Dechselklinge in Miniatur/Einsatz für einen Stechbeitel aus Feuerstein (4.5cm)

Begonnen von thovalo, 10. April 2010, 21:29:43

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thovalo

 :winke:

Ich weiß, dass Thema klingt sehr ungewöhnlich, doch dieses Fundstück ist es in jeder Hinsicht!

Zur Herstellung dieses Geräteeinsatzes wurde ein Abschlag aus Feuerstein der Varietät "Rijkholt" als Grundform verwendet (Länge 4.5 cm).

Eine der Längskanten wird durch die Schlagfläche gebildet, über die der anschließend intensiv bearbeitete Abschlag vom Kernstein gelöst worden ist. Bis auf die Schlagflächenpartie wurde die Grundform umlaufend intensiv zugerichtet. Die Schneidenpartie ist dorsal retuschiert, die gegenständige Unterseite insbesondere durch ein großes Negativ und im Schneidenumlauf durch schwach ansteigende Facetten geprägt. Eine der randlichen Facetten weist gleichfalls stärkeren Glanz auf.

Der Nacken ist im Bereich der höchsten Wölbung durch den Einsatz und intensiven Gebrauch der kleinen Einsatzklinge in einer Schäftung deutlich poliert worden.

Die retuschierte Fläche der Schneidenpartie weist zudem intensive Gebrauchspolituren auf. Der Fundbeleg wurde vermutlich mit der Schneide quer stehend in der Art eines Dechsels oder in einer längs gestreckten Handhabe in der Art eines "Stechbeitel" geschäftet verwendet.

Hier hat wohl Jemand ein Gerät für seinen individuellen Bedarf improvisert und dafür ihm vertraute Formgewohnheiten in Miniatur umgesetzt.


Um Missverständnisse bei der Betrachtung auszuschließen:
- es handelt sich nicht um den sekundär verwendeten Abschlag einer polierten Beilklinge
- es handelt sich nicht um eine verworfene Pfeilspitzenvorarbeit usw.

Bilder 1 und 2: Fundsituation des Artefakts mit der Ansicht der Unterseite
Bild 3: Aufsicht
Bild 4: Untersicht
Bilder 5 und 6: Ansicht der Schneidenpartie
Bilder 7 und 8: Seitenansichten; 8 Schlagfläche mit erkennbarem Ansatz eines Schlagnegativs
Bilder 9 und 10: Glanzspuren durch intensiven Gebrauch im Bereich der retuschierten Schneidenpartie

Die Details sind aufgrund des kleinen Formats des Fundstücks nicht so klar darzustellen wie es wünschenswert wäre! Sry  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Hallo rolfpeter!

Ich befürchte Du beschäftigst Dich grade intensiver mit nicht so schönen Themen!?  :nono:

Wenn Du den Kopf frei haben solltest und etwas Zeit und Muße:

würde mich sehr für Deine Meinung und Einschätzung zu diesem ungewöhnlichen Stück interessieren, weil wir uns beide intensiver mit Dechselklingen aus Feuerstein beschäftigt haben und beschäftigen. Es ist zunächst schon ungewöhnlich, dass solch eine Miniatur in ihrer Formgebung intensiv durchgearbeitet worden ist. Die glänzend abgebildeten Gebrauchsspuren entstanden durch polierenden "Abrieb" in hoch intensivem Gebrauch (Wohl kaum auf Holz, sondern durch die Bearbeitung von Knochen oder Geweih) und sind keine Anlagerung durch die Bearbeitung kieseläurehaltiger Pflanzen. Ich kann mir z. B. eine Verwendung für das Eintiefen oder das Glätten der Innenwandung von Fassungslöchern für Beilklingen an Geweihzwischenstücke vorstellen  :glotz:


Wie gesagt, wenn Du Luft, Lust und Zeit hast....................


PS: wie war der Prunkbeilklingenvortrag in Köln. Hab´s leider beim besten Willen nicht geschafft teil zu nehmen und J. W. auch nicht mehr rechtzeitig erreichen können!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Der Wikinger


Ich hoffe man darf in diesem Thread auch aus recht fernen Horizonten kommentieren ?  :zwinker:

Bei mir im hohen Norden würde man dieses Gerät als Miniaturkernbeil ansprechen.
Es kann sehr wohl aus einer "Scheibe", einen grossen Abschlag hergestellt worden sein.
Müsste da eher als "Scheibenbeil" / Dechselklinge angesprochen werden, aber hier bezieht sich der Ausdruck mit "kern..." eher auf die Herstellungsweise.

Die relative Assymmetrie des Geräts deutet auf eine Querschäftung hin.

Die Funktion Steckbeitel wird da hinkommen, nur haben wir bei uns keine solche Bezeichnung in Bezug auf Flintgeräten.

Bei uns im Norden kommen auch ab und zu diese sehr kleinen "Kern- / oder Scheibenbeile" wie dieses vor.

:winke:

thovalo

Hallo Wikinger!

Freu mich über Deinen Hinweis und vielen Dank!

Wenn man so in "seinem" vertrauten Millieu "schwimmt", hilft ein klarer Blick von Außen! Es gibt von einem Fundplatz, der auch zu dem Gesamtkomplex gehört, noch eine weitere "Merkwürdigkeit", die ich mit "Blick nach Westen" als "tranchet" bzw. als ein "Scheibenbeil" verstehen würde.

http://www.archeobase.be/trnanchet_tubize_egy.html

Ich denke dass der französische Begriff denselben Artefakttyp bezeichnet der "bei Euch im Norden" als "Scheibenbeil" angesprochen wird. Offensichtlich kann die Schneidenpartie auch durch Negative zugerichtet sein und muss keine grade unbearbeitete schneidende Kante aufweisen.  :glotz:

LG und vielen Dank für die Rückmeldung und Anregung!    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

rolfpeter

Servus Jungs,

für mich sieht das bemerkenswerte Stück wie eine kleine Dechselklinge aus.
Tranchets sind doch eigentlich Scheibenbeile, die dann zum Schluß noch 'nen Schlag von der Seite kriegen, wobei sich die scharfe Schneide bildet - oder?

Tolles Stück, würde auch in meine Fundumgebung passen, habe aber noch nichts gleichartiges gefunden.
Aber was ähnliches, das stammt von einer Konzentration, Siedlungsstelle oder einem Werkplatz am Rand einer sehr großen Fundstreuung mit bemerkenswert vielen großen Rijckholt-Klingen:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,28802.0.html

@ Thomas: bin mental weiterhin arg strapaziert. Hab gerade keinen Bock, große Romane zu verfassen.
Die Prunkbeilklingen waren interessant und amüsant. der JW und der "sachkundige" Teil des Publikums haben nachher noch ein Käffchen getrunken und ein bisserl gefachsimpelt. War gut, hat sich gelohnt!


HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

thovalo

Dank Dir für Dein Lebenszeichen und sorg für Dich!  :zwinker:  Muß grad auch sehr mit mir haushalten!


Fühl mich mit der Definition "Dechselklinge" gut aufgehoben, so ungewöhnlich das kleine Format auch ist! Alle Merkmale passen!

Es gibt aber tatsächlich auch ein Stück das eher als "tranchet" nach dem eingestellen Link anzusprechen ist! Muss nur mal Bilder davon machen und einstellen!


GLG   thomas    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.