stück immer im unsicheren Bereich. Bekannterweise ist das Alter meist der entscheidende Faktor. Die Bodenart in der sich das Artefakt befunden hat, hat bestimmt auch Auswirkungen. Ebenso der Umstand wie lange es sich schon im bewegten Ackerboden befindet. Natürlich auch, wie besonders deutlich bei einer Patinierung  in Feuchtboden zu sehen ist, die Sättigung des Bodens mit Wasser. Gülle und Dünger wird meiner Meinung nach deutlich überschätzt. Der PH-wert des Bodens ist dafür um so wichtiger. Alles Faktoren die sich auch gegenseitig beeinflussen.
Bleibt die Tatsache zu akzeptieren, dass es unpatinierte paläolithische und patinierte neolithische Artefakte gibt.



Gruß Heino

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Moin Thomas,

vielleicht kann ich auch etwas dazu beisteuern dem ´Phänomen´ auf die Spur zu kommen.

Vorweg, diese von Dir genannten Erklärungsversuche sind sicher weitestgehend richtig. Heino
hat es mit Bodenart und PH-Wert plausibel ergänzt.
Lagerungsbedingt gibt es wahrscheinlich auch uneinheitliche Einwirkung.

- - - - - - - - -
Über die Flintentstehung muss ich Dir ja nichts schreiben.
Du weißt von der Diagenese, dem Umwandlungsprozess zur Gesteinsbildung und von
den "Zutaten" der kieselsäurehaltigen Lösungen wie Kieselschwämme, Diatomeen (Kieselalgen)
und sonstige marine Meeresbewohner.  

Oft ist der Flint ja für unser Auge ´absolut´ homogen und von sehr gleichmäßiger Textur.

Die Zementation ist jedoch aufgrund der verschiedenen "Zutaten" unterschiedlich, die Übergänge
sind fließend, Spurenelemente verleihen dem Flint zudem verschieden Farben.

Insbesondere auch durch die marinen Einschlüsse weist die Textur Inhomogenität auf, die
sowohl mit dem bloßen Auge zu sehen ist, aber auch mikroskopisch klein sein kann.

So ist es sicher zu erklären, dass auch die Patinierung an ein und demselben Artefakt partiell einen
anderen (zeitlichen) Verlauf nimmt, fast gar nicht entsteht oder eben nicht sichtbar ist.

Ich habe hier ein Artefakt aus grauem Flint (7,0 x 4,0 x 1,0 cm). Beide Seiten, dorsal/ventral
weisen deutlich Patina auf.
Im Flint befindet sich eine hellere, markant abgegrenzte, also gut sichtbare Störung. Diese Störung
geht von dorsal nach ventral durch. Dorsal etwa 1,7 cm Ø, ventral ist sie oval, etwa 3,0 x 1,3 cm.

Auf beiden Seiten fehlt bei dieser Störung die Patina.

Hier ist vermutlich die Struktur des Flints Ursache der unterschiedlichen Patinierung.


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo



Danke Jürgen!

Das ist auch eine deutliche Erweiterung des Horizontes zur Erklärungsfindung eines solchen Phänomens!


Danke!   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.