Zwei Scherben mit Motiv, evt. christliche Darstellung

Begonnen von Caveman, 14. Dezember 2008, 21:42:33

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Caveman

Hallo,
diese schönen Scherben habe ich heute gefunden. Auf der kleineren Scherbe sieht man eine Frau (üppig gebaut), ein Kind und einen Mann mit Hut. Auf der anderen Scherbe scheint eine Christliche Darstellung zu sein. In dem Text erkenne ich Christus, Gott und Johannes, werde die Scherbe aber nochmal unter das Binokular legen. Könnten die Scherben aus dem 16.- 17. Jahundert sein?

Gruß Caveman  :winke:

Larry Flint

#1
Hallo,

das stammt wohl aus dem 16ten.

Was das Motiv auf dem ersten Fragment angeht, habe ich momentan keine Idee.

Aber soweit ich das erkennen kann, scheint mir auf dem zweiten Stück der gute, alte Heiland im Streit mit den Pharisäern abgebildet zu sein  - womöglich aber auch Vadder Abraham und die Schlümpfe...

  :-D:winke:

Larry

Gratian

Hallo, ja Larry liegt 100 % richtig...Teile eines Trichterbechers...16.Jahrhundert - hier mal ein Bild aus meiner Sammlung...Jesus und Pharisärer kommt gut hin...das erste Bild erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht...die genauen Buchstaben folgen auf dem 2. Bild wären interssant...ich lese was von IOHANNIS...also Johannisevangelium...
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

Larry Flint

#3
Nommahallo,

ja, die Sache mit Johannes bezieht sich auf die dargestellte Bibelszene - womöglich ist da auch die Vertreibung der Händler aus dem Tempel dargestellt (tippe aber immer noch eher auf die o.g. Pharisäerszene...).

Dürfte übrigens wohl Siegburger Ware sein.

Und :belehr:: Trichterbecher = Steinzeit - Trichterhalsbecher = Spätmittelalter/Renaissance (... man verzeihe mir diese erbärmliche Klugscheißerei, aber ich verwechsel' das selber ständig und habe mir diesbezüglich Besserung gelobt...).

Ich geh' jetz' inne Heia...

:winke:

Larry

stekemest

#4
Es könnte die Szene mit dem ungläubigen Thomas sein. Die Inschrift spricht zwar von Johannes (IOHANIS), aber den kann ich auf dem Bild nicht erkennen, da er i.d.R. bartlos dargestellt wird. Stattdessen scheinen Christus (links) und die rechts neben ihm stehende Person etwas mit ihren Händen zu machen. Die Geschichte mit dem ungläubigen Thomas taucht bezeichnenderweise nur im Johannesevangelium auf, vielleicht deswegen die Inschrift. Ich kann in diesem Fall auch keine ikonographischen Hinweise auf andere Szenen (Tempelreinigung o.ä.) erkennen.

Der ständig zu spät kommende Thomas glaubt den Jüngern nicht, dass Christus auferstanden ist, bis er als Beweis seinen Finger in dessen Seitenwunde legt. Schön dargestellt z.B. bei Caravaggio.



stm

Larry Flint

Hallo Stekemest,

stimmt, der Ungläubige Thomas wäre natürlich auch noch eine Option - obwohl mir bemützte Jünger nicht geläufig sind.

Johannes ist aber sicherlich nicht auf dem Bild, sondern vielmehr ein Verweis auf die Stelle im Johannes-Evangelium, auf die sich die Darstellung bezieht - derartige Quellenangaben finden sich bei zeitgenössischen Stücken öfter mal.

Vielleicht kann der Finder ja mal die Inschrift posten, soweit sie zu entziffern ist...

:winke:

Larry

stekemest

Zitatobwohl mir bemützte Jünger nicht geläufig sind

Die Hüte dienten in der mittelalterlichen Kunst zur Kennzeichnung des Judentums. Hierzulande setzt sich diese Tradition manchmal noch bis ins 16. Jahrhundert hinein fort.

stm

Larry Flint

Hallo Stekemest,

... nun sahen die mittelalterlichen Judenhüte aber ziemlich anders aus.

Darüberhinaus wäre es - hinsichtlich der These, dass das die Thomas-Szene sein soll - auch ziemlich seltsam, ausgerechnet die erste Generation der christlichen Anhängerschaft stigmatisierend als Juden darzustellen...

Ich denke, was die Kopfbedeckung angeht, handelt es sich wohl um Pharisäer und damit auch die bereits genannte Bibelszene.

Aber warten wir mal ab, was der Höhlenmann noch über die Inschrift verrät.

:winke:

Larry

stekemest

Die Form der Judenhüte konnte teilweise variieren. Am häufigsten war sicherlich die Darstellung mit Krempe, aber es gab auch andere Versionen. Es könnte sich aber auch um zeitgenössische Mode handeln, ich bin in mittelalterlichen Modefragen nicht so bewandert.
Die Zuweisung zum Judentum muss nicht unbedingt Stigmatisierung bedeuten, man findet zahlreiche bedeutende Juden des Neuen Testaments eindeutig als solche dargestellt.

Was für eine Szene mit den Pharisäern meinst du denn genau?

Larry Flint

#9
...ohne Zweifel gab es - was den Judenhut als Stigma angeht - eine gewisse Variation hinsichtlich der Zeit und der Region. Soweit ich weiß, waren es aber immer Spitzhüte (meist mit Krempe) und meist waren sie gelb. Aus dem Spätmittelalter sind mir für den deutschsprachigen Raum keine krempenlosen Exemplare geläufig.

Davon abgesehen tragen die dargestellten Kerls ja nicht allesamt Spitzhüte und zumindest der Typ im Bildvordergrund hat ja noch schicke Ohrlaschen an der Mütze, die mir von keinem "Judenhut", wohl aber von der Kopfbedeckung eines Pharisäers bekannt sind.

Zeitgenössische Mode ist es aber mit Sicherheit nicht - die Darstellung ist historisierend.

Was den Gegenstand der dargestellten Diskussion betrifft, könnte es sich um den Streit über die Heilung am Sabbath ( Johannes 5, 1-16) handeln - an die Angelegenheit, von der in Johannes 10 berichtet wird, denke ich eher nicht, denn das vollzog sich ja im Tempel und mir scheint es sich auf der Scherbe um eine "Outdoor-Szene" (Gebäude im Hintergrund!?!) zu handeln (...was auch gegen die Sache mit der Tempelreinigung spräche...).


:winke:

Larry

Caveman

Hallo zusammen,
toll was Ihr alles aus so einer Scherbe lesen könnt  :super: !! Habe mal versucht die Buchstaben zu entziffern:

CH B?IN GOTER???R
H SET # MIN # S?IL FVIF?
SCAIF IOHANIS #

Aber alles ohne Gewähr. Unter dem Binokular kann man fast noch weniger erkennen als im richtigen Licht. Bringt es euch weiter?

Gruß Caveman  :winke:

Larry Flint

#11
Hallo Höhlenmann,

öhmmm :kopfkratz: - äääh :irre: , ja :platt: - nöh, nicht wirklich (vielleicht verbirgt sich hinter "CAIF" der gute, alte Kaiphas? - ist aber wirklich geraten) ...

... könntest du die Angelegenheit mal Abpausen bzw. einen Abrieb machen (Papier drüber und dann mit einem weichen Bleistift schraffieren...)?

:winke:

Larry

Gratian

[Joh.10,31-39] Gotteslästerungsvorwurf und Rechtfertigungsrede Jesu

[Joh.10,31] Da hoben die Juden abermals Steine auf, um ihn zu steinigen.
[Joh.10,32] Jesus antwortete ihnen: Viele gute Werke habe ich euch erzeigt von meinem Vater; um welches dieser Werke willen wollt ihr mich steinigen?
[Joh.10,33] Die Juden antworteten ihm und sprachen: Um des guten Werkes willen steinigen wir dich nicht, sondern um der Gotteslästerung willen, und weil du ein Mensch bist und dich selbst zu Gott machst.
[Joh.10,34] Jesus antwortete ihnen: Steht nicht geschrieben in eurem Gesetz  "Ich habe gesagt: Ihr seid Götter"?
[Joh.10,35] Wenn er die 'Götter' nennt, zu denen das Wort Gottes geschah, - und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden
[Joh.10,36] wie sagt ihr dann zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: 'Du lästerst Gott' -, weil ich sage: 'Ich bin Gottes Sohn?'
[Joh.10,37] Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubt mir nicht;
[Joh.10,38] tue ich sie aber, so glaubt doch den Werken, wenn ihr mir nicht glauben wollt, damit ihr erkennt und glaubt, daß der Vater in mir ist und ich in ihm.
[Joh.10,39] Sie versuchten abermals, ihn zu ergreifen. Aber er entging ihren Händen.


Vermutlich handelt es sich um diese Szene "Ich bin Gottes Sohn"


ZitatTrichterbecher = Steinzeit - Trichterhalsbecher = Spätmittelalter/Renaissance (... man verzeihe mir diese erbärmliche Klugscheißerei, aber ich verwechsel' das selber ständig und habe mir diesbezüglich Besserung gelobt...).

Oh Gott Larry was erwartest du von mir nachts um 0:34 Uhr mit ein paar Gläsern gutem Rotwein im Blut...zumindest das Bild ist ja richtig beschriftet. :winke:


Gut Fund!   :engel:
Gratian

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Larry Flint

#13
Hallo Gratian,

an Johannes 10 dachte ich auch schon - nur heißt es dort , dass sich Jesus da im Tempel Salomos herumtrieb.

Wie bereits geschrieben, scheint die dargestellte Szene aber draußen zu spielen - das macht mich stutzig, denn die zeitgenössischen Benutzer des Bechers dürften, was die dargestellte Kulisse angeht, ziemlich fit gewesen sein.

Darüber hinaus äußert sich unser Heiland in Johannes 5, 18 in inhaltlich identischer Weise gegenüber den Pharisäern zum Vaterschaftsproblem - dort wird der Disput allerdings in der indirekten Rede wiedergegeben:

Darum trachteten die Juden ihm noch viel mehr nach, daß sie in töteten, weil er nicht allein den Sabbat brach, sondern auch sagte, Gott sei sein Vater, und machte sich dadurch Gott gleich.

Oder zeigt der Hintergrund womöglich gar das Tempelinventar?

:winke:

Larry

PS: Was die Verwechslung in Sachen Becherbezeichnung angeht, musst du dir wirklich keine Sorgen machen - das ist mir auch schon ein paar Mal nüchtern passiert...

Caveman



Larry Flint

Hallo Höhlenmann,

danke für die Bilder - ich werd' bei Gelegenheit mal versuchen, ob ich da etwas entziffern kann.

Vielleicht ist ja einer schneller...

:winke:

Larry

Mjölnir

was haltet ihr bezüglich der ersten Zeile von dieser Möglichkeit:

Lutheranische Bibel von 1545, Johannes 10, 12

"Ich bin ein guter Hirte"

geschrieben natürlich im damals gültigen "Hochdeutsch" --  "Ich BIN IN GOTER ????"


Gruß


:winke: Mjölnir



Larry Flint

#18
Hallo Mjölnir,

prima Idee - könnte auch sein.

Nun heißt der Vers 10,12 ja komplett: Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.

Und vielleicht "setzt" hier jemand anstatt er es "hingibt"...

Das ominöse "scaif" könnte auch tatsächlich "Schafe" bezeichnen...

Da bliebe nur noch das Kulissenproblem - und dass ich "Hirte" nicht wirklich entziffern kann - vielleicht schrieb der Modelmacher aber stattdessen einfach "hiet" oder "hiret"...

Ich zieh's mir morgen noch mal rein...


:winke:

Larry

Gratian

Auch ich werde mich morgen nochmals mit dem zweiten Motiv genauer beschäftigen. Hier schon mal die Lösung für Motiv 1:

Mars, Venus und Amor...wobei der mann mit Kopfbedeckung Mars ist, die Üppige Venus und das Kind Armor.

Ein sehr beliebtes Motiv in der Bildenden Kunst....bekanntlich waren beide ein Liebespaar obwohl Venus mit Vulcanus vermählt war ...sie symbolisieren die Liebe.

Dieses Motiv ist auch für die Verzierung von Trichterhalskrügen belegt. Es gibt im Buch von Peter Seewald "Steinzeug" einen Trichterhalskrug mit nahezu identischer Rosette (siehe Bild unten) nur stärker abgeschliffen. Man erkennt gut den Bogen den Armor in der Hand hält sowohl auf dem Foto als auch auf Deinem Stück.
Gut Fund!   :engel:
Gratian

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Caveman

@ Gratian,
Danke. Einfach bewundernswert  :prost: !!!

Gru0 Caveman  :winke:

Larry Flint

#22
Hallo Höhlenmann,

ich lese auf dem Fragment folgendes:

_CH * BIN * IN * GOTER * H_
_H * SET * MIN * SEL(B?) * FVI(R?) *
SCAIF * IOHANNIS 10

Also handelt es sich offensichtlich doch um die Szene im Tempel - obwohl es auf der Rosette anscheinend draußen spielt (aber schließlich hat sich der Matrizenmacher auch ständig beim "N" verhauen...).

Nochmal Dank an Herrn Mjölnir!

:winke:

Larry


Gratian

ja das ist es wohl tatsächlich:

Johannes 10:

11 Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.
12 Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht,
13 weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt.
14 Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich,
15 wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.

Ich denke ob im oder außerhalb des Tempels nimmt man nicht so genau künstlerische Freiheit...außerdem glaube ich ganz rechts noch eine auf einen Stab gestützte, perspektivisch verkleinerte Person zu erkennen wohl eine passende Schäferszene und die muß ja irgendwie draußen spielen....  :winke:
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
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Mjölnir

Recht so, recht so. Für einen Ex-Obermeßdiener aus den 70er Jahren war das eine Pflichtübung.  :amen:

Sollten wir uns bis zu den Feuertagen nicht mehr lesen, so wünsche ich Euch allen schon jetzt einmal ein gesegnetes Weihnachtsfest, einen schönen Jahreswechsel und tolle Funde für 2009.

Liebe Grüße


:winke: St. Mjölnir

Mjölnir

verflixt, haben sich doch glatt im alten Jahr noch 2 Fehler eingeschlichen  :peinlich:.  Wer sie findet, darf sie behalten. Sorry!

Caveman

Hallöchen,
ganz Klasse, Ihr seid echt spitze  :cool1: !!!!!!!!!!!!!! Vielen Dank für die tolle Erklärung, da ich nie viel mit der Kirche im Sinn hatte, fehlt mir auch das gewisse Etwas.
Wünsche euch auch schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr  :prost: !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

@ Mjölnir,
wir sprechen uns aber nochmal  :zwinker: .

Gruß Harry  :winke: