Auszug aus der Interpellation an den bayerischen Landtag

Begonnen von Zeus, 20. Mai 2002, 02:20:23

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Zeus

hier habe ich mal den für uns wichtigen auszug der "Interpellation an den bayerischen Landtag" im Bezug auf die situation der archäologie in bayern zusammengestellt. die gesamte drucksache ist wesentlich umfangreicher, aber für unsere belange nicht so sehr von Bedeutung. man kann auch "sondengänger oder schatzregal" eingeben, wenn man nicht alles lesen will:
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13.2: Bodendenkmalpflege
Für den Bereich der Bodendenkmalpflege ist eine differen-zierende Betrachtung geboten.
Bei In-Kraft-Treten des Denkmalschutzgesetzes und in den ersten Jahren danach bestand in der Praxis ein staatliches Grabungsmonopol. Unter diesen Voraussetzungen waren die Regelungen, die das Gesetz in seinen Artikeln 7 bis 9 für den Schutz der Bodendenkmäler traf, zur Lösung der damals anstehenden Probleme geeignet und ausreichend. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ist jedoch eine Entwicklung eingetreten, die das Umfeld der im Wesentli-chen unverändert fortgeltenden Schutzvorschriften für Bo-dendenkmäler entscheidend verändert hat. Maßgeblich waren insbesondere drei Faktoren:
─   das Aufkommen neuer Prospektionsmethoden und besonders der Luftbildarchäologie, die die Erkenntnisse über das Vorhandensein von Bodendenkmälern rapide haben ansteigen lassen,
─   die Reduzierung der staatlichen Ressourcen zur archäo-logischen Erkundung der Fundplätze (insbesondere der Rückgang von Mitteln für ABM-Maßnahmen und die infolge der gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse knap-per gewordene Ausstattung mit Grabungsmitteln in den 1990er Jahren) und
─   ein steigender Flächenbedarf bei Baumaßnahmen ins-besondere im Bereich des Siedlungswesens und der Neubaustrecken von ICE-Trassen – die für den Stra-ßenbau beanspruchten Flächen sind dagegen rück-
läufig –.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bewähren sich die Art. 7 bis 9 DSchG seit einigen Jahren nicht mehr im selben Umfang wie früher. Die Staatsregierung ist sich ihrer Verantwortung für den Schutz der Bodendenkmäler auch unter erschwerten Rahmenbedingungen bewusst. Deshalb bildeten Erhebungen zur gegenwärtigen Praxis und Überle-gungen zur Zukunft des Bodendenkmalschutzes einen Schwerpunkt der im Lauf des Jahres 2000 auf Veranlassung der Staatsregierung durchgeführten Untersuchung des Denkmalschutzrechts und der Denkmalschutzverwaltung. Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse wird der-zeit geprüft, inwieweit Änderungen des Denkmalschutzge-setzes für den Bereich der Bodendenkmalpflege zweckmä-ßig sind. Auf die Antworten zur Frage B 7 wird ergänzend hingewiesen.

B. Bodendenkmalpflege

1.   Wie haben sich die Mittel aus dem Staatshaushalt für die Bodendenkmalpflege seit 1990 entwickelt und wel-che Mittel stehen aus dem Staatshaushalt im Jahr 2000 zur Verfügung?
Der Haushaltsansatz für die archäologische Denkmalpflege ist in Kap. 15 74 TG 74 ausgebracht. Dieser Ansatz umfass-te von 1990 bis 1994 jährlich 8 Mio. DM. 1995 ist er auf 7 Mio. DM zurückgegangen. Zur Finanzierung von Notgra-bungen auf der ICE-Trasse Nürnberg – Ingolstadt wurde er 1999 und 2000 auf jeweils 7,4 Mio. DM angehoben.
Bei der Würdigung der Haushaltsdaten ist zu berücksichti-gen, dass von den bei Kap. 15 74 TG 74 bereitgestellten Mitteln jeweils ein erheblicher Teil für Personalkosten aufzuwenden ist, die auf 55 Angehörige der Abteilung Bodendenkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege entfallen (Mitarbeiter auf so genannten ,,Titelgruppenstel-len"). Dieser Personalkostenanteil hat beispielweise in den Jahren 1999 und 2000 jeweils rd. 4,6 Mio. DM betragen. Nur die darüber hinausgehenden Mittel standen für Ge-schäftsbedarf, Dienstreisen und schließlich für das tatsäch-liche ,,operative Geschäft" zur Verfügung. Da der Haus-haltsansatz bei Kap. 15 74 TG 74 in den meisten Jahren nicht ausreichte, um alle erforderlichen Ausgaben zu täti-gen, wurde er im Rahmen der einseitigen Deckungsfähig-keit regelmäßig zu Lasten der TG 75 (Mittel für Bau- und Kunstdenkmalpflege) verstärkt (vgl. hierzu die Übersicht zur Entwicklung der TG 75 bei der Antwort auf die Frage A 1).
Weitere Einzelheiten sind der nachstehenden Übersicht zu entnehmen:

Haushaltsmittelentwicklung bei Kap. 15 74 TG 74 seit 1990
Haushaltsjahr   Haushaltsansatzin Mio. DM   Ausgabenin Mio. DM
1990   8,00   6,74
1991   8,00   7,85
1992   8,00   8,28
1993   8,00   8,23
1994   8,00   8,49
1995   7,00   8,05
1996   7,00   8,66
1997   7,00   7,86
1998   7,00   8,69
1999   7,40   7,70
2000   7,40   7,16

2.   Welche sonstigen Finanzquellen stehen für die staatli-che Bodendenkmalpflege zur Verfügung?
Zusätzlich zu den Haushaltsmitteln in Höhe von 7,4 Mio. DM standen im vergangenen Jahr für Ausgrabungen weite-re 7,68 Mio. DM zur Verfügung, die von folgenden Geld-gebern stammten (Angaben in TDM):

  Grabungs,,verursacher"   (insbesondere Bauherren)   5.165,0
  Bundesanstalt für Arbeit   (ABM, SAM/Strukturanpassungsmaßnahme)   2.215,6
  Bezirke und andere Zuschussgeber   300,0

In Einzelfällen beteiligt sich auch die Städtebauförderung an den Kosten der Bodendenkmalpflege. Eine solche Kos-tenbeteiligung kommt insbesondere dann ausnahmsweise in Betracht, wenn
─   die Kosten durch Sanierungsmaßnahmen unmittelbar veranlasst werden (z.B. beim Bau von Tiefgaragen und bei Platzumgestaltungen),
─   die staatliche Bodendenkmalpflege die erforderlichen Grabungen und Sicherungsmaßnahmen nicht selbst mit eigenen Mitteln durchführen kann und
─   die Sanierungsmaßnahmen ohne eine solche Kostenbe-teiligung nicht zeitgerecht durchgeführt werden kön-nen.
Nicht abschließend geklärt ist die Finanzierung von Maß-nahmen der Bodendenkmalpflege im Zusammenhang mit Straßenbaumaßnahmen. Entsprechend dem DSchG geht die Straßenbauverwaltung davon aus, dass die Freilegung, Sicherung und Bergung von Bodendenkmälern nach derzei-tiger Rechtslage keine Aufgabe der Straßenbaulastträger ist. Andererseits reichen die in Kap. 15 74 TG 74 veranschlag-ten Mittel für eine ordnungsgemäße Sicherung von Boden-denkmälern bzw. eine zeitgerechte Durchführung der erfor-derlichen Grabungsarbeiten vielfach nicht aus. Das für den Bau von Bundesfernstraßen zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen akzeptiert daher seit einiger Zeit unter strengen Voraussetzungen – aller-dings ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Vorbehalt der Rückforderung – eine Vorfinanzierung not-wendiger Grabungskosten aus Straßenbaumitteln des Bun-des, um einerseits notwendige Straßenbaumaßnahmen nicht unnötig zu verzögern und andererseits die Vernichtung landeswichtiger Bodendenkmäler zu vermeiden. Das Baye-rische Staatsministerium des Innern hat diese Handhabung für den Bereich der Staatsstraßen übernommen.
3.   Welche Summen wurden aus dem Staatshaushalt für die Bodendenkmalpflege im Jahr 1999 tatsächlich auf-gewendet?
Aus dem Einzelplan 15 wurden 1999 ca. 12,3 Mio. DM für die Bodendenkmalpflege aufgewendet. Hiervon entfielen etwa 4,6 Mio. DM auf die Personalkosten der auf Planstel-len geführten Angehörigen der Abteilung Bodendenkmal-pflege im Landesamt für Denkmalpflege.
Die Aufwendungen der Städtebauförderung für boden-denkmalpflegerische Maßnahmen lassen sich statistisch nicht erfassen.
Die Straßenbaubehörden haben im Zusammenhang mit dem Bau von Staatsstraßen aus Mitteln des Freistaats Bayern in den Jahren 1995 bis 1999 insgesamt ca. 1,3 Mio. DM in die Freilegung, Sicherung und Bergung von Bodendenkmälern investiert. Weitere 2,8 Mio. DM wurden beim Bau von Bundesfernstraßen eingesetzt, die aus Bundesmitteln finan-ziert wurden.
4.   Wie viele Mitarbeiter wurden in der letzten Ausgra-bungssaison (Sommer 1999) durch das Landesamt für Denkmalpflege für die Bodendenkmalpflege beschäftigt und welche Bundesmittel (ABM) konnten hierfür einge-setzt werden?
Im Jahr 1999 sind beim Landesamt für Denkmalpflege 126 ABM- und 8 SAM-Kräfte, 16 Sozialhilfeempfänger sowie 48 studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte befristet angestellt gewesen. Die ABM- und SAM-Förderung betrug, wie in der Antwort auf die Frage B 2 bereits ausgeführt wurde, DM 2.215.600,--.
Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass das Landesamt nur einen Teil des auf Grabungen eingesetzten Personals selbst beschäftigt hat. Hauptarbeitgeber waren die Gemeinden.
5.   Welche Rolle spielen private Grabungsfirmen bzw. staatliche Grabungskräfte in der Praxis der Boden-denkmalpflege? Welcher Personalaufwand wird von kommunaler Seite und privaten Grabungsfirmen schät-zungsweise geleistet?
5.1: Zur Bedeutung privater Grabungsunternehmen
Einschließlich der Ein-Mann-Betriebe sind in Bayern ge-genwärtig 23 private Grabungsunternehmen tätig, an deren Spitze Archäologen mit universitärem Abschluss stehen. Der Personalstand der Firmen kann nur für die vier größten Unternehmen benannt werden, die im Jahr 1999 nach eige-nen Angaben 15 Wissenschaftler, 12 Techniker, 7 Büroan-gestellte, 11 Arbeiter, 12 Aushilfen, 6 Teilzeitkräfte und 5 Freiberufler beschäftigt haben.
Wie viele Grabungen die privaten Grabungsunternehmen und das Landesamt für Denkmalpflege im Jahr 1999 je-weils durchgeführt haben, lässt sich der folgenden Über-sicht entnehmen, die nach Grabungen des Landesamtes, solchen der privaten Unternehmen und gemeinsamen Gra-bungen unterscheidet:

Regierungs-bezirk   Grabungen des LfD   Grabungen der privaten Unternehmen   gemeinsame Grabungen
Oberbayern   14   28   3
Niederbayern   10   1   -
Oberpfalz   10   7   14
Oberfranken   10   14   -
Mittelfranken   6   3   2
Unterfranken   2   2   4
Schwaben   7   3   -
insgesamt   59   58   23

Aus der Übersicht geht hervor, dass das Landesamt für Denkmalpflege und die privaten Grabungsunternehmen im Jahr 1999 etwa gleich viele Ausgrabungen durchführten. In der Aufstellung wurde allerdings nicht nach Großgrabun-gen oder nur wenige Tage dauernden Rettungsbergungen unterschieden. Insofern haben die in die Statistik einbezo-genen Untersuchungen aus fachlicher Sicht nicht das glei-che Gewicht.
5.2: Zur Bedeutung der kommunalen Archäologieeinrich-tungen
Derzeit beschäftigen zwölf bayerische Gemeinden oder Gemeindeverbände hauptamtliche Archäologen. Insgesamt waren im Jahr 1999 14 Archäologen mit universitärem Abschluss, 6 Grabungstechniker, 8 fest angestellte Gra-bungsarbeiter, 3 Restauratoren, 1 Zeichner und 3 Schreib-kräfte in den kommunalen Archäologieeinrichtungen tätig. Außerdem wurden dort im Jahr 1999 insgesamt 65 ABM-Kräfte beschäftigt.
6.   Wie hat sich das Fundaufkommen in der Bodendenk-malpflege seit 1990 entwickelt und welche Folgen er-geben sich daraus für die Praxis?
Insgesamt ist das Fundaufkommen im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts bayernweit stark angestiegen. Besonders die großen Schienenverkehrsprojekte ,,Deutsche Einheit" haben in bestimmten Regionen Bayerns für überdurch-schnittliche Fundzuwächse gesorgt. Der Fundanfall hat im genannten Zeitraum aber auch deshalb zugenommen, weil seit 1992/93 nicht nur das Landesamt für Denkmalpflege und kommunale Archäologen, sondern auch private Firmen Ausgrabungen durchführen.
Der hohe Anfall an Funden konnte bislang nicht durchwegs mit der aus fachlicher Sicht wünschenswerten Intensität aufgearbeitet werden. Insbesondere konnte das mit der Restaurierung von Bodendenkmälern befasste Personal schon im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage nicht so stark ausgeweitet werden, dass alle Grabungsfunde in absehbarer Zeit bearbeitet werden können. Teilweise sind auch die Aufnahmekapazitäten der Funddepots erschöpft.
Das Landesamt für Denkmalpflege arbeitet an einer Lösung dieses Problems. Als einer der ersten Schritte ist vorgese-hen, im Westflügel der Ingolstädter ,,Wunderlkasematte", in der auch das Grabungsbüro Ingolstadt des Landesamts untergebracht ist, ein neues Magazin für Funde insbesonde-re aus Oberbayern und Mittelfranken einzurichten. Inwie-weit darüber hinaus auch die Notwendigkeit besteht, struk-turelle Veränderungen vorzunehmen, wird derzeit geprüft.
7.   Ist die Staatsregierung der Meinung, dass die Rechts-grundlagen hinsichtlich der Bodendenkmalpflege ver-ändert werden sollten, beispielsweise durch Einführung des Verursacherprinzips, wonach Zahlungspflicht für denjenigen festgelegt wird, der ein Grundstück nut-zungsreif gemacht haben möchte? Welche Vor- und Nachteile hätte die Einführung eines ,,Schatzregals" (wonach archäologische Denkmäler unterhalb der sog. Pflugtiefe dem Staat gehören, wenn öffentliches Inte-resse vorliegt)?
 
7.1: ,,Verursacherprinzip"
Der Begriff ,,Verursacherprinzip" oder ,,Veranlasserprin-zip" wird in der aktuellen Diskussion um die Rechtsgrund-lagen der Bodendenkmalpflege oft verwendet. Im Recht des Denkmalschutzes ist er aber als Rechtsbegriff nicht einge-führt. Man versteht darunter eine Regelung, die vorsieht, dass derjenige, der durch sein Bau- oder Erschließungsvor-haben Maßnahmen der Bodendenkmalpflege erforderlich macht (,,Verursacher"), die Kosten dieser Maßnahmen ganz oder teilweise zu tragen hat.
Das bayerische Denkmalschutzgesetz enthält keine Rege-lung, nach der der ,,Verursacher" eines Eingriffs in ein Bodendenkmal verpflichtet wäre, die Kosten der fachge-rechten Bergung und Dokumentation eines Bodendenkmals zu tragen. Das Verwaltungsverfahrensrecht gibt über die Auflagenvorschrift des Art. 36 BayVwVfG allerdings in Ausnahmefällen eine Grundlage, dem Antragsteller einer Grabungserlaubnis Bergungskosten aufzuerlegen. Das so-genannte ,,Verursacherprinzip" hat per se keine Rechtsgel-tung. Dass die Frage der Kostentragung im Gesetz nicht geregelt ist, wirkt sich für die Arbeit der Denkmalbehörden und insbesondere des Landesamtes für Denkmalpflege nachteilig aus, denn die personellen und sächlichen Mittel, die dem Landesamt für Grabungen zur Verfügung stehen, reichen seit vielen Jahren nicht mehr aus, um alle aus fach-licher Sicht erforderlichen Not- und Rettungsgrabungen in Bayern durchzuführen oder zu finanzieren.
Die Einführung eines ,,Verursacherprinzips" wäre aus denkmalfachlicher Sicht vor allem deshalb wünschenswert, weil hierdurch die Finanzierung der Not- und Rettungsgra-bungen auf eine breitere und verlässlichere Grundlage ge-stellt werden könnte. Sie würde aber an anderer Stelle er-hebliche Probleme aufwerfen, von denen hier nur einige genannt seien:
─   Vielfach lässt sich die Frage nach dem ,,Verursacher" nicht zweifelsfrei beantworten.
─   Ein ,,Verursacherprinzip" für den Bereich der Boden-denkmalpflege führt zu erheblichen Mehrbelastungen der Investoren.
─   Ein ,,Verursacherprinzip" würde auch Gemeinden tref-fen, die neue Bau- oder Gewerbegebiete ausweisen
oder erschließen wollen. Bei manchen Gemeinden fin-den die Belange der Bodendenkmalpflege indessen keine große Akzeptanz. Solche Gemeinden wenden sich gegen eine kommunale Kostenbeteiligung für Maßnahmen, die sie – wie die Bodendenkmalpflege – dem staatlichen Bereich zuordnen.
─   Aus der Sicht der Straßenbaulastträger – Bund, Frei-staat Bayern und Gebietskörperschaften – wird die Verankerung eines ,,Verursacherprinzips" für Ber-gungskosten im Denkmalschutzgesetz gleichfalls abge-lehnt. Sie hätte eine Umschichtung von Haushaltsmit-teln zu Lasten des Bundeshaushalts bei Bundesfern-straßen sowie zu Lasten des Staatsstraßenhaushalts bei Staatsstraßen zur Folge. Darüber hinaus würden im kommunalen Straßenbau zusätzliche Fördermittel hier-für gebunden. Eine solche Inanspruchnahme von Stra-ßenbau- bzw. Fördermitteln des Bundes und des Frei-staates Bayern wird im Hinblick auf die schon jetzt für die bestehenden Baulastaufgaben weitgehend fehlenden Haushaltsmittel abgelehnt. Da bei den Straßenbaube-hörden archäologisches Fachpersonal nicht vorhanden ist, wäre auch in größerem Umfang die Einschaltung privater Grabungsfirmen erforderlich, was für den Straßenbau zu erheblichen Mehrkosten führen würde.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass bereits jetzt mittelbar von den ,,Verursachern" zur Entlastung der Denkmalpflege Kosten in beschränktem Umfang über-nommen werden, indem die Maßnahmeträger Bauleis-tungen zur Vorbereitung archäologischer Grabungen erbringen, z.B. Bereitstellung von technischem Gerät und dem hierzu erforderlichen Bedienungspersonal zum Humusabtrag, sowie Mehrkosten durch verzöger-ten Bauablauf in Folge von Grabungen tragen.
─   Auch für den Bereich der Schieneninfrastruktur wird die Anwendung des Verursacherprinzips abgelehnt. Be-reits jetzt werden Verkehrsprojekte in erheblichem Um-fang mit zusätzlichen Kosten belastet. Die Verpflich-tung der Baulastträger zur Übernahme der Bergungs-kosten würde das ohnehin zu knappe Mittelvolumen für wichtige Vorhaben noch weiter beschneiden, so dass verkehrlich wichtige Projekte unterbleiben müssten.
Den Vorteilen, die für die staatliche Bodendenkmalpflege mit der Einführung eines ,,Verursacherprinzips" verbunden wären, stünden somit in anderen Bereichen erhebliche Nachteile gegenüber. In der kürzlich durchgeführten Unter-suchung des Denkmalschutzrechts und der Denkmalschutz-verwaltung hat die Frage, inwieweit die Einführung einer Kostentragungspflicht der ,,Verursacher" von Not- und Rettungsgrabungen zweckmäßig ist, einen Schwerpunkt gebildet; auch der Abschlussbericht zu dieser Untersuchung nennt neben den Vorteilen des ,,Verursacherprinzips" für die staatliche Denkmalpflege die mit ihm an anderer Stelle einhergehenden Probleme. Der Abschlussbericht wird der-zeit ausgewertet. Die Staatsregierung wird sich bei allen Überlegungen zur Frage eines ,,Verursacherprinzips" von ihrer Verpflichtung auf das Kulturstaatsprinzip, aber auch von ihrer Verantwortung für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht leiten lassen. In jedem Fall müssen unzu-mutbare Beeinträchtigungen der Einzelnen ebenso ausge-schlossen bleiben wie Mehrbelastungen der öffentlichen Haushalte, die nicht verkraftbar sind.
7.2: ,,Schatzregal"
Die Staatsregierung hat die Einführung eines Schatzregals in Bayern bislang nicht für zweckmäßig erachtet. Dabei hat sie aber auch darauf verwiesen, dass die Situation innerhalb Deutschlands einer ständigen Beobachtung bedürfe und die Bereitschaft bestehe, aus gegebenem Anlass die für und gegen ein Schatzregal sprechenden Gründe erneut kritisch abzuwägen. Auf die Beantwortung einer Schriftlichen An-frage des Herrn Abgeordneten Starzmann, die sich auch auf das Schatzregal bezog, darf Bezug genommen werden (Antwort des Staatsministeriums für Wissenschaft, For-schung und Kunst vom 26.08.1999, Drs. 14/1682, dort zu Nr. 4).
In grundsätzlicher Hinsicht stellen Schatzregale eine vom Bundesverfassungsgericht rechtlich als zulässig angesehene Möglichkeit dar, abweichend vom Fundrecht des Bürgerli-chen Gesetzbuchs (gemäß § 984 BGB hälftiges Miteigen-tum von Finder und Grundeigentümer) durch Landesrecht vorzusehen, dass der Staat in bestimmten, gesetzlich im Einzelnen normierten Fällen automatisch und allein Eigen-tümer aufgefundener Bodendenkmäler wird, ohne dass dem Grundeigentümer, dem Entdecker oder dem Finanzier einer Grabung ein Entschädigungsanspruch zustünde.
In der Praxis unterscheidet man zwischen zwei Grundtypen von Schatzregalen, nämlich
─   den so genannten ,,großen" oder uneingeschränkten Schatzregalen. Sie sichern dem Staat das Eigentum an allen archäologischen Funden, ohne dass hierfür weite-re Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Schatzregale dieser Art gibt es in Sachsen und Berlin;
─   den so genannten ,,kleinen" oder eingeschränkten Schatzregalen. Diese Fallgruppe weist in ihrer jeweili-gen landesrechtlichen Ausgestaltung eine Bandbreite von Konstellationen auf (z.B. nur Funde aus staatlichen Grabungen, nur Funde von besonderem wissenschaftli-chen Interesse u.a.). ,,Kleine" Schatzregale gibt es in al-len anderen Ländern mit Ausnahme der Länder Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen, die bislang kein Schatzregal eingeführt haben.
Die Diskussion um eine mögliche Einführung von Schatz-regalen wurde bislang primär unter dem Gesichtspunkt einer Eindämmung des Sondengängerunwesens geführt. Man erhoffte sich, illegale Sondengänger durch eine stärke-re Kriminalisierung ihres Tuns von Raubgrabungen abzu-halten. Da zumindest in Ländern mit ,,großen" Schatzrega-len der Staat ausschließlicher Eigentümer aller denkmal-pflegerisch bedeutsamen Funde wird, begehen Raubgräber, die Funde für sich selbst behalten oder im Handel absetzen, nicht nur eine Ordnungswidrigkeit nach dem Denkmal-schutzgesetz, sondern machen sich in jedem Fall wegen Fundunterschlagung hinsichtlich des staatlichen Eigentums auch strafbar nach dem Strafgesetzbuch. Selbst die Befür-worter von Schatzregalen räumen aber mittlerweile ein, dass diese kein Allheilmittel gegen Raubgräber darstellen und auf den ,,harten Kern" der Sondengänger keine wirk-lich abschreckende Wirkung haben. Vielmehr dürften Fun-de aus illegalen Grabungen in Schatzregalländern sogar noch in erheblich stärkerem Maße verheimlicht und damit jeder wissenschaftlichen Auswertung entzogen werden als Funde aus Ländern ohne Schatzregale.
Vergleicht man die Sachlage zwischen Schatzregalländern und den anderen Ländern, so ergeben sich in Bezug auf Funde aus Raubgrabungen kaum Unterschiede – die Chan-ce einer Nutzbarmachung für die Wissenschaft ist insoweit hier wie dort gering. Man rechnet in Fachkreisen damit, dass rd. 90 % der Funde aus illegalen Grabungen von Son-dengängern für die Wissenschaft dadurch verloren gehen, dass sie teils ohne zutreffende Herkunftsangabe verkauft, teils eingeschmolzen und teils privaten Sammlungen zuge-führt werden.
Interessanterweise halten sich auch bei echten Zufallsfun-den die Unterschiede in engen Grenzen. Hier wie dort hat die öffentliche Hand nur dann gute Chancen, in den Besitz interessanter Fundobjekte zu kommen, wenn sie hierfür auch einen ausreichenden wirtschaftlichen Anreiz bietet. Ob dies nun in Schatzregelländern eine angemessene Ablie-ferungsprämie ist oder in den anderen Ländern eine ange-messene Ablösungssumme, die im Einzelfall auch deutlich unter dem Marktpreis liegen kann, spielt in der Praxis nicht die entscheidende Rolle.
Unterschiede werden indessen erkennbar bei genehmigten Rettungsgrabungen. Legale Ausgrabungen werden ständig überwacht und gleichsam vor den Augen der Öffentlichkeit durchgeführt; hier gibt es kaum Möglichkeiten der Ver-heimlichung, wenn interessante Objekte zu Tage gefördert werden. In Schatzregalländern muss der Finder Funde aus derartigen Grabungen auch dann an den Staat abliefern, wenn er vom Staat zur Durchführung und Finanzierung der Grabung angehalten worden ist. Die Zahlung einer Prämie als Ablieferungsanreiz erscheint hier haushaltsrechtlich problematisch, da der Finder auch ohne Prämienzahlung nicht umhin könnte, die Funde abzuliefern. In den anderen Ländern können die Investoren oder Kommunen, von de-nen man die Finanzierung der Grabungen verlangt hat, aufgrund ihres Eigentumserwerbs dagegen über die aufge-fundenen Gegenstände disponieren. Im Falle interessanter Funde verbleibt ihnen somit ein ideeller oder auch materiel-ler Gegenwert für die von ihnen getätigten Ausgaben.
Zweifellos wäre es für die staatliche Denkmalpflege oder für staatliche Sammlungen reizvoll, aufgrund eines Schatz-regals auch bei Grabungen, zu denen der Staat keinen Fi-nanzierungsbeitrag geleistet hat, Funde immer dann ent-schädigungslos herausverlangen zu können, wenn sie für öffentliche Zwecke von Interesse sind. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass die staatliche Denkmalpflege aufgrund ihrer Mittelknappheit auf die freiwillige Koopera-tion und die finanzielle Unterstützung von dritter Seite, insbesondere auch von kommunaler Seite, angewiesen ist, um dringend erforderliche Rettungsgrabungen durchführen zu können. Gerade die Kommunen sind aber oft in vorbild-licher Weise bereit, Grabungen mitzufinanzieren oder selbst zu finanzieren. Ein Motiv für diese Bereitschaft ist sicher die Erwartung, dass bedeutsame Ergebnisse derartiger Gra-bungen dann auch, soweit dies aus konservatorischen Gründen vertretbar erscheint, vor Ort präsentiert werden können. Nimmt man den Kommunen diesen Anreiz, läuft man zwangsläufig Gefahr, die Bereitschaft nichtstaatlicher Träger zur Kooperation im Bereich der Denkmalpflege zu überspannen.
Mit der Einführung eines Schatzregals in Bayern wären mithin nicht nur Vorteile verbunden; vielmehr ist auch auf mögliche Nachteile hinzuweisen. Fast alle Länder der Bun-desrepublik Deutschland haben sich indessen trotz solcher Nachteile für das Schatzregal entschieden. Die Staatsregie-rung wird bei ihrer Entscheidung über die Frage, ob sie dem Bayerischen Landtag zu gegebener Zeit die Einführung eines Schatzregals in Bayern vorschlagen soll, auch diesen Gesichtspunkt berücksichtigen.

Thorsten

Hallo Zeus,

ein sehr interessanter Text. Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast ihn hier einzustellen.
Wer ist Autor und Adressat dieses Textes? Von BLFD (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege) an die bayerische Regierung?

Gruß Thorsten

Zeus

editiert wurde er von einem vom bayerischen landtag eingesetzten gremium von fachleuten, auf die eingabe eines heimatvereines, glaube von rosenheim. wie du siehst haben es die herren schon erfasst um was es geht. passieren wird also nicht recht viel. die einführung eines schatzregals wäre viel zu langwierig und auch zu kostspielig denke ich.

Thorsten