Spinnwirtel? Aus Knochen? Oder doch Spielstein?

Begonnen von Fabulas, 24. August 2022, 15:23:12

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fabulas

 :winke:

Gerne komme ich der Bitte von RockandRole nach und stelle hier ein Objekt ein, das sich unter einer ganzen Ansammlung von Knöpfen befand.
Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn es ein Wirtel aus Bein wäre und möglichst alt noch dazu.
Da es aber nur 0,5 cm Höhe in der Mitte hat, wäre auch ein Spielstein möglich.

Wir hatten früher alte Spinnräder im Haus - irgendwie kann ich mich daran erinnern :nixweiss:, dass da ähnliche Teile dran waren, Betonung auf "ähnliche"  :-D

So, jetzt bin ich gespannt, was die Fundexperten dazu meinen.
(Hab's nochmal extra geputzt... :zwinker:)

Liebe Grüße
Anita

Signalturm

Hallo Anita.
Ist das Loch leicht konisch? Betonung liegt auf leicht.
Wenn ja dann ziemlich sicher ein Wirtel. Wenn nicht dann nur vielleicht ein Wirtel oder ein Spielstein.
Finderglück ist Finderlohn genug.

Fabulas

Zitat von: Signalturm in 24. August 2022, 17:29:20
Hallo Anita.
Ist das Loch leicht konisch? Betonung liegt auf leicht.
Wenn ja dann ziemlich sicher ein Wirtel. Wenn nicht dann nur vielleicht ein Wirtel oder ein Spielstein.

Leicht konisch. Von der Rückseite zur Vorderseite verjüngt sich das Loch leicht.

Signalturm

Ziemlich sicher ein Spinnwirtel aus Bein.
Glückskind Du
Finderglück ist Finderlohn genug.

Carolus Rex

Hallo Anita,

Ein tolles Stück was du da gefunden hast.  Ich würde definitiv auch Wirtel sagen.

Gruß CR
------------Melden macht frei--------------

Fabulas

Wenn ich es nicht schon wäre:

:hilfe3: :boh:

Ich danke Euch sehr! Tatsächlich bin ich mit einer "Glückshaube" zur Welt gekommen. Eigentlich ziemlich igitt.

Aber Ihr haltet die Spannung gut - obwohl ich schon unglaublich viel dazu recherchiert habe, bin ich immer noch vollkommen ahnungslos, was das Alter betrifft.
Wenn Ihr dazu noch was habt - gerne!

Ich habe einen schönen Link zu Spinnwirteln: https://www.academia.edu/349596/Die_Spinnwirtel_und_Webgewichte_der_bronze_und_eisenzeitlichen_Siedlung_von_Kastanas_Zur_Textilproduktion_Nordgriechenlands_im_2_vorchristlichen_Jahrtausend

Viele Grüße!
Anita

Signalturm

Falls man in der Literatur keine Vergleichsfunde hat wird es schwer. Von Römisch bis Neuzeit ist alles vorstellbar.
Finderglück ist Finderlohn genug.

stratocaster

Ich werfe mal salierzeitlich in den Ring

Gruß  :winke:
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

RockandRole

Danke fürs Einstellen Anita.  :zwinker: Wie hast du den bei dem ganzen Staub denn gefunden?

Ich kenne leider auch niemanden, der sich damit gut auskennt. Tolles Teil  :-)

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Fabulas

Mmmh, ich wäre dafür mich an den Beifunden zu orientieren. Das waren die Knöpfe (ich schätze 19. bis 20. Jahrhundert) und das oder die Chatelaine, für das ich auch keinen Vergleichsfund gefunden habe und somit eine zeitliche Einschätzung kaum möglich ist.
Es ist und bleibt wohl rätselhaft, warum das alles an einer Stelle lag. Damit ist es mein mysteriösester Fund bislang. Hat auf jeden Fall auch was und bekommt ein eigenes Plätzchen.

Ich danke Euch sehr. Soweit wäre ich nicht gekommen.

Viele liebe Grüße
Anita

Signalturm

Hallo Anita
Sich an den Beifunden zu orientieren hilft nicht immer.
Ich glaube auch nicht in diesem Fall.
Das Problem mit der Zeitstellung ist dass so ein Wirtel keine genau zuordenbare Form zu einer Zeitepoche hat.
Auch das Material wurde so über einen langen Zeitraum verwendet.
Beindrechsler, Beindreher oder Beinstecher gab es schon bei den Römern und dann bis ins 19 Jh.
Groß in Mode kam das Material als zum Beispiel die Bronze knapp wurde.
Nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches kam keine neue Bronze mehr zu uns. Alles was danach aus Bronze gegossen wurde musste aus alter Bronze neu eingeschmolzen werden.
Somit wurde die Bronze noch wertvoller als zuvor.
Bein kam dann in Größerer Anzahl ab den Franken und Merowingern bei uns wieder in "Mode".
Jede Zeit hatte so ihre Materialien und im ganzen Mittelalter gab es in jeder Stadt Handwerker welche Bein verarbeiteten.
Eine Zeitstellung "Mittelalterlich" halte ich für den Moment am wahrscheinlichsten.
Finderglück ist Finderlohn genug.

stratocaster

Ist das Fundstück definitiv aus Knochen oder womöglich aus Stein?
Im Bildband über die Salier sind von der Ornamentik vergleichbare Wirtel
aus mineralischem Naturgestein abgebildet.

Gruß  :winke:
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

Fabulas

Zitat von: stratocaster in 25. August 2022, 09:53:36
Ist das Fundstück definitiv aus Knochen oder womöglich aus Stein?
Im Bildband über die Salier sind von der Ornamentik vergleichbare Wirtel
aus mineralischem Naturgestein abgebildet.

Gruß  :winke:

Ich weiß es nicht. Könnte vielleicht auch aus einem Geweih sein. Es wiegt 5 g. Wie Stein fühlt es sich nicht an. Eher sogar wie Kunststoff.

Viele Grüße
Anita

Nanoflitter

Würde auf Hirschgeweih tippen. Kenne sonst kein heimisches Tier mit soviel Substanz in der Grösse. Gruss..


Signalturm

Hallo Anita.
Wenn von Bein die Rede ist dann sind das nicht immer nur Knochen. Geweihstangen oder Elfenbein zählen genau so dazu. 
Suche mal im Netz unter " Forschung im Augst" nach dem Band 27-1. Artefakte aus Bein im römischen Augst.
Es gibt einige Wirtel aus Bein, aber kein ganz entsprechender zu deinem Fund. Zeichne doch mal noch bitte eine genaue Seitenansicht, so wie auf den Tafeln im Band 27,1.
Vielleicht kommen wir dann noch was weiter.
Bauchgefühl ist immer noch Mittelalter
Finderglück ist Finderlohn genug.

Nanoflitter

Zumindest ist das Teil auf einer Drehbank entstanden. Gruss..

Fabulas

Zitat von: Nanoflitter in 25. August 2022, 13:49:03
Zumindest ist das Teil auf einer Drehbank entstanden. Gruss..

Dankeschön Nanoflitter. So langsam komme ich dem Thema insgesamt etwas näher. Ich hab's jetzt vermessen, gedreht und gewendet und gewogen. Ich glaube, nicht mal der Hersteller hat das Teil so viel in der Hand gehabt wie ich.
@ Signalturm: Eine Zeichnung von der Seitenansicht ist mir nicht geglückt. Da lasse ich am Wochenende meinen Sohn ran. :-)

Auf jeden Fall gebe ich den Wirtel sowie die dazugehörigen Funde an die Archäologen ab.

Viele Grüße
Anita

stratocaster

Zitat von: Nanoflitter in 25. August 2022, 13:49:03
Zumindest ist das Teil auf einer Drehbank entstanden. Gruss..

Interessant zu lesen über die Historie der Drehbank:
https://de.wikipedia.org/wiki/Drehbank

Gruß  :winke:
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

Signalturm

Anita es geht auch ohne Zeichnung
Aufnahme direkt von der Seite (kannst das Teil ruhig auf ein kleines Klötzchen stellen und die genauen Maße. Durchmesser und Dicke.
Der Rest geht dann auch so.
Finderglück ist Finderlohn genug.

Signalturm

Hier mal noch zwei Bilder von römischen Spinnwirteln aus Bein
Das erste stammt aus dem Werk zu den Beinfunden aus Augst.
Das zweite zeigt Funde aus einem Kastell in Jagsthausen
Finderglück ist Finderlohn genug.

Fabulas

#21
 :winke:

Vielen herzlichen Dank Euch allen für die rege Beteiligung und interessanten Hinweise.

Evtl. ein Spinnwirtel mit segmentförmigem Längsschnitt wie in den o.e. Publikationen zu sehen.

Hier kommen nun nochmal die exakten Maße (von meinem Mann vermessen) sowie verschiedene Ansichten.

Ich finde, auf diesen Bildern sieht das Material leicht rauh aus, obwohl es sich ganz glatt anfühlt.
Auf den Bildern wirken auch einige der dunklen Flecken materialzugehörig.  :nixweiss: Spricht das auch noch für Bein/Knochen/Geweih? Evtl. natürliche Verfärbung dieser Materialien?  :nixweiss:

Die Rillen sind nun auch sehr deutlich - sehen doch ziemlich maschinell gefräst aus? :nixweiss: Ohmannomann - das wird anstrengend. Hätte auch nicht gedacht, dass es Drehbänke bzw. Vorläufer schon so lange gibt (vor Christus!).

:ildf:

Viele Grüße!
Anita

PS: Die Dicke / Höhe ist nur 8mm. Das Gewicht beträgt 5 g. Ein ähnlich gemusterter Spinnwirtel - jedoch mit einer Höhe von 12 mm und einem Gewicht von 9 g - ist auf der Seite der Staatlichen Museen zu Berlin aufgeführt: https://recherche.smb.museum/detail/2442187/spinnwirtel

Chris

Servus Anita.  :winke:

Ob jetzt neuzeitlich oder römisch oder......
Auf jeden Fall ein außergewöhnlicher Fund und so etwas findet man wahrscheinlich nur ein mal.  :super:
Glückwunsch.

Gruß, Chris

Fabulas

Zitat von: Chris in 26. August 2022, 09:15:40
Servus Anita.  :winke:

Ob jetzt neuzeitlich oder römisch oder......
Auf jeden Fall ein außergewöhnlicher Fund und so etwas findet man wahrscheinlich nur ein mal.  :super:
Glückwunsch.

Gruß, Chris

Danke Chris.

Signalturm

In der Publikation von FIA 27 ist zu lesen dass die meisten der Beinartefakte aus dem Mittelfussknochen des Rindes hergestellt wurden.
Diese lassen eine Stärke der zu drechselten Objekte von 11-14 mm zu. So ein Wirtel wäre als o kein Problem.
Interessant ist aber die geringe Fundanzahl von Bein-Wirteln.
Wenn ich in den Fundberichten von BW nach Wirtel schaue dann ist die Häufigkeit von Wirteln aus Bein zu keramischen Wirteln max 1:100.
Ein sehr seltenes Stück.
Ein Wirtel gehöhrte früher in jedes Frauen oder Mädchengrab bei den Römern. Es zeichnete die Verstorbene als gute Hausfrau aus.
Wirtel aus Gewih oder Elfenbein waren wertvoller als die aus Knochen. Man hat schon damals versucht, mittels Färben die Farbe von Elfenbein zu imitieren.
Über die heutige Farbe wird das Material schwer zu bestimmen sein, da spielt die Bodenbeschaffenheit am Fundort eine zu große Rolle.
Egal welches Material- ein seltener Fund allemal.
Finderglück ist Finderlohn genug.

Fabulas

Zitat von: Signalturm in 26. August 2022, 16:41:15
In der Publikation von FIA 27 ist zu lesen dass die meisten der Beinartefakte aus dem Mittelfussknochen des Rindes hergestellt wurden.
Diese lassen eine Stärke der zu drechselten Objekte von 11-14 mm zu. So ein Wirtel wäre als o kein Problem.
Interessant ist aber die geringe Fundanzahl von Bein-Wirteln.
Wenn ich in den Fundberichten von BW nach Wirtel schaue dann ist die Häufigkeit von Wirteln aus Bein zu keramischen Wirteln max 1:100.
Ein sehr seltenes Stück.
Ein Wirtel gehöhrte früher in jedes Frauen oder Mädchengrab bei den Römern. Es zeichnete die Verstorbene als gute Hausfrau aus.
Wirtel aus Gewih oder Elfenbein waren wertvoller als die aus Knochen. Man hat schon damals versucht, mittels Färben die Farbe von Elfenbein zu imitieren.
Über die heutige Farbe wird das Material schwer zu bestimmen sein, da spielt die Bodenbeschaffenheit am Fundort eine zu große Rolle.
Egal welches Material- ein seltener Fund allemal.

Vielen Dank. In der Tat scheint es so zu sein. Auch meine Recherche hat ergeben, dass derlei Spinnwirtel sehr selten sind. Auffällig ist, dass auf der Seite der Staatlichen Museen zu Berlin bei der Suche nach ,,Spinnwirtel aus Bein" ausschließlich Wirtel aus Israel angezeigt werden. Das ist insofern interessant, weil ich vor zwei Jahren unweit von der Stelle einen Thorazeiger gefunden hatte, den Merowech als solchen identifiziert hat. Dieser ist leider immer noch nicht in unserem jüdischen Museum gelandet, was nicht am Vorstand des Museums liegt, sondern am Oberrabbiner. Evtl. wäre jetzt doch eine Nachsuche angesagt. Creglingen hat nicht ohne Grund eine ,,Gedenkstätte 25. März 1933".

Viele Grüße
Anita

Signalturm

Finderglück ist Finderlohn genug.