Römische Verkleidungsziegel ?

Begonnen von St. Subrie, 26. Februar 2014, 15:27:04

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St. Subrie

Guten Tag,

nachdem die Arbeit unseres Kulturvereins sich im Tal (Südwesteuropa) herumgesprochen hat, bekommen wir aus der Bevölkerung hin und wieder Objekte aus Familienbesitz angeboten, öfters dann, wenn der Sammler verstorben ist und bei den Hinterbliebenen wenig Interesse besteht. Bei den Stücken handelt es sich durchwegs um Material aus dem Tal, meist bei der Arbeit auf Feldern und in den Weinbergen geborgen, manchmal erfahren wir auch den genauen Fundort. Es handelt sich um Keramik, Steingerät und Fossilien, nur sehr selten um Metallobjekte wie Münzen. Ich möchte nach und nach einige dieser Objekte hier vorstellen und erhoffe natürlich Meinungen und Informationen zu ihrer Natur. Um nicht immer wieder diesen erläuternden Text schreiben zu müssen, werde ich bei anderen als Keramikobjekten diesen vorliegenden Beitrag verlinken.

Neulich erhielten wir etwas ziegelähnliche, wellenförmig reliefierte Keramik, von der ich leider, noch ohne die Absicht, sie hier vorzustellen, nur unzureichende Fotos gemacht habe. Bessere Fotos könnten später nachgereicht werden, wenn ich wieder vor Ort bin. Das Stück kommt vom Ort einer auf einem Plateau gelegenen, seit langem bekannten (und leider auch beraubten) römischen Villa. Angeblich sollen an bestimmten Stellen haufenweise solche bei der Feldarbeit geklaubten Ziegelstücke liegen.

Bei näherer Betrachtung der Fotos hier in D und bei der Suche nach Vergleichsstücken stieß ich auf sogenannte Verkleidungsziegel, die offenbar bisher nur aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts und auch nur von wenigen Stellen in Südhessen bekannt sind. Näheres dazu ist hier zu erfahren    http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6mische_Villa_Haselburg   (Ziffer 5.2.1.1)  Es handelt sich offenbar um eine aufwendige Art, einen tragfähigen und stabilen Untergrund für einen Verputz herzustellen uns zwar  mit Hilfe von rollstempelreliefierten Verkleidungsziegeln mit einem Format von ca. 50x50 cm. diese Ziegel hat man offenbar noch im letzten Jahrhunder irrtümlich für Bodenfliesen gehalten.

Bei Betrachtung des vorliegenden, wellenförmig reliefierten Ziegels (Rollstempel ?) aus dem südwestlichen Europa  kam mir nun der Gedanke, daß Verkleidungsziegel als Verputzuntergrund doch gewiß nicht solitär in einem winzigen Bereich der Provinz Germania Superior des römischen Imperiums  in Gebrauch gewesen sein dürften. Bei nächster Gelegenheit werde ich ganz bestimmt die Felder des Bereichs der Villa und deren Ränder ablaufen. Eine Sonde ist dabei überflüssig, handelt es sich doch, wie ich hörte, schon seit langem um den bekanntesten  Sondengängertreffpunkt der ganzen Gegend.

Viele Grüße

St. Subrie




RichardJ

Ziegel mit Rollstempeldekor vom Typ Haselburg sehen wie folgt aus:

RichardJ

Daneben gibt es noch die Typen Dieburg, Saalburg, Semd und Stockstadt. Alle Typen sind sehr schön repräsentiert im Museum Dieburg (Schloss Fechenbach).
http://splashurl.com/oe8fcpa

St. Subrie

Vielen Dank für die Infos, Richard ! Die Muster der rollengestempelten Verkleidungsziegel sind offensichtlich nicht mit dem uns voliegenden Stück zu vergleichen, da ist nicht einmal leichte Ähnlichkeit.
Die Frage ist jetzt, ob es in einem anderen, sehr weit entfernten Bereich des Imperiums Verkleidungsziegel wie die "hessischen" überhaupt gab,  und ob diese zutreffendenfalls ähnliche oder völlig andere Stempelmuster aufweisen, z.B. ein Wellenmuster. Das wird schwierig zu klären sein, aber versuchen werden wir es. In der nächstgelegenen größeren Stadt mit einer bedeutenden archäologischen Sammlung gibt es keinen einzigen Archäologen, die Sammlung ist vollständig magaziniert und der Öffentlichkeit unzugänglich. Noch trauriger als die Situation in Deutschland.
Gruß
St. Subrie

RichardJ

Das von dir gezeigte Muster ist ganz üblich für Wandverkleidungsplatten und findet sich an entsprechenden Ziegeln sogut wie überall im Römischen Reich. Also eine relativ banale Angelegenheit (ohne deinen Fund herunterspielen zu wollen).
Schöne Grüße   :winke:

St. Subrie

Das ist doch jetzt mal eine klare Aussage : Also Wandverkleidungsplatten, die eben nicht wie in Südhessen verputzt wurden, sondern selbst Dekorelemente waren.  Vielen Dank für die Klarstellung, jetzt können wir weiter recherchieren.

RichardJ

Offenbar ein Missverständnis: Diese Wandverkleidungsplatten wurden mit der geriffelten/gemusterten Seite in den Putz gedrückt, um besser zu halten. Oftmals wurden auh T-förmige Nägel zur Unterstützung verwendet.

Pantherchamäleon

MFG Pantherchamäleon

St. Subrie

Also jetzt wird mir die Ursache des Mißverständnisses klar :

"Haben Sie sich schon über unseren Seitenhintergrund gewundert? Das -sagen wir mal- für Internetseiten etwas ungewöhnliche Hintergrundmotiv hat einen direkten Bezug zu den römischen Fundstücken von der Haselburg. Es handelt sich nämlich um das Muster eines Ziegels, von denen eine große Zahl im Hauptgebäude gefunden wurde. Diese Ziegel waren nicht etwa Fußbodenziegel, sondern sie wurden mit T-förmigen Nägeln an der Wand befestigt. Das Muster diente lediglich dem Zweck, Putz besser haftbar zu machen.
Es handelt sich um ein eigenartiges Phänomen römischer Bautechnik, das nur für kurze Zeit (2. Hälfte des 2. Jahrhunderts) in einem begrenzten Raum (nämlich im wesentlichen im heutigen Südhessen) auftritt. Wahrscheinlich wurden diese auffälligen Ziegel in einer einzelnen Ziegelei gefertigt." (www.haselburg.de)
" Das Muster diente lediglich dem Zweck, Putz besser haftbar zu machen", daraus glaubte ich schließen zu können, daß auf die geriffelten Platten ein Putz aufgetragen wurde. Anscheinend ist dem nicht so. Hätte es aber dann nicht heißen müssen "Das Muster diente... dem Zweck, die Verkleidungsplatten besser im Putz (der hier die Funktion eines Klebers hatte ) haftbar zu machen" ?
Und ebenso mehrdeutig ist auch die Aussage, " ein eigenartiges Phänomen römischer Bautechnik, das nur für kurze Zeit... in einem begrenzten Raum auftritt", die sich offenbar ausschließlich auf das verwendete Muster, nicht aber auf die Art der Bautechnik bezieht, die sich Richard zufolge ja überall im römischen Reich findet.

Wenn komplizierte Zusammenhänge sprachlich ungenau dargestellt werden, dann kommt es zu Mißverständnissen.

Gruß

St. Subrie

domino

Hallo,

Heute habe auf dem Römeracker ein ähnliches, sehr kleines Fragment gefunden.
Handelt es sich hierbei auch um ein Stück von Wandverzierung der Römer?

Die eine Seite ist weiß glasiert. Fundort nach wie vor bayerisches Voralpenland.

Grüße,
Dominic

RichardJ

Eindeutig modern, sprich 20. Jh.

domino

Alles klar, habe auch bereits dazu tendiert, war mir aber nicht sicher. Danke!

mc.leahcim

Zitat von: RichardJ in 27. Juni 2014, 18:38:56
Eindeutig modern, sprich 20. Jh.

Aber ist doch schön zu sehen das sich die Technik seit den Römern nicht viel verändert hat. Sprich, schon die Römer wussten das es Sinn macht die Fläche auf der Rückseite zu vergrößern um die Haftung im Putz zu erhöhen. Manchmal ist eine Idee so gut das man sie kaum verbessern kann.

Gruß

Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

domino