Trümmerstück einer "prunkvollen" Beilklinge aus ??????????

Begonnen von thovalo, 26. April 2010, 15:46:48

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

thovalo

Der hier eingestellte Fundbeleg ist das Trümmerstück einer im Querschnitt ovalen Beilklinge
(4.-3. Jht. v. Chr. / Maße: Breite noch 4.3 cm; Durchmesser 2 cm)


Der Begriff "Prunkbeilklinge" wird für Artefakte aus Jadeitit, Eklogit und Omphacit verwendet.
Bei der Fundaufnahe dieses Sonderfundes wurde daher abweichend der Begriff "prunkvolle" Beilklinge gebraucht.

Das Fundstück stammt aus dem Rheinland (rechter Niederrhein) und ist offenbar erst vor kurzer Zeit in die Kreiselegge geraten.

In vollständiger Erhaltung muss diese Beilklinge einen enorm "prunkvollen" Eindruck gemacht haben und möglicherweise spielte die "blutrote" Färbung bei diesem Stück eine besondere Rolle. So verwendeten die Menschen der Zeit insbesondere auch puvlerisierten Rötel im Totenkult.

Dafür, das es sich ggf. um ein Prestigeobjekt gehandelt hat spricht die Lage des Fundpunktes am Rand des Altarms eines Flusses und die spiegelnd glatt glänzend, hochfein polierte Oberfläche, wie sie sonst im Rheinland nur an den "Prunkbeilklingen" aus grünfarbigen Mineralgesteinen der Alpenregion bekannt ist.

Von einer "Prunkbeilklinge" aus Jadeitit (naturwissenschaftlich ermittelte Herkunft: Monte Beigua nahe Genua; Ligurien/Italien) liegt aus dem Fundkomplex gleichfalls ein Belegstück mit polierter Oberfläche vor.


Das Gestein konnte bislang nicht näher angesprochen werden. Es erscheint zwar in manchen Aspekten dem Quarzit angenähert, doch liegen vom Fundareal auch verschiedene Beilklingenbelege aus feinkristallinem Quarzit vor, die nicht annähernd vergleichbar fein glänzend überarbeitet sind, obwohl auch an ihnen die gesamte Oberfläche intensiv überschliffen worden ist.

Auch die intensiven rötlichen Einfärbungen haben sich bislang an keinem Quarzit in vergleichbarer Intensität gefunden! Es kann sich durchaus um importiertes Gestein handeln, bzw. um eine importierte Beilklinge, vielleicht aus derselben Richtung wie die Prunkbeilklingen aus grünen alpinen Mineralgesteinen!?

Ich könnte mir vorstellen, dass es sich ggf. um eine Varietät des Chalcedon/Achat handeln könnte!?


Über Anregungen und Hinweise würde ich mich herzlich freuen!    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#1
Noch drei weitere Bilder!  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RonnyNisz

Zu dem Gestein wird sicher meister McSchürf mehr sagen können, generell ist aber zu sagen, das solche glatten Flächen auch natürlichen Ursprungs sein können (Kristallflächen etc.). Ich will den Fund nicht schlechtreden, aber ich würde auch ein rezentes Bruchstück eines modernen Steingegenstandes nicht ausschliessen, gerade bei der frischen Bruchfläche. Mir ist da einfach zu wenig "geschliffene" Fläche zu sehen um auf ein Beilbruchstück zu schliessen.

Ronny
Jeder Steinbruch ist meine Heimat

Mark77

Material: Radiolarit
Herkunft: Alpin, Molasse

:winke:, Markus

thovalo

#4
Mann! MARK 77    

Du schießt ja schneller als John Wayne (!)  :zwinker:
(O.k. der hat ja eigentlich "ausgeschossen"!)


Ich bin da ziemlich verblüfft und überrascht, dass Du das so schnell klar hast!
Ist das wirklich so eindeutig zu erkennen?

Ich hab mich hier ewig durch Quarzitvarietäten, Achate und Chalcedone gesucht und nichts gefunden, das dem Bild des Materials näher entsprochen hätte!  :kopfkratz:

:winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#5
@ ronny

Ja, die Frage neu/alt ist auch intensiv besprochen und nachgehalten worden. Den Gedanken hatte ich auch sofort.

Doch nach Befund des LVR blieb es bei der Ansprache als Fragment einer intensiv polierten Beilklinge mit ovalem Querschnitt. An einer Stelle ist der Übergang zur überarbeiteten Schmalseite erhalten, sodaß der Umlauf gut nachvollziehbar ist.  :glotz:

Noch ein vertikales Bild des Querschnitts (Bild 1)

und zwei der zulaufenden Schliffpartien (Bilder 2-3)


Leider erzeugt eine Kreiselegge auch bei alten Fundbelegen (leider) absolut frische Bruchstellen. Das wäre dann der traurige Aspekt an diesem Stück!  :heul:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Mark77

Ich kann morgen mal Vergleichsphotos aus unserem Institut machen.. wir sind eh am Überlegen ob wir unsere Rohmaterialsammlung nicht auch auf meiner Seite ins Netz stellen sollen! :kopfkratz: :winke:

Ansonsten zu meinen Überlegungen zu diesem Stück: Naja.. hmm.. Achat.. nee.. Jaspis.. nee.. hmm.. vielleicht Radiolarit.. hmm.. könnte auch Heliotrop sein (Anmerkung dazu: rot-grüne Variante von Jaspis).. aber die Bilder.. hmm.. sieht aus wie unser Vergleichsmaterial in der Sammlung im Institut.. okay Radiolarit!! :super: :irre: :narr:

KRass das so weit im Norden zu finden!! :staun: :super:

thovalo

Mann,

auf die Bilder bin ich  s e h r  gespannt und "so weit im Norden" deutet in Bezug auf das Vorkommen ja dann wohl auf "Deine" Himmelsrichtung SÜDEN hin!

Den Faden kann man dann ja weiter spinnen!!!!!

Wie geschrieben fand sich, sogar nur wenige hundert Meter weiter, der Nachweis eines Jadeititbeils ("Prunkbeilklinge" des Typs "Puy") aus Gestein das aus der Nähe von Genua stammt.

An so einem Ort wäre ein weiterer Import aus dem Süden ja nicht unbedingt ganz auszuschließen!

Merci für Deine Mühe!

thomas   :winke: :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

a.k.a. rentner

Meine erste Assoziation war dieselbe wie Mark's.
Bei näherem Betrachten fand ich die Maserung und die Bruchstellen nicht mehr so überzeugend.
Meiner geringen Kenntnis zufolge, entstehen bei Brüchen/Abschlägen an alpinem Radiolarit nicht jene kleinen transparenten Splitterungen........
Aber keine Ahnung.
M.

rolfpeter

Servus,

auf Radiolarit wäre ich jetzt nicht gekommen. Ist bei dem nicht der Bruch eher muschelig?

Mir kommt das Gestein eher vor, als hätte es eine Hochdruckmetamorphose durchlitten.

Eklogit?
Das hätte dann eine relativ hohe Dichte: 3,3 g/cm³ oder höher. Radiolarit hat eine Dichte um 2,5 g/cm³.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Mark77

Eklogit würde von der Farbkombination Grün-Rot passen, nur ist hier die Farbe m.W. ansich heller und breiter, v.a. das Grün.
Ich werde erst die Tage dazu kommen die Bilder zu machen, heute weiß ichs noch nicht. Sorry :winke:

thovalo

#11
 :winke:

Ein "Grünstich" ist in der Färbung nicht enthalten. Die Farben sind in den Fotos sehr gut getroffen: im wesentlichen rötlich bis in Schlieren "blutrot". Die kräftigste Stufe der rötlichen Färbung liegt schlierig geädert in der Masse.

Ich habe mich Gestern durch das Thema Radiolarit geklickt und fand eine erstaunlich breite Vielfalt auch der rötlichen Varietät. Eine entsprechende Struktur scheint jedoch sehr selten zu sein. Eher ist das Material opak.

Die feinere Bruchstruktur und auch die Art der Einfärbung hätte gut zu einem Quarzit gepasst, doch ist Quarzit, zumindest hier, nicht so vergleichbar stark dem Silex, Chalcedon, Achat angenähert, dem das Stück in Bezug auf die polierten Flächen so sehr ähnelt.

rolfpeter hat doch den kleine Zipfel von einem Beilnacken aus wahrscheinlich Jadetiti der gleichfalls so deutlich "zuckerkristallin" und im Bruch "schuppig" gewirkt hat. Ich weiss, das alpiner Jadeitit auch andersfarbig als grün sein kann: gelblich, weißlich.... aber rötlich????   :kopfkratz:

Wenn MARK es schaffen sollte sich die Materialstücke im Institut in Ruhe anzusehen wäre das, ob positiv oder negativ im Befund, auf jeden Fall ein hilfreiches Ergebnis in Richtung Ansprache oder Ausschluss!

:-)

Halt ich das Original neben eine Abbildung von Radiolarit in flintnet source entspricht allerdings, rein optisch gefaß, Alles Allem! Doch müssten nicht bei dem hier besprochenen Fundbeleg auch "Radiolarien" als fossile Einschlüsse erkennbar sein!?

aus http://www.flintsource.net/nav/frm_mapradio.html

In der oberen Reihe mittleren Kasten anklicken: Wien-Antonshöhe (roten Punkt bei WIEN anklicken) Abbildung auf der Seite ganz unten links. Bei "click here" vergrößern
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Mark77


Mark77

Sodelle.. habe mal etwas geschaut und Photos gemacht (sind auch bald auf meiner Homepage).
Das ist wohl Radiolarit! Mir scheint, dass das Stück als es noch Ganz war nicht wirklich groß war?! Was schätzt du so? Laut Aussgae von H. Floss (mündliche Mitteilung) kommen ab und an Radiolarite durch Flusstransport des Rheins im Gebiet des Niederrheins vor. Kommt aber auf die Größe des Stückes an, ansonsten (jetzt mein Kommentar) Handel resp. menschlicher Transport. Ich habe mir auch mal den Fauntmaure-Jaspis angeschaut, da gibt es auch solche Stücke, grün mit roten Schlieren, schlierigen Punkten und so, aber diese sind zu feinkörnig für dein Stück. Ich denke auch, dass es schon an sich sehr opak ist nur die Kanten resp. Splitterungen sind durchscheinend. Typisch also für Radiolarit.

Also hier ein paar Bilder, erstmal nur im Rohzustand (Weißabgleich folgt). Die Jaspise kommen auch demnächst auf meine Seite, sind alles Artefakte, werde sie schön Zusammenstellen und noch ein paar Photos von Rohstücken machen.

Schöne Grüße,
Markus





thovalo

Mensch, herzlichen Dank für Deine Mühe!  :winke:

Da ist ordentlich Ähnlichkeit vorhanden und ich denke, man muss das Material tatsächlich vis a vis gegenüber stellen um sicher zu einer Ansprache kommen zu können!

Ich habe mich in der Zwischenzeit noch weiter mit Quarzitvarietäten auseinander gesetzt. Da gibt es zwar Annäherungen aber keine Zuordnung. Der Fundbeleg ist mineralisch zu unterschiedlich strukturiert!


Nochmal herzlichen Dank für die bilder. Klasse!  :-)
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

McSchuerf

Hallo,

da ich selbst nicht über solches Material verfüge .. Ähnlichkeiten fallen mir allenfalls noch mit Hornstein ein .. wirds wohl so zutreffen.

Gruß Peter  :winke:


thovalo

#22
Vielen Dank Mc Schuerf!

Varietäten von Silex/Hornstein konnten immerhin sicher ausgeschlossen werden!
Entscheidend ist insbesondere die feinkristalline Struktur des Gesteins, die zwar
auf dem ersten Blick dem Quarzit ähnelt, diesem jedoch gleichfalls nicht entspricht.

Quarit hat auch häufiger rötliche Schlieren und Einfärbungen. Von den umliegenden Fund-
plätzen liegen auch Belege von Beilklingen aus sehr fein kristallinen Quarzit mit vor, sodaß der
direkte Vergleich möglich war.

Radiolatit: da ist noch die Frage nach den größen der Rohstücke. Ob diese zu einer
Beilklinge zugeschliffen werden konnten.

Oder ein anderes Mineralgestein. Es gibt in Frankreich Hiebgeräte aus wirkich "bunt" gefärbten
Chalzedonen in enormen Formaten............  

Des Rätsels Lösung bleibt noch offen.


Deutlicher wird allerdings zunehmend, dass es sich, wie die Beilklingen aus alpinen Eklogit und Jadeitit um ein Prestigeobjekt gehandelt haben wird.


Unikate von Artefakten die keine Vergleichsstücke haben sind auf dem Fundplatz wiederholt vertreten:

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,42472.0.html

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,42381.0.html


sowie die sekundär überarbeitete Schneidenpartie einer Prunkbeilklinge aus alpinen Jadeitit
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Mark77

So.. wie versprochen, der Japsis (sekundär verfärbter Feuerstein aus der Kreide) aus Fauntmaure:

http://praehistorische-lithothek.de/attachments/Image/Jaspis/Buntjaspis/Fauntmaure_%28UFG-T__%29.jpg

Die grünen Stücke zur Rechten erinnern ein wenig an dein hier eingestelltes Stück. :winke: