Löffel der LBK

Begonnen von clemens, 24. Februar 2008, 19:59:27

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clemens

Den wenigen Lesern meiner Beiträge mag die rechte obere Scherbe bekannt vorkommen - sie fand ich vor 2 Wochen( http://www.sucherforum.de/index.php/topic,28795.0.html ). Es hat mir keine Ruhe gelassen und so bin ich heute wieder an diese Stelle, der Regen hat weitergearbeitet und siehe da - noch ein, 2, 3, .. Scherben des gleichen Materials und ein gelochtes Stück (Ja, ich habe auch mit meinem Finger die oberen 5cm durchkämmt, aber nicht mehr. Steinigt mich nicht)

Mein Verdacht bestätigte sich zuhause: ein Löffel!!!

Berührt mich ungemein. War an deren Lippen, diente zur Nahrungsaufnahme, ein Löffel ist so ... persönlich.

Sehe hoffentlich noch diese Woche den Herrn vom Amt, bin neugierig ob sie ihn zusammenkleben und ergänzen und ob ich ihn gar dann wiederbekommen kann. So gesehen ein Prüfstein unserer Beziehung ...

Siedlung datiert in die frühe LBK; Notenkopfkeramik heisst das dann bei uns.


Seid mir gegrüßt,
Clemens

Bert

Interessantes Stück, ich wusste gar nicht, dass es damals Tonlöffel gab!

Adios, Bert

Silex

Ein Löffel ist schon ein Rarissimum, Clemens. Selbst hatte ich noch nie das Glück so etwas in den Händen zu halten. Aber die neolithische Keramik fehlt in unseren Böden aus vielerlei Gründen. Deswegen ist es oft schwierig zu fremdem Neolithikum was zu schreiben....

Das gelochte Teil würde mich noch interessieren. In der gesendeten Ansicht könnte man  auf Spinnwirtel tippen....oder ist das eher ein röhrenförmiges Objekt?

Schön- solche Funde  hier sehen zu können.

5 Zentimeter!!! Mhmm? 
Mehr bringt sowieso meist nichts... weil man die ganze Spur  abstochern müsste....da helfen  der nächste Regen, ausgiebige Besuche , oft weiter.
Schön wär es halt wenn die Stelle ausgegraben würde....bevor  alles so zerfetzt wird

Bis bald, clemens

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

clemens

Lieber Silex,

Dank! Es ist auch mein erster Löffel dieser Zeit, auch deswegen bin ich so bewegt.

das Bild ist irreführend, es ist eine Ansicht der Löffelstielseite, die anderen Ansichten des Teils nun auch anbei. Entschuldige.

Zu den 5 cm - das sind ehrliche. Die Erde friert und taut und trocknet und wird feucht und reisst und bröselt dabei, besonders jene die so dunkel gefärbt ond reicher an organischen Stoffen wie diese hier einer angeackerten Grube. In dieser Bröselschicht habe ich meine Finger durchgezogen, und sie brachte mir den entscheidenden Teil. Ja, böse, aber anderseits .. Andreas der Bauer, ich sprach heute mit seiner Mutter, wird wohl diese Woche mit der Kreiselegge "abziehen", brrr. Aber Deine hochgezogenen Augenbraue ist schon richtig.

Diese Stelle angraben, das machen die nur bei Bauarbeiten, und die wirds dort wohl gottseidank noch sehr sehr lange nicht geben. Was mich so unrund macht dass die nicht einmal nicht reagieren wenn man "sichere" Gruben meldet. Aber anderseits - sie haben die Ressourcen nicht. Und das wird sich wohl kaum ändern. Genug lamentiert, ein feiner Fund, hoffe ich kann bald das Bild dessen nachreichen was das Amt daraus macht.

Herzlich,

Clemens

Silex

die "5 cm" waren ohne Augenbraue. Wenn jemand meldet und spürt dass  da in einer deutlichen Verfärbung noch was drinsteckt ....dann  fingert man noch die Oberfläche nach  Begleitfunden ab.
Anders ist es wenn man , wie  vielleicht andernorts  üblich , weiß dass da am nächsten Tag die Spezialisten ankommen.
Da kommt noch mehr, Clemens
Bis bald !

Edi

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Wow  :super:

Das nenn ich mal ein Unikum!

Meiner Meinung nach das mit Abstand coolste Fundstück, dass jemals hier in der prähistorischen Abteilung aufgeschlagen ist  :jump:

Persönlich ist mir erstmal nichts vergleichbares bekannt.

Allerdings bezweifel ich, dass es sich bei dem Teil um einen Ess- oder Kochlöffel handelt. Solche Geräte wurden zu allen Zeiten eher aus Holz, Horn oder Metall gefertigt. Keramik hat da nie eine große Rolle gespielt ... Gerade die bei niedrigen Temperaturen gebrannte prähistorische Keramik weißt hier nämlich ein ziemliches Manko auf: Sie "zieht" Wasser!
Mit anderen Worten ein Tonlöffel hätte sich beim Suppe umrühren langsam aber sicher in seine Bestandteile aufgelöst  :staun:

Was ich bei deinem Stück eher vermute ist eine Art Tiegel-Funktion für Fett, Wachs oder Birkenpech(?). Das Loch am Griffende wird als Halterung für den eigentlichen Holzstiel gedient haben. Ein ähnliches Prinzip findet sich auch an den röhrenförmigen Grapengriffen aus viel späteren Epochen. Ein Werkzeug aus zwei Material Komponenten sozusagen. Die hitzebeständige kleine Tonschüssel für übers Feuer und der nicht wärmeleitende Holzstiel, damit man sich dabei nicht die Pfoten verbrennt  :narr:

Vielleicht auch ganz prosaisch als Scheffel ...

:winke:
Gerd


Rambo

Einen ganzen Tonlöffel habe ich noch nie gefunden, Fragmente allerdings schon einige.
Wie kommst du auf die Datierung. Die Löffel die ich gefunden habe wurden auf Grund der Beifunde ganz anders datiert
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

clemens

Servus Gerd, danke herzlich! Ich kenne mindestens zwei Vergleichsstücke, eines aus dem Weinviertel und eines aus meiner Region, eine Hochleistungsbahn wurde gebaut und sie gruben auf einer LBK Siedlung auf der eine Villa rustica stand, denke ich habe irgendwo ein Bild. Aus diesen Erwähnungen in der Literatur auch meine Diktion "Löffel". Die Diskussion Esslöffel hatten wir zuhause auch schon, die beste aller Suchergattinnen (ihre Finger am Bild rechts unten, war lustig mit 15 Fingern die Scherben beinander zu halten) hatte gleich gemerkt wie unpraktisch so ein Löffel zum Essen ist. Dein Einwand ist aber ein sehr schlauer, so weit hatten wir noch nicht gedacht, Kombination Ton / Holz wegen der Temperatur.

Hallo Rambo, bei der Datierung lehne ich mich gerne weit heraus - auf der ganzen Fläche, ich kenne sie seit vielen Jahren, ist das "Nächstältere" die Grauware; Ton, Brand und Magerung ist genau so wie die örtlich gebrauchte LBK Gebrauchsware, die Scherben lagen in verfärbter Erde mit anderen Scherben und sogar einem kleinen Silexabspliss. Gratuliere jedoch zu Deinen Löffeln, sind rare Dinger.

Bis Bald und Danke
Clemens

Rambo

#8
@  clemens bei uns in der Steiermark sind diese Dinger gar nicht so rar. Wir haben in einer UK/HA Siedlung in der Weststeiermark ein paar Dutzend bei einer Grabung gefunden.
Gruß Rambo
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und das Schlechte still verzeihn

rolfpeter

Hallo Clemens,
Gratulation zu dem interessanten Fund!
Ich habe meine LBK-Literatur mal nach solchen Löffeln, Pfannen oder was es immer auch sein mag, durchsucht, habe aber nichts vergleichbares gefunden. Scheint wirklich eine Rarität zu sein.
Herzliche Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Rambo

Zwar schon ein wenig veraltet aber noch immer fast ein Leitwerk der steirischen Archäologie:
Auszug aus der Dissertation Diether Kramer Vom Neolithikum bis zur römischen Kaiserzeit, Untersuchungen zur ältesten Besiedlungsgeschichte der Steiermark, mit besonderer Berücksichtigung der Mittelsteirischen Höhensiedlungen  Band 2 (1981)
Tonlöffel
Halbrunde Tonlöffel mit Grifftülle sind am Königsberg ( Taf 9-11) und am Dietenberg
Taf 123/4 vertreten. Im Allgemeinen stammen die Vergleichsstücke aus sehr frühen Fundzusammenhängen die in die Lengyel-Kultur oder der Epi-Lengyel zuzuordnen sind. Zwar ist ein Weiterleben dieses Gerätes bis in UK nicht auszuschließen, doch fehlen eindeutig stratigraphisch gesicherte Exemplare.
Man wird dort, wo eindeutig kupferzeitliche Keramik gefunden wird dazu neigen die Tonlöffel im Zusammenhang mit dieser zu sehen.

In der Zwischenzeit wurden bei vielen anderen Siedlungsgrabungen Tonlöffel gefunden
Gruß Rambo
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rolfpeter

Danke für den Hinweis Rambo! Hast mich zum Weitersuchen animiert.
Ich  habe auch eine Stelle gefunden. In der Göttinger Typentafel von Raetzel-Fabian  taucht bei Münchshöfen ein ähnliches Teil als Löffel / Schöpfkelle auf.
Man kann die Tafeln als pdf-Datei entweder bei Jungsteinsite oder beim Rambo runterladen.
http://www.hundeschule-murtal.net/lui/diverses/Ebook/Typentafeln%20Neolithikum.pdf
HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

clemens

Auch ich habe gesucht, die s/w Abb. ist aus Ruttkay et al "Die Jungsteinzeit im Osten Österreichs" und Lengyel, die Farbabbildung aus einer populärwiss. Publikation zu einer Rettungsgrabung, dort saß Lengyel auf LBK, der Löffel wird allerdings der Lengyel zugeordnet - wobei ich den Löffel auf einer Siedlung fand von der ich SEHR VIELE Scherben habe von denen keine der Lengyel zugeordnet wurde.

Aber nä Wo Dienstag bin ich beim Amt bei jenem Mann der den Löffel in Farbabb. ergraben hatte. Ich werde berichten!

Danke Rambo und Rolfpeter,

Clemens

clemens

Ich komme soeben vom Amt, ihr habt Recht, Lengyel. Ein paar wenige der Scherben lassen sich der Lengyel zuordnen, der Löffel ist vielleicht nicht gerade ein Klassiker dieser Periode aber es gibt einige davon, der Mann vom Amt kennt so ca 10 Stück. Was mich freut: sie werden ihn auch zusammensetzen und ev. ergänzen und dann bekomme ich ihn zurück. :jump: lasse Bilder folgen wenn es soweit ist!

zurückbekomme ... übrigens auch alles andere (Keramik, Beile, Klingen, ...), ev. werde ich später ein paar Silexabsplisse abgeben, herkunftsbestimmend ... ein guter Termin!

sonnig-wohlgelaut trotz Regen,
Clemens

clemens

Ihr Lieben,

ganz voll Freude: hier ist der Löffel nun retour vom Amt, sie waren so nett und haben ihn zusammengesetzt
Datierung ect wurde alles hier schon vorweggenommen ... leider nichts neues zu erzählen. Dennoch: Riesige Freude, ein einmaliger Beleg.

Mit besten Grüßen,
Clemens

Lojoer

Hi Clemens,
na da hat sich das Amt aber Mühe gegeben. Das ist heute nicht mehr so selbstverständlich, dass man die Funde restauriert zurückbekommt.
Ich freue mich für Dich über diesen seltenen Fund.
Gruß Jörg