diskoider Kern

Begonnen von Steinkopf, 30. Januar 2015, 21:37:12

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Steinkopf

Neufunde sind bei dem Winterwetter grad nicht möglich. Deshalb möchte ich einen Kern vorstellen, den
ich vor einiger Zeit in einem Bereich fand, der von der Erteböllekultur bis zur Bronzezeit Artefakte führt.

Er hat die Form eines (kleinen) Schildkrötenpanzers - etwa rund,
eine Seite (unten) stärker gerundet mit feineren Abschlägen,
die andere Seite (oben) mit gröberen Abschlägen fast flach abgebaut.
Größe: ca. 8 cm Durchmesser ca. 3,6 cm dick.

Weil es sich fotografisch nicht befriedigend einfangen ließ habe ich die Fotos mit
'seitlich', 'oben' und 'unten' gemäß der obigen Beschreibung bezeichnet.

Steinkopf

#1
Weitere Bilder.


Er erinnert in seiner Form und vielleicht auch der Abbau-Struktur schon etwas an einen Levallois-Kern.
Die Schlagflächen der Abschläge wurden jedoch nicht entsprechend vorbereitet,
auch bietet der Fundplatz die Möglichkeit nicht, sodass wir diese Diskussion hier nicht führen sollten.

Zu diesem Kern habe ich keine Vergleichsstücke gefunden oder gesehen.
Ich könnte ihn auch nicht in eine der am Fundort vorkommenden Zeitstufen datieren.

Was ist Eure Einschätzung?

Steinkopf

#2
Teil II  -  Das Material

Der hier verarbeitete Flint hat in seinem Erscheinungsbild etwas von Porzellan.
Er ist weiß und nicht stark schwankend, was Färbung, Körnigkeit und und undurchsichtigem Erscheinungsbild anbelangt.

Das Alleinstellungsmerkmal ist, dass im Material farblich unauffällig Bryozoen vorkommen und
außerdem noch dunkle (fast schwarze) 'Fädchen' mehr oder minder dicht drinne sind.
Manchmal hat dieses schwarze Teilchen nur einen schwarzen Hohlraum hinterlassen.
Wahrscheinlich etwas Fossiles aber andersfarbig als die hell eingebetteten Bryozoen.

Dieser Materialtyp ist mir von Nord-West-Deutschland bis Nord-Jütland aufgefallen.
Oft bei Beilen. Manchmal bei Beilen in Museums-Vitrinen.
Es taucht aber sporadisch auch in anderen Zusammenhängen auf.

Um diese Besonderheit zu illustrieren habe ich einen Ausschnitt des Kerns, eine Partie von einem Beilnacken
und einen Abschlag angehängt.

Sicherlich ist es eine Variante des Baltischen-Geschiebe-Flints sodass man die Herkunft nicht ausmachen kann.

Vielleicht hat ja einer der geneigten Foren-Leser ähnliches Material gesehen oder kann sagen, wo es noch auftritt.

Dieses hellgrau/weiße Material ist in Färbung, Struktur und Körnigkeit völlig anders als der von Fünen (Klintholm)
bekannte Bryozoenflint, der mir wohl bekannt ist.

Nun bin ich mal gespannt.

Jan


thovalo

#3

In der Publikation zum Erdwerk von BÜDELSDORF wird die Produktion von Beilklingen und zwar MENGEN davon aus wohl diesem weissen Feuerstein publiziert. Dort steht auch was zum Bezug des Materials mit drin. Das habe ich allerdings nicht mehr genau im Gedächtnis.

Ist das ggf. DANIEN-Flint?


Vielen Dank fürs Zeigen!

Ich habe hier einen wunderbar erhaltenen und hoch intensiv verwendeten Kratzer aus einem allerdings "crémefarbigen" Silex mit ebenfalls vielen kleinen dunklen Inklusen. Ausgangsstück ist ein resudial umgelagerter Silex. Als Material wurde zunächst auch die von Dir gezeigte nordische Silexvarietät vorgeschlagen. Doch kommt der Materialvergleich nicht identisch hin!

Inzwischen besteht die höhere Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Material aus der Schweiz handelt.


Von hier stammen allerdings zwei abgebaute Beilklingen aus dem von Dir gezeigten Flint.


FO: rechter Niederrhein/NRW. Die Beilklingen konnten daher recht locker entlang der Rheinschiene hierher gelangt sein.




lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Moonk

Hallo, ja solchen Flint gibt es hier auch. Ist sicher nordischer (baldischer) Flint und könnte schon Danien-Flint sein.

Die ersten 4 Bilder sind von 2010.

Die letzten 4 zeigen einen Abschlag aus Dan-Flint.


HG Moonk :smoke:
Das Leben ist wie eine Hühnerleiter man kommt vor lauter ..... nicht weiter. HG Moonk

Steinkopf

@ Thomas:

Vielen Dank für den Hinweis auf Büdelsdorf!

Das ist ja eine sehr interessante Spur. Ich bin dabei, mir das Buch über die 'Steinartefakte der befestigten neolithischen Siedlung von Büdelsdorf'
zu beschaffen.

Gleichzeitig hoffe ich bei einigen Veranstaltungen  Flintexperten  zu treffen, die vielleicht zusätzliche Infos haben.


@ Moonk:

Vielen Dank für diesen Hinweis! Dann hast Du ja in einem benachbarten Bezirk diese Flintvarietät gefunden.
Die ersten vier Bilder zeigen die gleichen Merkmale. Die letzten vier sind ohne die dunklen Sprenkel - sieht mir eher nach feinem patinierten Senon aus.


Generell kann man nach heutigen Stand sagen, dass die Begriffe 'Senon' und 'Danien' Bezeichnungen der Erdgeschichte sind
und  die unterschiedlichen Merkmale, die für das Flintknapping bedeutsam sind, nur sehr grob differenzieren.

Es gibt eine 2007 erschienene Publikation von Anders Högberg und Deborah Olausen, (Scandinavian Flint - an archaeological Perspective)
die eine andere Vorgehensweise wählt. Man hat Merkmale, die für die Bearbeitung entscheidend sind definiert und 
dann mit einem größeren Team im Ostseeraum verschiedene Vorkommen beschrieben.
Dies ist sicher keine abschliessende Arbeit aber ein interessanter Ansatz.

So wird man es mit dem weißen Flint' mit transparenten Bryozoen und dunklen Inklusen wohl auch machen müssen.
Wenn dieses Material aus dem Geschiebe stammt (wonach es aussieht) ist die Frage nach der Herkunft eher nutzlos.
Man könnte aber (ähnlich wie dies auch mit dem Helgoländer gemacht wurde) kartieren, wo Artefakte dieses Materials auftauchen
und aus welchen Epochen diese stammen.

LG

Jan