Abspliss oder doch mehr ?

Begonnen von archfraser, 11. August 2015, 09:51:40

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archfraser

Hi

Bei diesem kleinen Silex-Stück von gestern bin ich mir nicht ganz sicher.
Eigentlich würde ich es sofort unter "Abspliss" archivieren, wären da nicht diese kleinen Retuschen zu sehen.
Man kann sie aud den Bildern 7 und 8 rechts oben einigermaßen gut erkennen.

archfraser
,,Es mag sein, dass wir durch das Wissen anderer gelehrter werden. Weiser werden wir nur durch uns selbst."

Michel de Montaigne

Nanoflitter

Das Ding würde sich hervorragend als Pfeilspitze in Anlehnung an die Querschneider eignen, entspricht jedoch nicht den eng gesteckten Spezifikationen mir bekannter archäologischer Literatur. Ich glaub, das war den Leuten damals aber relativ wurscht! :-)
Gruss...

thovalo



Ein einfacher Abschlag und nicht mehr  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter


thovalo



Bild 2 Schlagfläche und Bulbus .... oder ? ..... :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Zitat von: Nanoflitter in 11. August 2015, 20:30:32
Wenn dann Trümmer!

Trümmer haben keine Ventralfläche.
Das Teil hat aber eine, oder?  :glotz:

mfg

thovalo

Zitat von: hargo in 12. August 2015, 00:38:11
Trümmer haben keine Ventralfläche.
Das Teil hat aber eine, oder?  :glotz:

mfg


Sehe ich auch so!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Ich seh erst mal keine. Gibt das Bild nicht wirklich her.:glotz:
Gruss..

rolfpeter

Wieso sollen Trümmer keine Ventralflächen haben?

:winke:
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

rolfpeter

Stimmt, habe noch mal nachgelesen, also Kommentar streichen bzw. vergessen...

:winke:
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Furchenhäschen

Hallo,
zum besseren Verständnis,
ein Bildchen aus dem Wikipedea
Ventral- und Dorsalflächen bzw. für den Laien eine Unter- und Oberseite gibt's immer. :zwinker:
bezieht sich allerdings auf Abschlagsmerkmale
Gruß
Peter :winke:

Nanoflitter

#11
Muss ein Abschlag nun alle Merkmale haben oder reichen eins, zwei, drei... wo fängt der Trümmer an? Dieses Problem stellt sich mir immer wieder bei der Dokumentation, auch sogenannte "Klingenbruchstücke" sind so ein Irrläufer. Wenn ich Flint klopfe, entstehen die oft die tollsten vermeintlichen Sachen, die sie aber nie gewesen sind...da gibts Bruchstücke, die sehen aus, als wären sie von einer langen, regelmäßigen Klinge abgebrochen, sind aber nur zufällig sauber gebrochene Teile von den wildesten Formen.
Positive Trennfläche, Hertzscher Kegel und Schlagnarbe = Abschlag? Und wenn die Schlagnarbe fehlt, bei weichem Schlag?
Gruss....

Furchenhäschen

so ganz verstehe ich anscheinend nicht was Du jetzt genau wissen möchtest!?

Die Definition eines Abschlages ist doch im von mir angehängten Bildchen klar und deutlich bildlich dargestellt.
Wenn einer Klinge der Bulbus wegbricht bleibts aber trotzdem eine Klinge, daran ändert sich nichts.
Möchtest Du jetzt Artefakte von Geofakten unterscheiden?

Du hast doch vom Hahn die Artefaktmorphologie, ist zwar etwas in die Jahre gekommen aber immer noch gültig und vom Aufbau besser und übersichtlicher als das Neue Werk.

Den Hahn solltest mal durchackern, dann weißt Bescheid, da wirst Du nicht drum herum kommen.
Ansonsten ist doch hier immer Unterstützung anwesend.
:winke:

StoneMan

Moin,

die meisten Merkmale, die durch Schlag oder Druck auftreten, können sowohl mit Absicht vom Menschen,
als auch durch natürliche Prozesse ähnlich entstehen.

Natürlich erleichtern Merkmale wie Schlagflächenrest, Bulbus und Retuschen die Bestimmung eines
Fundobjektes, man muss jedoch wissen, dass sie nicht zwingend erforderlich für ein Artefakt sind.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

rolfpeter

Das mit den Trümmern ist nicht trivial, und man hat dabei m. E. auch einiges an Freiraum bei der Auslegung.
Prinzipiell hat ja jede Grundform aus Feuerstein o.ä. eine Ventralfläche. Ist die Grundform komplett, macht das die Sache einfach. Die wesentlichen Merkmale wie Schlagflächenrest und Bulbus sind vorhanden, siehe Peters Beitrag weiter oben. Zerbricht die Grundform, wird es kompliziert. Das Proximalbruchstück läßt sich noch eindeutig erkennen, mediale oder distale Bruchstücke aber nicht immer. Natürlich haben auch diese Bruchstücke Ventralflächen, aber die sind nicht immer eindeutig als solche zu erkennen.
Kann man nachvollziehen, wie zB. das mediale Bruchstück eines Abschlages entstanden ist, dann hat es eine Ventralfläche und ist kein Trümmerstück. Kann man den Werdegang nicht erklären, ist es ein Trümmer und hat keine Ventralfläche.
Nachlesen kann man das z.B. hier: AG Steine – Definitionen zum Silexmaterial des Neolithikums in Norddeutschland  http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jna/article/view/94/101 Dort ab Seite 50 geht es um Trümmer.
Ich zitiere:
Inizan et al. (1999, 138) definiert weiter unter dem Ausschlussver-
fahren Trümmer als ,,formlose Fragmente, deren Fraktionierungs-
grad nicht erkennbar ist und keinen Werkzeugformen zugeordnet
werden können". Aus dieser negativen Definition lassen sich lassen
sich folgende eindeutige Merkmale ableiten:
Trümmer haben keine erkennbare Ventralfläche und nur maxi-
mal ein erhaltenes Bulbusnegativ an der, oder den, durch Wallnerli-
nien gekennzeichneten artifiziellen Flächen, bzw. so kleine Negativ-
flächen, dass die Abschläge/Klingen zu klein sind, um daraus Geräte
herstellen zu können, es sich aber auch nicht um Retuschen han-
delt. Schalige Aussprünge von Artefakten sind ebenfalls als artifiziel-
le Trümmer aufzunehmen.

Wobei eine m.E. wichtige, erklärende Stelle auf Seite 34 von Inizan u.a. 1999 nicht zitiert wird:
Debris : applies to any shapeless fragment, when the means by which it was fractured
cannot be identified. A distinction must further be drawn between a debris and a broken
fragment : while in the latter case the original object can be reconstituted, in the former it cannot.

Inizan u.a. 1999: Technology and Terminology of Knapped Stone
Mal nach googeln, ist online, sollte jeder auf der Platte haben.

:winke:
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Nanoflitter

Vielen Dank euch allen, für die doch recht ausführlichen Erklärungen. Um mein Problem zu verdeutlichen, suche ich (bei Zeit) mal im Scherbeneimer vom Flintknapping einige Stücke raus, die definitiv nie das waren, für was sie nun gehalten würden. Wird bestimmt lustig. :-)
Mal ganz einfach, ich hab die angesprochenen "medialen Klingenbruchstücke" z.B. zu Hauf auf meinen Fundplätzen gesammelt, aber solche Fragmente entstehen bei der Flintbearbeitung aus den wunderlichsten zerborstenen Abschlägen, die im ganzen nie die Definition einer Klinge erfüllt hätten. Deswegen kann man doch diesen Bruchstücken vom Acker nicht irgendwas andichten, was sie vielleicht niemals waren. Und so geht's mir mit etlichen Fragmenten, die auch das eine oder andere Regelmerkmal mal nicht aufweisen. Rolfpeter hat es eigentlich angesprochen, "Freiraum..."
Bis später, Gruss...

thovalo



Gerne zeigen!

Wir besprechen hier jedoch zumeist Funde bei deren Entstehung wir NICHT dabei waren!  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Zitat von: thovalo in 13. August 2015, 08:19:16

Gerne zeigen!

Wir besprechen hier jedoch zumeist Funde bei deren Entstehung wir NICHT dabei waren!  :zwinker:

Darum gehts ja! :-)
Gruss...