Streitaxt oder Werkzeug

Begonnen von crapseeker, 01. Februar 2022, 20:51:54

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crapseeker

Hallo zusammen,

länger habt Ihr nichts von mir gehört, aber es gibt mich noch ;-).

Heute darf ich Euch einen Fund zeigen, der mir gestern über den Weg gelaufen ist. Diese schöne Axt hat sich unter meine Spule verirrt. Waldfund.

Zunächst dachte ich: Geil eine Streitaxt, aber je länger ich sie ansehe, desto mehr keimt der Verdacht auf, dass es sich lediglich um ein Werkzeug handelt.

Wie würdet Ihr diesen Fund ansprechen und wie alt kann er sein? Maße: ca. 12 cm lang, Blatt ca. 8 cm hoch bei der Schneide und die Schenkel sind etwa 20 cm lang.

Danke und liebe Grüße aus Österreich,

Crapi   :winke:

If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

Ölfinger

Super interessantes Teil! :staun:
Das gegabelte Stück sieht schon sehr nach einem Nagelheber aus. Insofern wohl tatsächlich ein Werkzeug.
Gesehen habe ich sowas noch nie. Vielleicht ein "Prunkstück", das zu einer Berufstracht gehört?
Grüße
Ölfinger
was ich so treibe

crapseeker

Hallo Ölfinger,

danke für Deine Einschätzung! Ich habe bisher ein einziges Stück im I-Net gefunden, das meinem Fund ein wenig ähnlich sieht, aber halt ohne Nagelheber und auch ohne das Kreuz im Axt-Blatt.

Hab das Bild mal angehängt. Der Verkäufer auf e-bay ist ein Antiquitätenhändler und bezeichnet sein stück als MA-Streitaxt. Das würde ich mir von meiner auch wünschen, aber es wird wohl beim frommen Wunsch blieben...

liebe Grüße,

Crapi
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

Ölfinger

Auch bei dem Stück habe ich meine Zweifel, daß es sich wirklich um eine Streitaxt handelt.

Ganz allgemeine Frage, nicht auf Dich bezogen: Warum legen eigentlich so viele Leute wert darauf, daß es Streitäxte sind?
Deinen Fund z.B. finde ich wesentlich spannender als die meisten Hellebarden.
Grüße
Ölfinger
was ich so treibe


crapseeker

@Ölfinger: gute Frage, wahrscheinlich weil Werkzeug so was Alltägliches ist und Waffen eher nicht. Hämmer und Äxte aller Art tummeln sich in meiner Werkstatt, Schwerter und Streitäxte eher nicht. Wenn dann ein weiteres Werkzeug dazu kommt, auch wenn es alt ist, verbreitet es nicht das gleiche Gefühl, als wäre es nun tatsächlich eine Streitaxt gewesen. Wie auch immer, es schaut trotzdem gut aus und ich werde es ordentlich restaurieren und konservieren.
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

crapseeker

Zitat von: Colobus in 01. Februar 2022, 22:39:25
Nur mal so als Vergleich mit Holzgriff.

danke für den Link, das ist ein klassisches Zimmermannsbeil, auch asymmetrisch aufgebaut zum Behauen von Balken, meines ist völlig symmetrisch und viel kleiner und zarter.
lg,
Crapi
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

clemens

Servus Crapi, was für ein Schmankerl! Ich kenne nichts Vergleichbares. Der Nagelzieher am oberen Ort und die gestauchte (und nicht spitzige) Schlagfläche unterstreichen für mich den Charakter eines Werkzeugs. Die Schaftfedern und die Anlage des Dingens erinnert stark an Barte / Hellebarde, aber für eine umgeschmiedete ist es mir den Deut zu simpel. Mein augenzwinkender Arbeitstitel wäre "Arbeitsloser Hellebardenschmied macht phantasievolles Werkzeug für eitlen Handwerker, 17/18  jhd" Wir schmieden ja so Dingens und denken viel über Anlage und Umsetzung von Werkzeugen in der Schmiede nach, bei dem Trumm komme ich immer wieder ins schmunzelnde Kopfschütteln. Große Begeisterung, Danke fürs Zeigen! Liebe Grüße Clemens

SalPeter

Das ist für mich ein Lattbeil. Wahrscheinlich Eigenbau.
mfg

crapseeker

Zitat von: clemens in 02. Februar 2022, 08:35:52
Servus Crapi, was für ein Schmankerl! Ich kenne nichts Vergleichbares. Der Nagelzieher am oberen Ort und die gestauchte (und nicht spitzige) Schlagfläche unterstreichen für mich den Charakter eines Werkzeugs. Die Schaftfedern und die Anlage des Dingens erinnert stark an Barte / Hellebarde, aber für eine umgeschmiedete ist es mir den Deut zu simpel. Mein augenzwinkender Arbeitstitel wäre "Arbeitsloser Hellebardenschmied macht phantasievolles Werkzeug für eitlen Handwerker, 17/18  jhd" Wir schmieden ja so Dingens und denken viel über Anlage und Umsetzung von Werkzeugen in der Schmiede nach, bei dem Trumm komme ich immer wieder ins schmunzelnde Kopfschütteln. Große Begeisterung, Danke fürs Zeigen! Liebe Grüße Clemens

Hallo Clemens,
vielen Dank für Deine detaillierte und humorvolle Einschätzung :-). Ich hab sowas auch noch nirgends gesehen und auch im Netz nichts annähernd vergleichbares gefunden.
Sag: Wofür wurden diese eigenwilligen Kreuzlöcher ins Blatt gemacht, hab ich schon öfters gesehen, nicht nur bei Werkzeugen?
Liebe Grüße,
Crapi
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

crapseeker

Zitat von: SalPeter in 02. Februar 2022, 11:50:26
Das ist für mich ein Lattbeil. Wahrscheinlich Eigenbau.
mfg

danke, das wäre auch vorstellbar :-)
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

Colobus

Zitat von: crapseeker in 02. Februar 2022, 12:25:50
Sag: Wofür wurden diese eigenwilligen Kreuzlöcher ins Blatt gemacht, hab ich schon öfters gesehen, nicht nur bei Werkzeugen?


Um Nägel aus Holz zu hebeln.
Lg. Joachim

clemens

Ich denke Du meinst mit den Durchbrüchen jene, die nicht als Nägelzieher dienen, bei Waffen oder Statuswaffen wie die Bergbarten? Diese sind meist Punkt- Dreipass- oder Kreuzförmig und reiner Schmuck.
Liebe Grüße!

Harigast

Da wurde möglicherweise aus einem Werkzeug eine Stangenwaffe gemacht. Im 16.Jhd war das nicht selten. Das Blatt sieht mir nach nachträglich angebracht aus (Absatz oberhalb des Vierpass).

crapseeker

@clemens: Ja genau, die dreipass-artigen meine ich, ok, reine Zier, danke. Mich wundert ja eine Zier bei einem Werkzeug, aber warum nicht.

@Harigast: danke aber meinst Du das nicht umgekehrt, dass aus der Waffe ein Werkzeug gemacht wurde in meinem Fall?

lg,
Crapi

If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

Harigast

Nein, ich meinte das schon so. Als Möglichkeit...

crapseeker

@Harigast: Sorry, ich steh grad auf der Leitung. Mein Exemplar ist ja offenbar ein Werkzeug, oder seh ich da was falsch? Ich bin leider nicht so bewandert mit der Optik von MA-Waffen, bitte erklär mir nochmals (für Dödels), was Du meinst, also was woraus gebaut worden ist und was mein Exemplar ist bzw. war.
Sorry, dass ich mich so umständlich anstelle, hab aber gerade einen Knopf im Kopf.
Danke und liebe Grüße,
Crapi
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

Harigast

#17
Ich rate doch auch nur  :friede:

Ich könnte mit vorstellen, dass das mal eine Art "Latthammer" mit Nagelzieher war. Dann wurde vielleicht entweder der Hammerkopf zu einem Axtblatt ausgeschmiedet, oder aber - und das halte ich für wahrscheinlicher - der Hammerkopf wurde geteilt bzw. gespalten (daraus entstand teilweise der Vierpass) und ein Axtblatt wurde angefügt. Bauernwaffen wurden ja meistens aus vorhandenen Werkzeugen gebastelt. Wie gesagt, das ist auch nur geraten.

Grüße

cyper

Wie schon gesagt eine Eigenproduktion und kein Standartwerkzeug.
Diese Art des Durchbruches gab es etwa vom 15. bis 18. Jh. und die Stielaufnahme für Stangenwaffen war vor allem im 16./17. Jh. üblich. Ich denke mal der Ursprung dieses Teiles war etwa 16./17. Jh. und wurde vielleicht später dann zum Werkzeug umfunktioniert.
Das wirkliche Geheimniss wird wohl nicht gelüftet werden da es sicher kein Vergleichsstück geben wird und somit ein tolles Unikat bleibt.


Gruß cyper

crapseeker

danke @cyper für diese Einschätzung :-)

lg,
Crapi
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

clemens

Eveline Kesseli, eine großartige Schmiedin in der Schweiz, hat unlängst die dort typischen "Schindelibieli" oder Schindelhämmer zum Einschindeln von Dächern nach altem Vorbild in einer Kleinserie nachgeschmiedet. Nicht das Gleiche, aber ich finde hier erwähnenswert. @Crapi kommt die von Dir da oben, da wäre die sogenannte Sudetenlärche passend, aber ob Eure Dächer damals mit Schindeln - ich weiß es nicht.
Gut Fund Clemens

crapseeker

Hallo @Clemens,

danke für das Bild, ja, da gibts eine Ähnlichkeit. Der Fundort ist nicht gerade ums Eck zum Sudetenland, wobei das alles relativ ist.
Ich glaube, das wird sich nie ganz klären lassen, aber die Idee, dass aus einer Waffe ein Werkzeug wurde, ist nicht ganz abwegig.

lg,

Crapi
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

Colobus

#22
Hallo ich noch einmal,
ich denke die Kreutzschlitzöffnung ist kein Zufall, sondern gewollt um kleinere Nägel zu entfernen, oder heraus zu hebeln, versuchs doch mal mit einem nicht komplett  eingeschlagenem Nagel.


Hier ein moderneres Beispiel.

cyper

Schau dir mal den Durchbruch an, da kannst niemals Nägel ziehen. Solche Durchbrüche wie du meinst gibt es, aber die sind ganz anders aufgebaut ähnlich wie in meinem Beispielbild .

Gruß cyper

Colobus

Hallo cyper, ich versuche ja nur zur Aufklärung bei zu tragen, Versuch macht Kluch.

Gruß Joachim

SalPeter

So! Durch Zufall habe ich voriges Jahr in Gößweinstein auf der Burg eine Axt fotografiert die genauso aussah nur ohne den Nagelzieher.
Der Durchbruch ist an der gleichen Stelle ziemlich am Rand gesetzt. Da aber auch eine Bergbarte und ein Eberkopf an der Wand hing und andere Sachen, auch antike Waffen geht meine Vermutung doch in die Richtung einer umgebauten Streitaxt.
mfg

crapseeker

Zitat von: SalPeter in 05. Februar 2022, 11:21:24
So! Durch Zufall habe ich voriges Jahr in Gößweinstein auf der Burg eine Axt fotografiert die genauso aussah nur ohne den Nagelzieher.
Der Durchbruch ist an der gleichen Stelle ziemlich am Rand gesetzt. Da aber auch eine Bergbarte und ein Eberkopf an der Wand hing und andere Sachen, auch antike Waffen geht meine Vermutung doch in die Richtung einer umgebauten Streitaxt.
mfg

Spannend, hast du das Foto zufällig noch irgendwo, würde mich sehr interessieren :-).

liebe Grüße,

Crapi
If it ay bost, dow fix it! (Black Country Saying)

Colobus

#27
Hallo SalPeter,
ist es diese Streithammeraxt?

Gruß Joachim


Colobus

#28
Und wie sieht es damit aus?
Soll keine Reklame sein, nur als Beispiel.





Harigast

Das Beil aus der Sammlung halte ich für ein Jagd- und Aufbrechbeil. Quasi Mehrzweck.