Die Nackenpartie einer verbrannten Beilklinge der Michelsberger Kultur

Begonnen von thovalo, 28. November 2015, 19:38:57

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thovalo

 
     :-)


Auf einem der MK-Plätze am rechten Flussufer des Niederrheins fand sich heute, trotzt ausgesprochen widriger Verhältnisse, mit nicht abgeregneten Boden, bereits hoch stehender Grünsaat und schrundig greller Sonne, die große Nackenpartie einer vollkommen verbrannten Beilklinge.

Der Platz überliefert seit mehr als einem Jahrzehnt ein reines und umfangreiches MK-Inventar aus Klingengerätschaften, Pfeilspitzen und Beilklingen aus Feuerstein vom Rijckholttyp, sowie Trümmer von Mahlsteinen, Schleifwannen und Schlagsteine.

Charakteristisch für die, meinem Eindruck nach zumindest hier nur sehr selten zu findenden Belege von Feuersteinbeilklingen der MK, ist die spitz zulaufende Nackenbildung in Kombination mit einem ovalen Querschnitt. Der Fundplatz selber hat drei Belege solchen Typs überliefert und ein Exemplar stammt von einer direkt anschließenden Fundfläche. Dort fand sich vor kurzem eine nicht verbrannte Nackenpartie mit diesen typologischen Merkmalen.


Länge des neu aufgelesenen verbrannten Belegs noch 8.7 cm

Der unverbrannte Beilnacken misst noch 7.6 m Länge.


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Bei so blöder Sonne sieht man halt nur die großen Brocken. Schönes Teil! :super: War heut auch unterwegs, die tiefstehende Sonne ist echt mies.... :besorgt:
Gruss...

thovalo



Mich hat das echt frustriert, trotz des positiven Treffers!

Der Fundplatz liegt auf einer glazialen Höhenbildung.
Deren Scheitel wird von der Strasse von Dorf zu Dorf geteilt.

Der Beilklingenbeleg fand sich im östlichen Bereich.

Da liegen in der höher stehenden Grünsaat Massen von Maisstengelstücken und vom letzten Strassenerneuerungsakt blieben Zentner von Schotter zurück die der Landwirt nun genüßlich auf der gesamten Fläche unterzieht. Die Gesteine zermangeln seitdem die Silices die hier oft noch vollständig zutage kamen.

Die Beilklinge war ursprünglich zwar verbrannt, aber auch noch vollständig erhalten.
Da tut die Landwirtschaft ihr Bestes um solche Stücke zu zerlegen!

Wenn dann noch die Sonne donnert dann ist jedes Stückchen Fundgut ein glücklicher Zufall!


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Merle2

Hallo Thomas,

toller Fundbeleg, der den Fängen grubbernd-pflügender PS- Monstren entrissen wurde, schade zu wissen das solch tolle Stücke einst noch komplett erhalten waren. Ich habe lange mit einem Freund gesammelt und im Zuge des Austauschs haben wir immer mal wieder Sammlungen älterer Sammler bestaunen dürfen. Wir konnten dann tragischer Weise klar die Tendenz von ca. 20- 30 Jahren intensiver landwirtschaftl. Tätigkeit beobachten. Die Sammler die schon vor Jahren gesucht hatten, fanden deutlich mehr komplett erhaltene Beile (LBK) die im Mittel auch deutlich größer waren, als die die wir fanden. Große finden sich natürlich leichter, dennoch entstand der Eindruck, die größeren Stücke seien den Maschinen und Pflügen zum Ofer gefallen, da wir weiterhin auch rezent gebrochenen Stücke massiver, großer Beile fanden. Heute würde ich sagen liegt das Mittel in den Sammlungen der jüngeren SAmmler bei der Hälfte der Größe der Altsammler. Traurig aber wahr.
Straßenschotter ist ein Übel für sich, scherzhaft auch Basaltpebbletools genannt, die mitunter schöne Stellen verseuchen... :heul:
Hier in Münster ist Dauerregen und man hat das Gefühl die Äcker saufen ab...
Viele liebe Grüße
Marc

thovalo



An dem Ort hier fanden sich in 13 Jahren auf 80 Hektar Fundfläche verteilt mehr als 3.800 Silices mit Schliff. Darunter befinden sich nur 3 vollständige Beilklingen (eine aus Lousberg- und zwei aus Rijckholtfeuerstein) und vier vollständige Belege von Dechselklingen aus Silices (davon 2 verbrannt).

Dazu finden sich deutlich häufiger Schneiden-, Medial- und Nackenpartien, wie die beiden Oben gezeigte Nackenpartien; sowohl verbrannt wie unverbrannt, abgebaute Kerne aus Silexbeilklingen, Beil- und Dechselklingenabschläge, von denen Gestern auch ein weiterer aus Valkenburgfeuerstein mit dabei gewesen ist und zuletzt auch Gerätschaften mit Schliffpartien die aus Abschlägen von beschliffenen Gerätschaften gefertigt worden sind (Pfeilspitzen, Pfeilschneiden, Kratzer, Bohrer).

Nach heutigen Stand der Beobachtungen, wurde an diesem Ort, wohl insbesondere im Verlauf des 3. Jahrtausends v. Chr., Beilklingenbruch als Rohgesteinressource gesammelt und weiter verwertet. In dieser Zeit waren die Materialbezüge für größerformatige Silices nicht mehr optimal und man verwertete konzentriert weiter, was nicht mehr gebraucht werden konnte.

In sofern sind hier schon aus den fassbaren urgeschichtlichen Gebrauchsmustern heraus Beil- oder Dechselklingen nur selten vollständig erhalten geblieben.


Anders sieht es mit Felsgesteinbeilklingen aus. Die kommen, von modernen "Einschlägen" abgesehen, doch häufiger noch besser erhalten vor. Belege von durchbohrten Gerätschaften sind in der Region insgesamt selten. Auf dem Gelände fanden sich bislang 5 Belege von Axtklingen und eine Geröllkeule.

In sekundären Gebrauch sind die Felsgesteinbeil- und Axtklingen(fragmente) oft noch als Schlagsteine weiter verwendet worden.


Durch die intensive Prospektierung bildet sich für die Flußufersiedlung, zumindest für die Zeit des späten Neolithikums ab Mitte des 4. - 3. Jahrtausend v. Chr., ein kontinuierliches und konsequentes "Recycling" von Beil- und Axtklingen aus Feuer- und Felsgestein ab.


lG Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.