schönes, altes Weiherl

Begonnen von Robert, 12. März 2014, 07:17:57

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Robert

Servus,

dieses Weiherl war sicher ein Prachtstück. Leider hat die Ackererde
an der Oberfläche ziemlichen Schaden angerichtet. Ich deute die
Schrift wie folgt   ARCHXPXTP ??? und unterhalb  SIS aber mit ???
Auf der andere Seite ist unten ein Pferdegespann oder ein Leonhardiritt
dargestellt.
Ich bittte um Bestimmungshilfe, Alter ? und Bedeutung ?

34,5x24,5 mm; 7,9 Gramm

Besten Dank im voraus

Robert :winke:
wer alles weiß, bekommt keine Überraschung mehr

Gratian

#1
Hallo Robert,

wieder mal ein schönes und eher seltenes Fundstück. Es stammt aus dem heutigen Obermarchtal bei Ehingen. Einer Gemeinde im Alb-Donaukreis.

Schutzengel mit Kind, darüber Auge Gottes in einem von Strahlen umgebenen Dreieck. Die Schrift im Abschnitt unter dem Schutzengel lässt sich als MARCHTALLEN SIS auflösen. Barocke Form des frühen 18. Jahrhunderts.
Vorderseite: Der Gekreuzigte darunter möglicherweise eine Szene aus dem Leben des Heiligen Tiberius. Schutzpatron von Obermarchtal. Ein Katakombenheiliger der nie von einem Papst heilig gesprochen wurde.

Tiberius lebte zur Zeit des römischen Kaisers Maximinianus Herculeus (286-305 n. Chr.). Er lebte seinen Glauben gegen den heftigen Widerstand seines Vaters, der ihn deshalb sogar einsperren ließ. Nachdem alle Versuche, Tiberius vom christlichen Glauben zu bekehren, gescheitert waren, zeigte sein Vater ihn beim Kaiser als Christen an.

Die Folgen waren schrecklich: Tiberius wurde als Staatsverräter angesehen und der Legende nach verurteilt, mit Prügeln und Kolben erschlagen zu werden. Das Martyrium aber habe nicht vollstreckt werden können, weil die Muskeln und Sehnen der Peiniger plötzlich gelähmt gewesen seien, heißt es in der Legende weiter. Noch viele weitere Male sei Tiberius zum Tode durch grausame Methoden verurteilt worden. Jedes Mal habe Gott ihn gerettet. Schließlich starb der Schutzpatron Obermarchtals, der sich öffentlich zu seinem Christsein bekannte, eines natürlichen Todes.

1626 gelangte sein Haupt als Reliquie unter Abt Johannes Engler (1614-1637) ins Kloster Marchtal. Pater Sebastian Sailer bezeichnete es laut Blankenhorn als ,,unseren theuersten Klosterschatz". Der heilige Tiberius ist in der Folgezeit in Obermarchtal und der näheren Umgebung verehrt und immer wieder um Hilfe angerufen worden – speziell bei drohenden Unwettern und Viehseuchen. Auch bei persönlichen Bedrängnissen hätten sich die Gläubigen an den Schutzherrn gewandt. Hilfe versprachen sie sich von der Reliquie auch bei Kopfleiden. Schon im frühen 17. Jahrhundert hat sich laut Historiker Blankenhorn in Obermarchtal eine kleine regionale Wallfahrt zum ,,Heiligen Haupt des Tiberius" entwickelt. (Quelle: schwäbische.de und ,,Der Heilige Tiberius von Obermarchtal" von Hermann Blankenhorn)

Da ich auch ein Gespann mit Wagen erkenne, handelt es sich vieleicht auch um den Anhänger einer Obermarchtaler Bruderschaft der Fuhrleute die mit der Abbildung (Schutzengel/Jesus) ihre tägliche Arbeit unter den Schutz Gottes stellen wollen.

Die Zuschreibung zu Obermarchtal ist aber eindeutig. Es existiert im Peus Katalog 306 (Nr. 1149) ein sehr ähnliches Stück in der Form, das auf der Rückseite eine identische Schutzengelabbildung mit entsprechender Inschrift trägt. Die Vorderseite zeigt allerdings eine Hostienmonstranz und ist einer Sakramentsbruderschaft zugeschrieben.
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

Robert

Servus Gratian,

Dein umfangreiches Wissen erstaunt mich immer wieder vom Neuen.
Es ist schon was Besonderes so eine Abhandlung zu lesen. Der Fund
freut mich daraufhin natürlich um so mehr.
Es macht Dir scheinbar richtigen Spaß, auch zur nachtschlafenden Zeit
so etwas auszuarbeiten  :super: :super: :super: 

Meinen aufrichtigen Dank mit Grüßen.

Robert :winke:
wer alles weiß, bekommt keine Überraschung mehr